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ÖDP fordert eine gerechte Rente


Autor: Peter Müller

Kulmbach, Dienstag, 29. August 2017

Der Kreisvorsitzende der Ökologisch-Demokratischen Partei, Thomas Müller, sieht eine "riesige Altersarmut", wenn sich am Rentensystem nichts ändert.
ÖDP-Kreisvorsitzender Thomas Müller (mit gelbem Hemd) diskutiert mit den Besuchern seiner der Wahlveranstaltung in der Kommunbräu. Foto: Peter Müller


Seit 1992 dümpelt die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) in Bayern an der 2-Prozent-Marke dahin, auf Bundesebene steht eine Null vor dem Komma. Wahlkampfmüdigkeit? Kein Thema. Der Vorsitzende des Kreisverbands Kulmbach-Lichtenfels, Thomas Müller, vertritt bei seiner Tour durch die Städte und Gemeinden engagiert die Thesen der Partei, auch wenn sich oft nur ein Dutzend Zuhörer zu den Informationsabenden einfinden. So wie am Montagabend in Kulmbach, im Saal der Kommunbräu.

Müller ("Die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts ist es, allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen, ohne den Planeten zu zerstören") setzt aber mehr auf Qualität. Er veranstaltet keine Ein-Mann-Show, sondern lässt Diskussionen zu, auch während seiner Redebeiträge. Die Besucher in der Kommunbräu nehmen diese Möglichkeit ausgiebig wahr.

Der 62-jährige Apotheker aus Burgkunstadt, der auch den ÖDP-Bezirk führt, greift die Top-Themen auf, die laut einer Abstimmung der Organisation "Campact" die Menschen am meisten interessieren: Rente und Gesundheit.


"Einmalig in Europa"

Dass in der gesetzlichen Rentenversicherung nur abhängig beschäftigte Arbeitnehmer versichert sind, so Müller, sei einmalig in Europa. In anderen Ländern wie in den Niederlanden, England, Frankreich und der Schweiz gebe es zum Beispiel eine Bürgerversicherung, in die auch Selbstständige und Millionäre einzahlen und so ihren Solidarbeitrag leisten.

In Deutschland berechne sich die Rente nach den Einzahlungen von etwa 50 Jahren, woraus sich ein Durchschnittswert von zurzeit 48 Prozent ergebe. Bei den Beamten betrage die Pension hingegen 70 Prozent des letzten Gehalts. Da aber für die Pensionen keine Rückstellungen bestehen, sei deren Zahlung "ein ungedeckter Scheck für die Zukunft".

Müller schneidet auch das Problem der Geringverdiener an, die im Durchschnitt mehr als zwölf Euro pro Stunde erhalten müssten, um eine Rente über dem Niveau der Grundsicherung zu bekommen. Bei einem Mindestlohn von 8,84 Euro könne diese Rechnung aber nicht aufgehen. "Die Gefahr einer riesigen Altersarmut kommt auf uns zu", warnt der Kreisvorsitzende.


Lösung mit drei Bausteinen

Zur Lösung der Gesamtproblematik werde in der ÖDP ein Rentenmodell diskutiert, das aus drei Bausteinen bestehe "und der Gerechtigkeit am meisten zuträglich wäre":
• Eine Sockelrente als erste Stufe der Existenzsicherung im Alter, die für alle in der gleichen Höhe ausgezahlt wird.
• Zusätzlich eine nach den erbrachten Beiträgen bemessene Rente, wobei auch Erziehung und Pflege honoriert werden müssen.
• Eine Betriebsrente/Privatrente und vorübergehend ein Grundeinkommen von 250 bis 300 Euro für Armutsrentner.

Dass der Bund "eine gewaltige Schuld den Rentnern gegenüber" habe, macht Müller anhand der versicherungsfremden Leistungen deutlich. Diese würden seit 1957 gezahlt, lägen stets höher als die Bundeszuschüsse und hätten sich inzwischen auf 748 Milliarden Euro summiert.


"Profitgier statt Heilung"

Hat Deutschland das beste Gesundheitssystem der Welt? ÖDP-Kreisvorsitzender Müller bezweifelt das. Fakt sei, dass immer mehr Ärzte Ausländer mit zum Teil unzureichenden Sprachkenntnissen seien, Krankenschwestern und Pfleger am absoluten Limit arbeiteten. Zudem litten immer mehr ältere Patienten an Demenz, was aber in den Personalschlüsseln nicht berücksichtigt sei.

Als vor mehr als 20 Jahren das deutsche Gesundheitssystem unter dem damaligen Minister Horst Seehofer umdefiniert worden sei, habe man aus dem Anspruch aller Menschen auf Gesundheit einen Markt gemacht und die organisierte Verantwortungslosigkeit eingeführt. Müller: "Ziele und Struktur sind seitdem nicht mehr darauf gerichtet, Heilung zu schaffen, sondern Profit zu erwirtschaften." Deshalb brauche man eine sektorenübergreifende Gesamtbetrachtung der Kosten: Krankenhäuser - Ärzte - Arzneimittel - Hilfsmittel/Heilbehandlungen. Im Moment werde nur versucht, die einzelnen Bereiche gegeneinander auszuspielen.

In der Diskussion werden die Chancen der Partei bei der Bundestagswahl realistisch eingeschätzt. "Wie kann die ÖDP das alles durchdrücken? Da seid ihr zu schwach", sagt einer der Besucher und empfiehlt, sich mit anderen Parteien zusammenzutun, die ähnliche Vorstellungen haben.

Thomas Müllers Antwort bleibt unwidersprochen: "Wir können erst dann etwas bewirken, wenn es genug Leute gibt, die uns wählen."