Neun Angeklagte, fast 70 Zeugen, 20 Termine
Autor: Jutta Behr-Groh
Bamberg, Freitag, 06. Sept. 2013
Vor dem Bamberger Landgericht begann eine Mammutverhandlung gegen eine mutmaßliche Einbrecher-Bande aus Ungarn. Die Männer sollen aus dem Verkauf der erbeuteten Gegenstände ihren Lebensunterhalt bestritten haben.
Zur Sache geht es vor der Zweiten Strafkammer frühestens am 17. September, dem zweiten Verhandlungstag. Dann sollen erstmals die neun Angeklagten zu Wort kommen, die seit Freitag wegen schweren Bandendieb-stahls vor dem Landgericht Bamberg stehen.
Zum Auftakt ließ Vorsitzender Richter Manfred Schmidt nur die Anklageschriften verlesen und erledigte die Formalitäten.
Die Angeklagten hörten schweigend zu. Jeder mit einem Kopfhörer - eine Premiere bei der Bamberger Justiz. Das Audio-System wurde im Hinblick auf diesen Mammutprozess angeschafft. Es soll den Dolmetscherinnen die Arbeit erleichtern und dazu beitragen, dass die Verhandlung nicht zusätzlich in die Länge gezogen wird: Die Technik ermöglicht das zeitsparende, simultane Übersetzen.
Lang dauern wird die Hauptverhandlung trotzdem. Der letzte von derzeit 20 angesetzten Terminen ist der 16. Dezember. Fast 70 Zeugen sollen vernommen werden.
Ein schneller Prozess ist nicht einmal für den Fall umfassender Geständnisse zu erwarten, wie der Vorsitzende Richter deutlich machte: "Wir müssen die Geständnisse auch überprüfen."
Gleichwohl gab er den Angeklagten zu verstehen, dass sie mit Strafmilderungen rechnen können, wenn sie ihre Tatbeteiligung zugeben: "Es macht einen großen Unterschied von der Höhe der Strafe her, ob man es den Angeklagten nachweisen muss, oder ob sie sich in der Lage sehen, es zuzugeben."
Die Bamberger Staatsanwaltschaft wirft den neun Männern 29 Einbrüche in den Jahren 2011 und 2012 vor. In unterschiedlicher Besetzung sollen sie Beute für insgesamt 828 458,52 Euro gemacht haben. Als mutmaßlicher Haupttäter gilt Attila H. (30). Er muss sich für 24 Fälle des schweren Bandendiebstahls sowie dreier Versuche verantworten. Nur bei einem schweren Bandendiebstahl und einem Versuch soll der 51-jährige Laszlo B. dabei gewesen.
Die Bande um Attila H. hat sich angeblich zusammengeschlossen, um sich durch Einbruchdiebstähle "eine fortlaufende nicht unerhebliche Einkommensquelle zu verschaffen". So heißt es wörtlich in der umfangreichen Anklageschrift.
Die gestohlenen Gegenstände hätten sie nach Ungarn gebracht und dort verkauft oder zu verkaufen versucht. Nicht alles konnten sie wohl versilbern, denn dem Gericht liegt neben zahlreichen Akten auch eine lange Liste von Asservaten vor, also sichergestellten fremden Eigentums.
In nahezu allen 29 Fällen waren Werkstätten, Lager, Fahrzeuge und Baustellencontainer von Firmen das Ziel der Bande. Sie entwendete den Ermittlungen zufolge hochwertige Werkzeuge und Geräte wie Bohrmaschinen, Motorsägen und Stampfer, komplette Kabeltrommeln, tonnenweise (Kupfer-)Kabel, Aluminiumwürfel und -profile, Packungen voller Edelstahl-Schrauben, -Muttern und -Scheiben, Heizungs- und Sanitärbauteile, Buntmetall in großen Mengen und Autoreifen.
Fast immer fehlte auch Diesel
An nahezu jedem Tatort fehlten nach dem "Besuch" der Einbrecher auch große Mengen Diesel: Die Täter füllten ihren Lastwagen offenbar jeweils mit Kraftstoff aus vorgefundenen Fahrzeugen und Tanks.
So auch bei der Bamberger First-Stop-Filiale in der Hafenstraße, die sie zwischen März und Juli 2012 gleich drei Mal heimgesucht haben. Filialleiter Joachim Reich beklagt den höchsten Schaden von allen Geschädigten in Bayern und Sachsen: rund 150 000 Euro.
In seinem Betrieb verschwanden mehr als 1000 Autoreifen für Lkw und Pkw, nagelneue Modelle wie eingelagerte Kunden-Ware. Er berichtet von einem auffallenden Interesse der Täter an teuren Reifensätzen für Geländelimousinen, so genannten Sport Utility Vehicles (SUV).
Überall kamen die Einbrecher nachts. Überall verschafften sie sich laut Anklageschrift gewaltsam Zutritt: Sie brachen, wie in Bamberg, Rolltore auf, knackten Baustellen-Container, hebelten Türen aus, schlugen Fenster ein oder zwickten Schlösser durch.
Die Serie endete in der Nacht des 3. August 2012, als sechs der neun Angeklagten auf frischer Tat im Nürnberger Land festgenommen wurden: Sie hielten sich in einem Firmengelände auf und hatten es auf Sportartikel abgesehen. Ihre drei mutmaßlichen Komplizen wurden später im Zuge der Ermittlungen in Ungarn festgenommen und der deutschen Justiz überstellt.
Bei einigen der 29 Einbruchdiebstähle waren nach den Erkenntnissen der Anklagebehörde weitere Personen dabei, die aber (noch) unbekannt sind.
Anklagebank ist zu klein
Selten ist die Zahl der zwingend Beteiligten an einem Prozess so groß wie hier: fünf Richter und Schöffen, der Staatsanwalt, die Protokollführerin, der Justizwachtmeister, drei Dolmetscherinnen, die neun Angeklagten, ihre neun Verteidigerinnen und Verteidiger sowie 18 Polizeibeamte, die die mutmaßlichen Täter zu jedem Verhandlungstag bringen.
Selbst die sprichwörtliche Anklagebank ist nicht für so eine Größenordnung gemacht: Nur sechs Männer passen drauf - sie wurde um drei Stühle "verlängert".