Gegen den einsamen Tod in Corona-Zeiten: "Niemand soll und muss alleine sterben"

3 Min
Seelsorge wird in Corona-Zeiten noch wichtiger. Foto: David Pereiras, adobe stock
Seelsorge wird in Corona-Zeiten noch wichtiger. Foto: David Pereiras, adobe stock
Gesprächspartner des Hospizvereins (von links): Silke Kastner, Konrad Göller, Christine Wonka und Regina Hetzel Foto: Marion Krüger-Hundrup
Gesprächspartner des Hospizvereins (von links): Silke Kastner, Konrad Göller, Christine Wonka und Regina Hetzel  Foto: Marion Krüger-Hundrup
 

Auch und gerade in Corona-Zeiten leistet der Hospizverein Bamberg die Begleitung von Sterbenden und deren Angehörigen.

Konrad Göller treibt eine große Sorge um: "Sterben ist wieder ein Tabu geworden, alle wollen in der Corona-Krise gesund sein", sagt der Vorsitzende des Hospizvereins Bamberg. "Sterbende werden systemisoliert", fasst Göller die Erfahrungen der vergangenen Monate zusammen. Dabei sei die Botschaft des Hospizvereins eindeutig: "Niemand soll alleine sterben. Kein Angehöriger soll mit seinen Gefühlen des Verlusts und der Hilflosigkeit allein gelassen werden."

Hinter seinen Worten steckt die Hospizidee, das Sterben aus den Hinterzimmern in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Das gelingt in Bamberg durch den von Christine Denzler-Labisch vor 30 Jahren gegründeten Hospizverein. "Doch Corona verbannt wieder, wir wollen das nicht so", betont Silke Kastner, hauptamtliche Koordinatorin der 50 aktiven ehrenamtlichen Hospizhelfer.

Der letzte Liebesdienst

Diese Männer und Frauen stehen nicht nur für den Einsatz auf der Palliativstation des Bamberger Klinikums bereit, sondern auch für den letzten Liebesdienst in Altenpflegeheimen und Privatwohnungen. Von "verstärkter Einsamkeit", von einem "sozialen Tod" spricht etwa Hospizhelferin Christine Wonka angesichts der verordneten Besuchsverbote beziehungsweise Besuchsbeschränkungen, die für die Alteneinrichtungen derzeit gelten. Dabei "können wir Menschen im Leben bis zum Tod begleiten", weiß Wonka nur zu gut. "Wir denken menschlich und nicht vom Gesundheitssystem her", ergänzt Koordinatorin Kastner.

Jedenfalls verbieten weder die Bayerische Staatsregierung noch das Infektionsschutzgesetz noch Bundeskanzlerin Angela Merkel die Begleitung von Sterbenden. "Ausschlaggebend ist die Hausleitung", erklärt Konrad Göller kurz und bündig - bei allem Verständnis für die Angst, das Virus könne von draußen ins Heim geschleppt werden. Doch gute Pflege des Körpers sei nicht alles: "Auch die Seele braucht Pflege, gerade in der letzten Lebensphase."

Um diese Seelenpflege zu ermöglichen, hat der Hospizverein mit allen Alteneinrichtungen in Stadt und Landkreis Bamberg eine schriftliche Vereinbarung darüber getroffen, wie er sich unter Wahrung der Vorschriften einbringen kann. Ein Ziel sei, dass die jeweiligen Pflegedienstleiter für Bewohner ohne Angehörige einen Hospizhelfer hinzuziehen. "Die Realisierung ist die Frage, denn grundsätzlich gibt es eine Übereinstimmung in der Zielvereinbarung, doch die Umsetzung hapert", so Vereinsvorsitzender Göller. Und bittet um Kontaktaufnahme "nicht erst in den letzten 24 Stunden, sondern vorher". Denn es gehe um "Beziehungsaufnahme, um Vertrautheit ohne Worte, um Zuhören". Und "wir sind auf Sterbebegleitung spezialisiert und haben viel in diesen Zeiten gelernt. Wir können mitgehen an Stelle von Quasi-Angehörigen." Zumal ein Sterbender spüre, dass er nicht allein sei.

Hilfe für Angehörige

Und gibt es Angehörige, ist der Hospizverein auch für sie da. Regina Hetzel etwa zählt zu den geschulten Trauerbegleitern, die beim Tod eines nahestehenden Menschen zur Seite stehen. "Die Nachfrage nach Trauerbegleitung ist gestiegen", sagt Hetzel und berichtet von einer Frau, die sie seit Ende Mai unterstützt. Die Frau habe ihren Mann, mit dem sie 60 Jahre verheiratet war, nicht mehr in einem Krankenhaus besuchen dürfen. Dort sei er gestorben, "und die Frau leidet sehr darunter, nicht zu wissen, wie". Die Corona-Beschränkungen "erschweren den Weg in der Trauer", ahnt Regina Hetzel. Letztlich sei es jedoch egal, woran oder unter welchen Umständen jemand gestorben ist. Maßgeblich bleibe, dass "jemand gegangen ist".

Konrad Göller wünscht sich "kreative Spielräume für Menschen, die Angehörige im Altenheim haben". "Angepasste Vorschriften vor Ort" seien unabdingbar. Und das Bewusstsein der Betreuungskräfte, dass "Sterbebegleitung nicht wie die Pflege getaktet werden darf". Es gehe um jeden Einzelfall, für den individuelle Lösungen gefunden werden müssten.

Sterben im Klinikum

Diese grundsätzliche Haltung beherrscht auch den Dienst des Seelsorgeteams im Klinikum Bamberg. Stellvertretend für dieses mehrköpfige Team sagen der katholische Pfarrer Roland Huth und sein evangelischer Kollege Mathias Spaeter wie aus einem Munde: "Alleine sterben hätte in den vergangenen Monaten keiner müssen! Wo wir verlangt waren, durften wir ohne Einschränkung hin." Das bedeutete besonders für Pfarrer Huth, dass er in medizinischer Schutzkleidung Covid-19-Patienten aufsuchen und die Krankensalbung spenden konnte. Dass Sterbende seelsorglichen Beistand erhielten, sofern sie es wünschten. Denn "manche wollen auch keinen Seelsorger", erfahren die beiden Pfarrer immer wieder.

Sie würdigen die "gutwillige Klinikleitung", die die Patientenseelsorge fördere. Natürlich ist den Pfarrern auch zu Ohren gekommen, dass sich an der Klinikumspforte Dramen abgespielt haben sollen, wenn Besucher nicht zu ihren Angehörigen gelassen wurden. Dazu sagt auf Anfrage unserer Zeitung Brigitte Dippold, Pressesprecherin der Sozialstiftung Bamberg: "Was die Angehörigen betrifft, so handeln wir wie in der 8. Allgemeinverfügung festgelegt; es gilt, im Einzelfall abzuwägen, wer wann wie genau kommen darf. Dabei sind wir immer bestrebt, gemeinsam mit den Angehörigen, individuelle Lösungen zu suchen und zu finden, was bisher trotz der schwierigen Umstände gelungen ist."

Pfarrer Huth und Pfarrer Spater bestätigen diese Aussage: Es gebe ein Betretungsverbot in der Corona-Station für Besucher. Im Ernstfall dürften jedoch Ehepartner oder ein älteres Kind als Ausnahmen hinein.