Druckartikel: Ostumfahrung Bamberg: Ein Schreckgespenst taucht auf

Ostumfahrung Bamberg: Ein Schreckgespenst taucht auf


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Donnerstag, 17. März 2016

Die Ostumfahrung Bambergs gilt als ökologische Sünde, die niemand will. Nun bescheinigt ihr Verkehrsminister Alexander Dobrindt "vordringlichen Bedarf".
Die Ostumfahrung nach dem Vorschlag der Bahn würde rechts der A 73 verlaufen und ein Baufeld von rund 40 Metern Breite erfordern. Unser Bild zeigt die Autobahn zwischen Flugplatz (rechts) und den Häusern von Lichteneiche (links).   Foto: Ronald Rinklef


Heinz Kuntke, SPD-Stadtrat und Vorsitzender des Bürgervereins Bamberg-Ost, konnte es erst gar nicht glauben: Ringt man im Stadtrat nicht seit Jahren um die bestmögliche Variante für den Bahnausbau? Zeigten nicht alle Zeichen zuletzt gegen die Ostumfahrung, namentlich die ungetunnelte Version der Bahn, die den Güterverkehr weiter durch Bamberg rattern lässt? Und hatten die Bahnvertreter nicht noch am Mittwoch unmissverständlich gegen diese Lösung plädiert?

Dennoch erlebt die totgeglaubte Ostumgehung jetzt eine Wiedergeburt. Es sind vier Zeilen auf Seite 168 des am Mittwoch veröffentlichten Bundesverkehrswegeplans 2030, die manchem im Osten lebenden Bamberger das Frühstück verhagelt haben. Hier stuft der Bund den Neubau einer zweigleisigen Strecke entlang der A 73 als Projekt mit "vordringlichem Bedarf" ein. Das bedeutet: Das Geld für den Ausbau ist offenbar da - aber nicht für die vom Bamberger Stadtrat favorisierten Varianten.

Heinz Kuntke ist sich sicher: "Wenn das so käme, wäre das eine Katastrophe für Bamberg. Dann gibt es keinen Lärmschutz für die Anwohner an der Bestandsstrecke, die Güterzüge fahren trotzdem weiter durch die Stadt - und der halbe Hauptsmoorwald wird abgehackt."


40 Hektar Wald würden verloren gehen

Das Szenario ist ernst zu nehmen: Gutachten zufolge hat die Ostumfahrung der Bahn einschneidende Folgen. Der Verlust an Waldfläche beträgt rund 40 Hektar, die Probleme beim Grund- und Trinkwasserschutz, nicht zuletzt die Lärmbelastung für Tausende Menschen sind gravierend. Sie sind auch der Grund, weshalb die Bamberger SPD-Fraktion mehrheitlich die Ostumfahrung lieber heute als morgen beerdigen würde. Und nicht nur sie. Auch Bambergs CSU sieht die Waldtrasse kritisch und drängt auf eine Abstimmung.
Doch warum nun taucht das Schreckgespenst wieder auf? Helmut Müller von der CSU glaubt an einen Übertragungsfehler, der sich möglicherweise in den umfangreichen Plan eingeschlichen hat. Einer Ostumfahrung würde die CSU nie zustimmen, versichert Müller.

Ist das Ganze also eine Panne? Kein Kommentar beim Bahnsprecher des Projekts Deutsche Einheit 8. Auch in der Münchner Bahnzentrale schweigt man sich aus: Konzernbevollmächtigter Klaus-Dieter Josel antwortet nicht auf unsere Anfrage.

Rätselhaft ist der Kurswechsel auch für die Stadt. Sprecher Claus Reinhardt sagt, dass die Nennung der Ostumfahrung weder mit der Stadt abgesprochen war, noch den Stand der Dinge widerspiegelt. Bekanntlich dauert der Prozess der Trassenfindung zwischen Bahn, Stadt und Bund noch an.


Günstiger als alternative Trassen

Freilich zeigt der Blick auf die Fakten der drei Varianten, dass die Ostumfahrung auch Vorteile hat - nicht für die Stadt Bamberg und ihre Nachbargemeinden, wohl aber für den Bund als Bauherren. Mit 650 Millionen Euro ist sie rund 70 bzw. 120 Millionen Euro günstiger als die beiden alternativen Trassen. Sie benötigt außerdem nur sechs Jahre Bauzeit und ist möglicherweise sogar leistungsfähiger.

Ist es also das Geld, das das Bundesverkehrsministerium zum Ostschwenk veranlasst hat? Der Bamberger Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär Thomas Silberhorn (CSU) hält es zumindest für wahrscheinlich, dass es deswegen zu der überraschenden Wendung kam. Gleichzeitig gibt er aber Entwarnung. Er habe am Mittwoch mit Verkehrsminister Dobrindt (CSU) gesprochen. "Die Nennung ist kein Präjudiz, mit dem Bundesverkehrswegeplan ist keine Trassenentscheidung verbunden."

Allerdings: Silberhorn kritisiert, dass die Verantwortlichen in Bamberg ein hohes Risiko eingingen, wenn sie die Entscheidung noch weiter hinausschieben würden - trotz möglicher Konsequenzen für den Lärmschutz in der Stadt und der offenkundigen Nachteile einer Ostumgehung für viele im Osten Bambergs lebende Menschen: "Wer nicht handelt, der wird behandelt", sagt Silberhorn - ein Wink mit dem Zaunpfahl. Denn Silberhorn glaubt, dass am Ende die Bahn selbst entscheidet, wenn Bamberg sich nicht entscheiden kann.

Noch geht tatsächlich ein Riss durch den Stadtrat: Zwar sind CSU und SPD mehrheitlich der Meinung, dass die Ostumfahrung baldmöglichst ausgeschieden werden soll. Doch GAL, Bürger-Block, Freie Wähler und andere wollen die alternative Ostumfahrung der Initiative Bahnsinn, eine getunnelte Güterzugumfahrung mit Westanbindung, einer neutralen Untersuchung unterziehen. Das kostet etliche zehntausend Euro und ein halbes Jahr Zeit.

Ist der Gewinn an Informationen das Geld wert? Stadtrat Sebastian Niedermaier (SPD) glaubt, ja:  "Auf ein paar Monate kommt es nicht an. Bei einem so wichtigen Projekt sollten wir alle Informationen einholen, die wir bekommen können."