Paradies auf Erden
Autor: Redaktion
Bamberg, Donnerstag, 14. Februar 2019
Auf der Insel La Réunion kann man ganz friedlich morgens über den Wolken wandern und abends die Füße im Meer kühlen.
Alle Jahre wieder entzünden sich teils heftige Diskussionen. Es geht um die schönste, aber nicht unbedingt harmonischste Zeit im Jahr - und um das damit verbundene Urlaubsziel. Mama will oft partout ans Meer, Papa pocht auf zwei Wochen in den Bergen, oder umgekehrt. Wie schlau, wenn man beides miteinander verbinden kann! Etwa auf einer Trauminsel östlich von Madagaskar. La Réunion ist ein putziges Fleckchen Erde, dessen Gipfel fast in den Indischen Ozean plumpsen, so nahe sind sich die Extreme der Natur hier. Als Dreingabe gibt es rund um den Kalender: Sonne satt, gut gelaunte Bewohner sowie einen Haufen sonstiger Extras.
Das Küstenörtchen Manapany les Bains in der Nähe von Saint-Joseph im wilden Süden des Eilands empfängt Neuankömmlinge mit buschigem Grün, soweit das Auge reicht. Meterhohe Palmen konkurrieren mit der bunt wuchernden übrigen Flora um Raum - alles umsäumt von Wellen, die ohne Unterlass an den Kieselsteinstrand des Dörfchens schlagen. Prompt fallen einem jede Menge Adjektive ein, die alle auf "-isch" enden: "malerisch", "romantisch", "idyllisch". Teenager würden wohl profaner "endgeil" dazu sagen.
Claus Köhler ist daran gewöhnt, dass es frisch gelandeten Touristen in diesem irdischen Paradies erst mal die Sprache verschlägt. Seit 2006 betreibt Köhler ein Gästehaus auf La Réunion. Der Mann mit den fränkischen Wurzeln gehört zu rund 100 Deutschen, die derzeit auf der winzigen Maskarenen-Insel zwischen Madagaskar und Mauritius leben. Für Wanderer sowie Badefreunde ist die Region ein meist noch unentdecktes Juwel. Skurrilerweise finden sie sich hier, viele tausend Kilometer weit von der Heimat, in einem EU-Land wieder. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhob man den rund 2.500 m² kleinen Punkt auf dem Globus zum französischen Übersee-Departement. Die bunt zusammen gewürfelten, über 850.000 Réunionesen sprechen untereinander Kreolisch. Die Amtssprache ist Französisch.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts ernteten hier Sklaven aus Ostafrika, Madagaskar und Indien Zuckerrohr oder die berühmte Bourbon-Vanille, welche auf dieser diamantförmigen Erhebung mitten im Meer nicht so süßlich schmeckt wie die Konkurrenz aus Mexiko. Auf La Réunion wird auch ein ordentlicher Rum hergestellt; Bananen, Ananas und Litschis lieben das tropisch-warme Klima. Dennoch ist man wirtschaftlich stark abhängig von "La France", von wo etwa die Mittel herkommen für das mittlerweile fantastisch ausgebaute Straßennetz.
Der gelernte Hotelmanager Köhler wurde 1989 von seinen damaligen Chefs in die Südsee geschickt. Um weiterhin mit drei Sternen eingestuft zu werden, mussten an jedem Standort mindestens drei fremdsprachige Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Also setzte sich der Tourismusprofi im Jahr des Mauerfalls ins Flugzeug. Später sollte er an den Hauptsitz seiner Firma nach Paris versetzt werden. Doch er kündigte lieber. Und machte sich auf La Réunion selbstständig. Nur noch ganz selten fehlt dem 58-Jährigen, dessen Mutter aus Marktredwitz und dessen Vater aus Hof stammt, eine Vokabel. Dann sagt er auf Jeep-Exkursionen für seine Gäste einfach "Flechte" statt englisch "lichen". Und versucht so, ein hartnäckiges Naturgewächs zu erklären, das sich auf dem erstarrten, aber immer noch erstaunlich warmen Lavafluss zu seinen Füßen festgewachsen hat.
Köhler kauert dann auf dem welligen, dunklen Untergrund. Seine beiden Hände umschreiben riesige Dimensionen, um der Macht der Vulkane auf La Réunion ein passendes Bild zu geben. Vor zwei bis drei Millionen Jahren schob sich deren feuerspeiender, heute erloschener Ur-Vater, der 3.070 Meter hohe "Piton des Neiges", aus dem Grund des Ozeans. Um sich schart der Lokalpatriot bis heute die drei Talkessel "Cirque de Cilaos", Cirque de Salazie" sowie "Cirque de Mafate" - benannt nach einem entflohenen Sklaven, der sich einst vor seinen Verfolgern in diese einsame Caldera (eingestürzter, erloschener Vulkankrater) flüchtete. Bis heute ist der "Mafate" nur per Pedes oder mit dem Hubschrauber erkundbar.
Neben dem "Piton des Neiges" prägt einer seiner Kollegen die Geografie der Insel: der wesentlich jüngere "Piton de la Fournaise" (etwa: "Spitze des Backofens"), welcher dieser Bezeichnung alle Ehre macht. Als einer der lebhaftesten Vulkane der Welt steht das Energiebündel rund um die Uhr unter wissenschaftlicher Beobachtung. Wenn dieser Hitzkopf mal wieder schlechte Laune hat und speit, zieht es die Einwohner wie magisch an den Küstenstreifen - von wo aus man das brandheiße, aber harmlose Spektakel besonders gut vor Augen hat.