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Pettstadt eröffnet Kita in einer Blockhütte im Wald


Autor: Werner Baier

Pettstadt, Freitag, 12. Juli 2013

Die Gemeinde reagiert mit einem Waldkindergarten auf den steigenden Bedarf an Betreuungsplätzen. Bis zu 18 Kinder sollen in einer Blockhütte an der Verlängerung des Erlacher Wegs im Rechtlerwald betreut werden.
Buddelhose, Hut und Gummistiefel: Waldkindergartenkinder brauchen die richtige Ausrüstung, dann sind sie für alle Abenteuer gewappnet.  Foto: sw


Mit der Einrichtung eines Waldkindergartens am Fuße des Mainbergs will die Gemeinde den Bedarf an Kindergartenplätzen decken, der sich für die nächsten Jahre abzeichnet. Unter der Trägerschaft der Katholischen Kirchenstiftung sowie der Leitung der Kindertagesstätte St. Anna wird für bis zu 18 Kinder eine neue Gruppe eingerichtet: in einer Blockhütte, die an der Verlängerung des Erlacher Wegs im Rechtlerwald aufgestellt werden soll. Bürgermeister Jürgen Schmitt rechnet mit Baukosten von 30.000 bis 40.000 Euro.

Noch vor kurzem glaubte der Gemeinderat, mit zwei Gruppen zu 25 Kindern und einer zehnköpfigen, gemischten Gruppe von Zwei- bis Vierjährigen die Nachfrage befriedigen zu können. Inzwischen sind aber die Geburtenzahlen von vorher durchschnittlich 16 auf über 20 pro Jahr geklettert - im ersten Halbjahr 2013 kamen schon 14 Geburten hinzu.

Außerdem erhöht die Inklusion behinderter Kinder den Belegungsschlüssel, sodass mittelfristig 70 statt bislang 60 Kindergartenplätze erforderlich sein werden. Daneben wird auch der Bedarf an Krippenplätzen steigen.

Um den jungen Familien frühzeitig die Sicherheit zu geben, dass die nötigen Betreuungsplätze in Krippe und Kindergarten zur Verfügung stehen werden, suchten Gemeinde und Kindergartenträger nach einer tragfähigen Lösung. Sie wurde in der Form des vielerorts bewährten Waldkindergartens gefunden.

Kirche übernimmt Trägerschaft

Peter Beierwaltes sagte für die Katholische Kirchenstiftung zu, die Trägerschaft zu übernehmen, wenn die Gemeinde die Investition und die laufenden Kosten übernimmt. Diese Bedingung wurde vom Gemeinderat akzeptiert.

Der Waldkindergarten soll möglichst schon im Frühjahr 2014 fertig sein und je nach Bedarf bezogen werden, spätestens im Frühjahr 2015. Der Vorteil einer solch kindgerecht ausgestatteten Blockhütte im Wald besteht darin, dass sie bei später möglicherweise wieder sinkenden Kinderzahlen für die externe Gruppenarbeit oder auch als Wanderziel weiter genutzt werden kann.

Betreuung von 8 bis 13 Uhr

Die Leiterin des Kindergartens St. Anna, Susanne Weber, erklärte dem Gemeinderat, wie's funktionieren soll: Die Kinder werden von zwei Betreuerinnen begleitet, im Bedarfsfall kommt die Vertretung vom Personal des Kindergartens St. Anna.

Täglich von 8 bis 13 Uhr sollen die Kinder in der Waldkita betreut werden. Dazu sei eine sehr umfangreiche und ansprechende Pädagogik geplant: fester Treffpunkt am Waldrand; gemeinsamer, etwa siebenminütiger Marsch zum Betreuungsort; Morgenkreis mit kleinen Spielen und Erzählungen, Singen, Kreisspiel; gemeinsames Frühstück, Freispielzeit, Kleingruppenarbeit mit individueller Förderung; Vorschularbeit für die älteren Kinder, gemeinsames warmes Mittagessen. Gegen 13 Uhr kehren Kinder und Betreuerinnen zum Waldrandparkplatz zurück. Kinder, die nicht abgeholt werden, werden in die Kita St. Anna gebracht.

Als begeisterter Befürworter des Konzepts erwies sich der zuständige Revierförster Uwe Reissenweber. Die Gemeinde müsse aus seiner Sicht nur die Verkehrssicherungspflicht übernehmen, eine regelmäßige Baumkontrolle in der Umgebung durchführen, Totholz sowie beschädigte, riskante Bäume entfernen. Bei Wind- und Schneebruchgefahr dürften die Kinder nicht in den Wald gebracht werden. Sie sollen dann vorübergehend im Turnraum der Kita betreut werden. Die Hütte müsste nicht, soll aber beheizt werden.

Schaufel statt Klospülung

Eine Toilette wird - wie bei Waldkitas üblich - nicht errichtet. Kleines und großes "Geschäft" wird im Freien verrichtet; statt der Klospülung kommt eine kleine Schaufel zum Einsatz. Rustikales, naturnahes Leben ist angesagt - und gefragt. Denn: Gleich nach der Bekanntgabe des Tagesordnungspunktes bekundeten Eltern Interesse, ihre Kinder in die Waldkita zu schicken. Bürgermeister Schmitt ist zuversichtlich, die Mindestzahl von fünf beteiligten Kindern zu erreichen.

Jagdinteresen nicht berührt

Zweiter Bürgermeister Fritz Linz signalisierte als Vorstand der Rechtlergemeinschaft Pettstadt Zustimmung und Unterstützung. Die Nutzung des betroffenen Waldstückes werde nur minimal eingeschränkt, Jagdinteressen würden nicht berührt. Laut dem Revierförster gewöhne sich das Wild relativ schnell an die Kinder. Und die Ausübung der Jagd verbiete sich in Anwesenheit der Kinder von selbst.

Bürgermeister Schmitt will umgehend die Doktorarbeit von Peter Häfner zum Thema Waldkindergarten auf der Homepage der Gemeinde Pettstadt verlinken. Daraus geht hervor, dass der Besuch einer solchen Einrichtung für Kinder gleichbedeutend mit dem des Regelkindergartens ist.

Idee kommt aus Dänemark

Erste Waldkindergärten entstanden in den 1970er-Jahren in Dänemark, 20 Jahre später kamen sie auch in Deutschland auf. Sie erlauben, alle Ziele des Bildungs- und Erziehungsplanes zu erreichen. Dabei geht es etwas weniger um die Feinmotorik, dafür bietet der Aufenthalt in der Natur den Kindern ideale Möglichkeiten, eine Vielzahl von Erfahrungen zu sammeln und die Sinne optimal zu entwickeln. Besonders gefördert werden die Verantwortung für die Natur und die soziale Kompetenz.

Der Gemeinderat sieht daher in dem Waldkindergarten kein Wagnis, sondern eine sinnvolle Alternative zur herkömmlichen Kita. Und er hilft bei dem unverhofften Kinderreichtum der Gemeinde, den zahlreichen Nachwuchs gut auf die Schule vorzubereiten.