Druckartikel: Nonsens-Literatur und surreale Bilder

Nonsens-Literatur und surreale Bilder


Autor: Petra Mayer

Bamberg, Dienstag, 26. November 2013

Er gilt als ältester Poetry-Slammer der Republik. Und punktete zuletzt über schräge Krimi-Parodien um "Kommissar Wickelkraut". Neuen Nonsens verspricht Sigi Hirschs Band "Hörst du mein heimliches Rufen?", aus dem der Literat am 29. November, 21 Uhr, in seiner Bamberger Poetry-Galerie liest.
Aus einer Sammlung von Geschichten, die Sigi Hirsch über viele Jahre hinweg schrieb, entstand "Hörst du mein heimliches Rufen?" Foto: pr


Schon mal Gedanken darüber gemacht, woher die Gurke kommt? Eine Frage, die Sigi Hirsch in seinem neuen Prosa-Band im historischen Kontext beleuchtet, um dabei auf kulturwissenschaftliche und politische Aspekte diverser diesbezüglicher Theorien einzugehen. Erläuterungen zur Praxis des "meditativen Brotbackens" (mit Vollkornmehl) gibt der Literat, beginnend bei den vorab zu klärenden Punkten: "Will ich das überhaupt?"- "Und wenn, warum?" Nicht zuletzt warnt Hirsch vor Risiken und Nebenwirkungen einer Sensationsberichterstattung im Stil von: "Der 60-jährige Rentner Alfred K. aus L. hat sich am Dienstagabend beim Reinigen seiner Pfeife den Arm gebrochen." Nonsens! Klar.

Nichts anderes ist "Hörst du mein heimliches Rufen": Eine Persiflage auf den galoppierenden Wahnsinn einer Gesellschaft, in der zu viele Gurkentruppen ihr Unwesen treiben und Exzentriker jeder Couleur ein passendes Selbstdarstellerforum finden - vom Esoterikfreak bis zum militanten Kleingärtner.


Bilder ab 8 Uhr ausgestellt

Die dritte lange "Nacht der Poetryart Galerie" naht. Am kommenden Freitag stehen wieder Texte des ältesten Poetry-Slammers der Republik im Blickpunkt, der einst als Deutschlands jüngster Verleger galt. Ab 21 Uhr liest Hirsch in der Nürnberger Straße 23. Und präsentiert neben seinem neuen Prosa-Band von 8 bis 24 Uhr Bilder des österreichischen Malers Bertram Castell: "Ein Ururenkel von Queen Victoria", meint Hirsch, der zur Ururgroßmutter der jetzigen britischen Königin seit Jahren ja eine besondere Beziehung pflegt: Als Antiquar, der bei einer Nachfahrin der deutschen Erzieherin Victorias ein Album mit Erinnerungsstücken bis hin zu den Locken aus verschiedenen Lebensphasen der Queen entdeckte und den Fund dementsprechend publik machte. "Wobei mich mit Bertram Castell noch viel mehr verbindet, der wie ich Jahre lang in Coburg lebte und bei meiner dritten Heirat Trauzeuge wurde."

Abstrakte Kunst
Als "Meisterwerke der österreichischen Avantgarde" präsentiert Hirsch die Bilder Castells. Wobei die in Temperafarben auf Leinwand ausgeführten Arbeiten "stilistisch zwischen der Malerei des Informel und der Bildsprache des Neoexpressionismus changieren". Um eine Auseinandersetzung mit dem Elementaren in der Natur ginge es Castell, der an der Wiener Akademie der Bildenden Künste studierte, wie der Poetry-Art-Galerist erläutert. "Surreal sind meine Texte und surreal seine Bilder als gestalterische Ableitung landschaftlicher und floraler Motive."

Die surrealen Texte des Wahlbambergers, der derzeit am "Nudelmord" als "Kommissar Wickelkrauts vermutlich letztem Fall" arbeitet, wissen längst auch schriftstellernde Kollegen wie Dieter Lenz zu schätzen: So schwärmte der gebürtige Bamberger von Hirschs "Parodien aufs Beamtendeutsch und die hohe Dichtersprache": "Nur wer in der Waschtrommel des Lebens rumgeschleudert wurde, kann so schreiben", bescheinigte Lenz dem Multitalent, das bekanntlich auch malt, dichtet und das Publikum bei kabarettistischen Exkursen unterhält.

Besuchen wir zuletzt noch die Gartenfreunde des Vereins "Blüh auf!", denen sich Hirsch ebenfalls in "Hörst du mein heimliches Rufen?" widmet. Um dem Vortrag eines aberwitzigen Rhetorikers zu lauschen, wie man ihn keineswegs nur im grünen Bereich, sondern auch jeder anderen x-beliebigen sinnigen und unsinnigen Interessensgruppe findet. Zu einem mehr oder minder bedeutenden Anlass meldet sich der Selbstdarsteller also zu Wort, um sich vor Gleichgesinnten und vermeintlich Gleichgesinnten wie einem prominenten Gast aus der Politik ("Herr Ministerpräsident") zu profilieren. "Wie letztes Jahr schon und deshalb heuer wieder, steht der Frühling vor der Tür", erfahren Zuhörer also. Um anschließend über die alarmierende Entwicklung der Kleingartenflächen in Relation zum Alter aller bewirtschaftenden Gärtner und Gärtnerinnen informiert zu werden. Ein "Grünflächen-Infarkt" drohe, prophezeit der Redner und leitet zum gemütlichen Teil des Treffens über: dem Mittagessen ("Rasenschnitzel mit Rindenmulchsoße"). Wohl bekomm's! "Und ist der Rasen noch so grün, er wird eines Tages über unseren Gräbern blüh'n", schließt Sigi Hirsch mit einem philosophischen Satz, den zumindest keiner in Frage stellen kann.