Im Sandstraßen-Prozess kommt es zu einer weiteren Verhaftung. Auch die 21-Jährige Sarah M. muss sich nun wegen uneidlicher Falschaussage verantworten.
Es war Juliana F., die noch kurz vor Verhandlungsbeginn Fernseh-Interviews gab, um sich für ihren noch immer inhaftierten Sohn Robin zu engagieren. Und es war auch Juliana F., die schon kurz nach Verhandlungsbeginn vom Zuschauerraum in den Zeugenstand gerufen wurde. Denn Oberstaatsanwalt Otto Heyder hatte sie einige Stunden zuvor im Sat.1-Frühstücksfernsehen gesehen. Und dort berichtete die Mutter, dass ihr Sohn kurz nach der ominösen Bamberger Nacht mit ihr telefoniert hatte. Weil aber gegen ihren Sohn wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage ermittelt wird, konnte sie vor Gericht die Aussage verweigern - was dann auch geschah. "Ich habe eben noch mit dem Sozialdienst der JVA gesprochen. Sie müssen sich keine Sorgen machen, es geht ihrem Sohn den Umständen entsprechend gut", hatte Heyder ihr versichert.
Gab es Absprachen?
Dann ging der Prozess so weiter, wie er eigentlich hätte beginnen sollen: Vorsitzender Manfred Schmidt wies noch einmal darauf hin, dass der Geschädigte Christian K. (Namen geändert) extrem schwer verletzt worden sei. "Es ist nur der ärztlichen Kunst und seinem Glück zu verdanken, dass er überhaupt überlebt hat", sagte Schmidt. Die Aussage des Rechtsmediziners habe gezeigt, dass sämtliche Verletzungen K.s durch eine Gewalteinwirkung, den ungebremsten Sturz auf den Kopf, verursacht worden seien. "Nun ist es aber ein grundlegendes Problem des Verfahrens, dass der Angeklagte Tom Z. von vielen Zeugen aus dem Verfahren herausgehalten werden sollte", stellte Schmidt heraus. Dass von etwa zehn Leuten, die nah am Geschehen vorbeigelaufen sind, keiner etwas gesehen habe, sei nicht glaubhaft. Daher spreche einiges für Absprachen zwischen den Zeugen.
Der Verteidiger des anderen Angeklagten Andi H., Jochen Kaller, wies darauf hin, dass sein Mandant aufgrund des Schweigens so vieler Zeugen "mehr als zwei Monate in U-Haft saß, für einen Tatbestand, den er nicht erfüllt". Letztendlich sei es nur dem harten Durchgreifen der Staatsanwaltschaft zu danken, dass nun nicht H. eine mehrjährige Haftstrafe wegen versuchten Totschlags drohe. "Dass einzelne Zeugen eine kurze Zeit in Haft saßen, ist sicher auch schmerzhaft, aber es war für die Wahrheitsfindung erforderlich."
Schnell zeigte sich, dass die verbliebenen drei Zeugen nicht am laufenden Verhandlungstag vernommen werden konnten. Denn der eine legte erneut ein Attest vor, Oberstaatsanwalt Heyder will aber nicht auf dessen Aussage verzichten: "Ich sage ganz klar: So lange es in diesem Verfahren noch eine Frage gibt, die zur Erhellung beitragen kann, werde ich sie stellen." Und die dritte Zeugin wurde wieder heimgeschickt, weil sich die Verhandlung davor in die Länge zog.
Dazu trug auch die mehr als zweieinhalbstündige Befragung der Zeugin Sarah M. bei, die mit einem Rechtsbeistand gekommen war (ein Journalist von der "Zeit" erklärte, außer im NSU-Prozess noch nie so ausführliche Zeugenbefragungen erlebt zu haben). Die 21-jährige Schülerin sei in der Tatnacht am späten Abend nach der Arbeit zum Feiern in die Sandstraße gegangen. Bei der ersten Begegnung mit den beiden Geschädigten hätten diese sie belästigt und sie unter anderem mit derben Worten gefragt, was sie für eine bestimmte Form des Geschlechtsverkehrs verlange. Sie sei dann mit den Worten "Ihr seid eklig, verpisst euch" weggegangen, einige Zeit später gerieten einige aus ihrer Gruppe erneut mit den Männern in Streit. Sie sei dann irgendwann allein nach Hause gelaufen, aber noch mal zurückgekehrt, um ihren Freund abzuholen. "Da stand an der JVA schon ein Krankenwagen und die Polizei", sagte M.
