Druckartikel: Kreis Bamberg: Kein Nachwuchs für Metzgereien

Kreis Bamberg: Kein Nachwuchs für Metzgereien


Autor: Gertrud Glössner-Möschk

Bamberg, Donnerstag, 06. April 2017

Der Obermeister der Fleischerinnung sorgt sich um den unaufhaltsamen Rückgang der Betriebe. Eine der Ursachen ist das schwindende Interesse an dem Beruf.


In der Würzburger Straße muss ein Bamberger Metzger seine Filiale im dortigen Rewe-Markt schließen, in der Pödeldorfer Straße zieht sich ein alteingesessener Metzger zurück und überlässt das Geschäft als Verkaufsstelle einem Metzger aus Ebern: Bei der zahlenmäßigen Entwicklung der handwerklichen Metzgereien gibt es seit Jahrzehnten nur eine Richtung: die nach unten.


Viele haben keinen Nachfolger

39 Betriebe zählt die Fleischerinnung Bamberg derzeit noch, und ihr Obermeister Norbert Liebig bangt, dass es bald noch weniger werden könnten. Im Kopf hat er etliche Metzgereien, deren Inhaber schon älter sind und keinen Nachfolger haben.

Liebig hat deshalb auf die Anfang März im Fränkischen Tag erschienenen Artikel "Metzgereien unter Druck" und "Hartes Geschäft in Vorkassenzone" reagiert und gebeten, die Situation in Bamberg-Stadt und Land darstellen zu dürfen.

Der Obermeister sitzt in seinem Büro auf dem Schlachthofgelände in der Lichtenhaidestraße unter zwei verglasten Porträtsammlungen, die Konterfeis der Bamberger Metzger zeigen. Es sind die Innungsmitglieder und der jeweilige Vorstand aus den Jahren 1957 und 1987. Auf dem ersten Bild finden sich 121 Köpfe. Auf dem zweiten sind nur noch 100 Porträts versammelt. Weitere 30 Jahre später, 2017, wird es eine neue Tafel geben. Sie ist dann recht überschaubar, denn im Moment gibt es in Stadt und Land nur noch 39 Metzgereien.

Liebig selbst ist, wenn man so will, ein frühes Opfer der sich wandelnden Einkaufsgewohnheiten. Sein Vater, ein gebürtiger Schlesier, hatte sich nach dem Krieg mit einer Metzgerei in der neu gebauten Lichteneiche niedergelassen und war voller Hoffnung, dass die Geschäfte immer besser gehen würden. Als 1977 der erste Supermarkt in der Nähe eröffnete, stellte sich heraus, dass er einem Trugschluss aufgesessen war. "Das genaue Gegenteil traf ein!"


In Scheßlitz kein Metzger mehr

Liebig senior fand für seine Metzgerei niemanden mehr, der sie pachten wollte, und sein Sohn Norbert - mit 21 Jahren damals jüngster Metzgermeister Deutschlands - erkannte die Zeichen der Zeit. Er beschloss, einen anderen Weg einzuschlagen, wurde Berufsschullehrer und übernahm 1984 die Geschäftsführung der Bamberger Metzgerinnung. In dieser Funktion beobachtet er die Entwicklung genau und kennt die ernüchternden Fakten.

Einige Beispiele: In der Stadt Scheßlitz gab es 1949 noch sechs Metzgereien, heute keine einzige mehr. In Memmelsdorf waren es vor dem Bau der Umgehungsstraße drei, heute ist es nur noch eine. Im Hallstadt der 90er Jahre hatten die Kunden die Auswahl unter fünf Metzgereien; eine einzige ist übrig geblieben. In Strullendorf gab es einmal zwei, heute nur noch eine. Und in der Stadt Bamberg? Allein im Straßenzug König- und Siechenstraße konnten Kunden in 14 Metzgereien einkaufen. Heute sind es nur noch zwei - eine am südlichen, die andere am nördlichen Ende.

Liebig erinnert sich an eine Metzgerei in der Königstraße, in der der Inhaber jede Woche nur ein einziges Schwein geschlachtet hat und davon leben konnte. Heute ist das undenkbar. "Mittlerweile geht es nur noch mit Masse." Bei den Preisverhandlungen komme es auf das Zehntel eines Cents an.
Die Gründe für den Niedergang sind schnell erläutert. Es fehlt an Umsatz (durch die Supermärkte), am Ertrag (im Vergleich zum hohen Arbeitsaufwand) sowie an Betriebsnachfolgern und an Personal. Liebig macht die Erfahrung, dass vor allem viele Ehefrauen nicht mehr mitziehen, denn die Arbeitswoche in den klassischen Familienbetrieben ist deutlich länger als 40 Stunden.


Andere Einkaufsgewohnheiten

Die Erträge seien eklatant zurückgegangen, weil Lebensmittel im Allgemeinen und Fleisch im Besonderen sehr billig geworden seien. Liebig nennt als Beispiel die Rinderlende, die zu seiner Zeit als junger Meister 40 D-Mark gekostet hat und heute für nur 40 Euro zu haben ist - und das bei deutlich gestiegenen Gehältern.
Schließlich graben die Supermärkte den handwerklichen Metzgern das Wasser ab, weil sich die Einkaufsgewohnheiten geändert haben. Früher hat die Kundschaft täglich frisch in den Läden der Nachbarschaft eingekauft, heute macht sich der Verbraucher einmal pro Woche für einen Großeinkauf auf den Weg in den Supermarkt und bekommt dort alles unter einem Dach.


Unabhängige Tierärzte

Dem Argument, die Supermärkte würden ihr Fleisch billiger verkaufen, widerspricht Liebig. "Letztlich ist das Fleisch beim heimischen Metzger nicht teurer." Dafür sei es garantiert qualitativ hochwertig, weil es aus der Region stamme und die Tiere bis zum Schlachthof keine langen Wege zurücklegen müssten. Beim Metzger erfahre jeder Kunde, aus welchem Stall die von ihm verarbeiteten Tiere stammten. "Das geht auch ohne jedes Siegel."

Zur hohen Fleischqualität trage der Bamberger Schlachthof bei: In diesem letzten städtischen Schlachthof Bayerns arbeiteten noch verbeamtete und von der kommerziellen Fleischindustrie unabhängige Tierärzte.
Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Metzgerhandwerk sind in Bamberg also noch gegeben. Was fehlt, ist ein besseres Image, um den Beruf bei jungen Leuten attraktiv zu machen. Im Moment sieht es leider nicht danach aus. Als Liebig 1978 als Berufsschullehrer angefangen hat, kamen pro Jahrgang 90 Metzgerlehrlinge und 90 angehende Fleischereifachverkäuferinnen neu an die Schule. Heute sind es 18 im ersten Lehrjahr, so dass gerade noch eine Eingangsklasse an der Berufschule in Bamberg gebildet werden kann. Im dritten Lehrjahr müssen die Azubis bereits nach Kulmbach.


Neue Lehrwerkstatt

Dabei hat der Zweckverband Berufsschule erst vor wenigen Jahren für zwei Millionen Euro eine neue Lehrwerkstatt in der Berufschule in der Dr.-von-Schmitt-Staße eingerichtet. "Die würde leer stehen, wenn es so weiterginge."

Liebig hofft, dass sich das Blatt in Zukunft wieder wenden wird, wenn es gelinge, das Image des Berufes zu verbessern. Vielleicht sollte man den Metzger besser als Fleischdesigner bezeichnen, überlegt er. Anscheinend sei in der Öffentlichkeit immer noch nicht bekannt, dass Metzger schon lange keine Tiere mehr töten.