Druckartikel: Oberfranken zündet Genussstufe 2

Oberfranken zündet Genussstufe 2


Autor: Matthias Litzlfelder

Hallstadt, Dienstag, 08. Dezember 2015

Die Idee der Handwerkskammer, in der Region mehrere Genusshäuser zu schaffen, nimmt konkrete Formen an. Inzwischen haben sich 15 Standorte ins Gespräch gebracht. Und aus den Plänen wird ein bundesweites Modellprojekt.
Eine Idee für ein Genusshaus: In der ehemaligen Fürstbischöflichen Vogtei in Hallstadt bei Bamberg soll eine Krapfenbackschule entstehen und an diese Tradition der Stadt erinnern. Unter Anleitung der Hallstadterin Gunda Schlauch wurden gestern schon einige Hutkrapfen gefertigt. Foto: Ronald Rinklef


An den Autobahnen werben große Schilder schon lange. "Genussregion Oberfranken" ist dort zu lesen. Die Initiative dazu gab ein gleichnamiger Verein, im Oktober 2007 unter Federführung der Handwerkskammer für Oberfranken gegründet.


Vom Bier bis zum Rübenkraut

20 Millionen Autos fahren jährlich an diesen Schildern vorbei. Kulinarische Spezialitäten vom Bier bis zum Rübenkraut finden sich überall in Oberfranken. Doch jetzt wollen die Initiatoren noch einen Schritt weiter gehen. Um den Regierungsbezirk genussvoll in Szene zu setzen, sollen konkrete Zentren entstehen, die nicht nur Touristen ansteuern können.

"Man sieht es noch zu wenig, was die Genussregion ausmacht", sagt Bernd Sauer, Kuratoriumsvorsitzender des Vereins.


Krapfen für die Flusskreuzfahrer

Gestern allerdings trafen sich die Verantwortlichen dieser Projektidee an einem ganz konkreten Ort, der zum Genusshaus werden könnte. Das Fürstbischöfliche Vogteihaus in Hallstadt (Landkreis Bamberg) soll im Erdgeschoss künftig eine Krapfenbackschule beherbergen. Eigentümer Wolfgang Steck, dessen Urgroßvater das Haus 1885 gekauft hatte, um darin eine Apotheke zu betreiben, sprach über seine Vision, wie er sich die Zukunft dieses barocken Schmuckstücks vorstellt. "Ein Privatmann kann das Haus alleine nicht wiederbeleben", sagte Steck. Aber mit der Genusshaus-Initiative könne vor allem das Brauchtum der Krapfenbäcker erhalten werden.

Einige Flusskreuzfahrttouristen, die in Bamberg anlegen, könnten sich für die Hutkrapfen interessieren. Steck schwebt aber auch ein "Erlebnisbacken" für Firmen vor.


In Bayreuth neben Opernhaus

Das Hallstadter Genusshaus war nur eine von vier konkreten Ideen, die die Handwerkskammer gestern der Öffentlichkeit vorstellte. Mittlerweile haben sich, nachdem Kammerpräsident Thomas Zimmer Anfang des Jahres die Idee erstmals verkündete, insgesamt 15 Städte ins Gespräch gebracht, künftig ein oberfränkisches Genusshaus zu beherbergen.
In Bayreuth hat Thomas Zimmer ein Gebäude neben dem Markgräflichen Opernhaus im Visier. Ende 2016 wird die dortige Sparkasse das Erdgeschoss räumen. 1300 Quadratmeter in bester Lage, stark touristisch frequentiert und mit Parkmöglichkeiten hinter dem Haus.

Ein mögliches Genusshaus soll hier multifunktional ausgerichtet werden und verschiedene Träger haben.


Machbarkeitsstudie erstellt

Uta Hengelhaupt, Professorin für Denkmalpflege und Projektleiterin der Genussregion, stellte klar, dass nicht nur große Städte infrage kämen. "Vor allem die kleinen Standorte haben meine Sympathie", sagte sie. Als Beispiel nannte sie Münchberg. Dort soll ein sanierungsbedürftiges Fachwerkhaus zum Genusshaus werden.
Hengelhaupt hat in den vergangenen Monaten eine Machbarkeitsstudie erstellt. Dazu hat sich die Kulturhistorikerin auch in Südtirol und in Unterfranken umgesehen.


Vinotheken als Vorbild

In Südtirol gebe es die Pur-Südtirol-Märkte, wo regionale Marken qualitätsvoll präsentiert würden.

Unterfranken wiederum sei mit den Konzepten der Vinotheken, etwa in Sommerach oder Volkach, beispielgebend - vor allem weil dort renovierte historische Gebäude benutzt würden. "Solche Markenbausteine sind das Entscheidende auch in Oberfranken", sagte Hengelhaupt. Insgesamt gebe es aktuell in Oberfranken von Seiten verschiedener Kommunen, eines Museums und dreier Privatunternehmen Überlegungen, ein Genusshaus zu entwickeln.
"Welche Ideen verwirklicht werden, wissen wir heute noch nicht", sagte Zimmer. Es gehe darum, jenseits von Konkurrenzdenken Dinge zu bündeln.
Die Initiative "Genussregion Oberfranken" sei dabei in zweierlei Hinsicht ins bundesweite Interesse gerückt. Zum einen gelte die Idee der Genusshäuser inzwischen als Modellprojekt des Bundeslandwirtschaftsministeriums mit dem Ziel bundesweiter Übertragbarkeit.

Zum anderen sei die Genussregion vor kurzem ins deutsche Register "Guter Praxisbeispiele zum Erhalt des immateriellen Welterbes" aufgenommen worden.


Bisherige Projektideen

Bamberg:
Genusshaus in Verbindung mit dem neu zu errichtenden Welterbe-Besucherzentrum;
Bayreuth: Genusshaus im Sparkassengebäude neben Opernhaus;
Bad Alexandersbad: Regionalladen;
Bad Berneck: Neukonzept für Gasthof Lindenmühle;
Bad Staffelstein: Genusshaus im Ort;
Hallstadt: Krapfenbackschule;
Hof: Anbau am Rathaus mit Tourismusinfo;
Hollfeld: Genusshaus im Bartholomäus-Spital;
Kulmbach: Genusspark rund ums das Bäckerei- und Brauereimuseum;
Ludwigsstadt:
Alte Jahns-Bräu;
Münchberg: Fachwerkhaus im Ort;
Pegnitz: Genusshaus im Gasthof "Goldener Stern";
Pottenstein: Alte Schule Kirchenbirkig;
Rehau: Biodiversitätszentrum "Arte Noah";
Weißenstadt: Firma Pema/Leupoldt