Pfarrer predigen um die Wette
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Bamberg, Dienstag, 14. Januar 2020
Fünf Geistliche sind beim ersten "Poetry-Preacher-Slam" Bambergs angetreten, um die beste Kurzandacht zu halten. Das Gotteshaus tobt.
Der Abend in der gut besuchten Erlöserkirche beginnt mit kecker Jazzmusik von E-Piano (Konrad Buschhüter) und Kontrabass (Nikolaus Durst). Menschen mit Rotweingläsern schlendern durch die zehneckige Architektur. Vor dem Altar: ein Rednerpodest samt Mikrofonständer. Ungewöhnliche Eindrücke für eine Kirche. All das ist jedoch nichts gegen das Trampeln, Pfeifen und Jubeln des Publikums, das in den kommenden drei Stunden immer wieder im Kirchenraum aufwallen wird, wie man es sonst höchstens vom Public Viewing der Fußball-WM kennt.
So eine Veranstaltung gab es noch nie in Bamberg. Poetry Slams finden mittlerweile zwar in nahezu allen Städten Deutschlands statt, doch heute tragen neben drei Studentinnen auch fünf Pfarrerinnen und Pfarrer aus der Region ihre Texte um die Wette vor. Die Themenvorgabe ist dabei so offen, wie die entstandenen Texte allesamt Schwergewichtiges behandeln: "Gott und die Welt".
Eskalation statt Applaus
Jeder Vortrag wird mittels Applaus bewertet. Wobei Eskalieren wohl die treffendere Beschreibung für das akustische Ereignis ist, das auf sämtliche Texte des heutigen Abends folgt. Thomas Braun, Hochschulpfarrer und Organisator des Abends, räumt für seine Zunft ein: "Predigten etwas spielerischer anzugehen, sich weniger ernst zu nehmen, das würde uns am allerwenigsten schaden."
Studentin Ann Katharina Re eröffnet den Abend mit einem Brief an Gott. Das Schreiben ist ein Bombardement an Fragen, etwa warum sie nicht in knapper Bekleidung in Gotteshäuser dürfe, wo Gott sie doch nackt, wie er sie schuf, kenne. Ihre Kommilitonin Katja Steiger würde am liebsten gleich mit Gott telefonieren. Am Hörer konfrontiert sie ihn mit der Theodizee-Frage, jener nach dem Leid in der Welt angesichts eines allmächtigen und guten Gottes.
Dazwischen sorgt die gastgebende Pfarrerin der Erlöserkirche, Anne Schneider, für die stillsten Minuten der Veranstaltung. Ihr Text "Good God", der auf das domschmückende Kunstwerk über den Dächern Bambergs anspielt, ist ein sprachliches Gebilde von beeindruckender lyrischer Prägnanz, dem die anwesenden gerne länger gelauscht hätten.
Ihre Kollegin Mirjam Elsel macht aus dem Vortrag dagegen ein Sozialexperiment. Handmeldungen des Publikums sind gefordert, wenn die Pfarrerin der Gemeinde Hirschaid eine Frage nach der anderen zur eigenen Haltung gegenüber Toleranz in verschiedensten Kontexten stellt. Mit feinem Gespür für die Situation geht sie dabei über die üblichen Grenzen des öffentlich Fragbaren hinaus. Niemand kann sich diesem Text entziehen.
Zwischen den Vorträgen ermöglichen Jazzstücke immer wieder, das Gehörte wirken zu lassen. Die Musik könnte nicht treffender gewählt sein, teilen sich Jazz und Spoken Word (der lyrische Vortrag vor Publikum) doch eine gemeinsame Geschichte in den 60er Jahren der USA. Tatsächlich fand der erste Poetry Slam der Geschichte sogar in einem Jazzclub in Chicago statt. Unabhängig von den vorgetragenen Texten muss man darum die organisatorischen i-Tüpfelchen dieses ersten Preacher-Slams loben. Der Abend war so rund wie die Kuppel der Erlöserkirche am Ufer des Main-Donau-Kanals.