Zeugin sucht sich Rechtsbeistand
Als Heyder forderte, nun auch diese Aussage wörtlich zu protokollieren, erklärte Schmidt zunächst: "Das lehne ich ab." Der Ton zwischen dem Vorsitzenden und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft wurde nun zunehmend rauer, Schmidt warf Heyder einen "apodiktischen Stil" vor, worauf Heyder erklärte: "Sie haben Ihre Art und ich habe meine."
"Wir haben als Gericht auch die Verpflichtung, Zeugen vor Falschaussagen zu schützen", erklärte Schmidt. "Wenn sie ihre Aussage berichtigt, ist mir das nur recht. Ich habe kein Interesse, eine weitere Zeugin vorläufig festzunehmen", erwiderte Heyder. Doch dann entwickelte sich die Vernehmung wieder genau in diese Richtung. Vor allem, als es um die Frage ging, weshalb sie ihre Rückkehr in die Sandstraße verschwiegen hat, die auch von der Überwachungskamera belegt wurde. Weil Heyder auch in dieser Aussage einige Widersprüche ausmachte, ließ er M. vorläufig festnehmen. Heute soll sie dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. "Was habe ich denn davon, zu lügen?", rief sie noch in den Gerichtssaal.
Über die Wahrnehmung von Augenzeugen gibt es schöne Experimente. Hier kann das jeder mal selbst ausprobieren:
https://www.youtube.com/watch?v=IGQmdoK_ZfY
Das aufzuklärende Verbrechen ist sehr schwerwiegend mit dauerhaften Folgen für das Opfer. Der Tathergang muss aufgeklärt werden, damit ein gerechtes Urteil (was ist das in so einem Fall?) gefällt werden kann. Trotz vorhandener Überwachungskameras sind Zeugenaussagen zur Aufklärung des Tatherganges offensichtlich notwendig. Die Zeugen sind im Verfahren mit ihren Aussagen sehr zurückhaltend- aus welchen Gründen auch immer. Das passiert öfter in Gerichtsverfahren. In diesem Verfahren gibt es nun eine Besonderheit. Die Zeugen, deren Aussagen dem Staatsanwalt nicht ausreichend oder widersprüchlich erscheinen, werden noch im Gerichtssaal festgenommen, mittlerweile vier Personen. Was erhofft sich dieser wildgewordene Oberstaatsanwalt von den Festnahmen? Dass die Zeugen in der U-Haft weichgeklopft werden und dann endlich die ihm genehmen Aussagen machen, die die These des Herrn Oberstaatsanwalt stützen und belegen? Diese Posse, die auf Kosten der Zeugen hier gespielt wird, ist mit einem Satz zusammen zu fassen: Wildgewordener Oberstaatsanwalt hinterlässt verbrannte Erde.
Bamberg war schon im Mittelalter für seine ausufernde Hexenjagd bekannt. Auf einen bloßen Verdacht oder Anschwärzung hin wurde man festgenommen und gefoltert. Hat man gestanden, eine Hexe zu sein, wurde man verbrannt. Hat man nicht gestanden, dann wurde weitergefoltert bis man gestanden hat.
Später sagte man in der Geschichte zu solchen Vorgehen „GESTAPO-Methoden“ und noch später „STASI-Methoden“. In Bamberg hat man scheinbar nicht dazugelernt.
Dr. Gerhard Herbst
sehr geehrter herr dr. herbst, die arbeit und vorgehensweise unserer justiz- und strafverfolgungsbehörden mit GESTAPO- und STASI- methoden in verbindung zu bringen, gar zu vergleichen, ist unerhört und ich hoffe, dass sie der nächste sind, den der oberstaatsanwalt abholen lässt, wobei es nur angemessen wäre, wenn sie an den füssen voraus aus ihrer praxis herausgeschafft werden würden