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Neonazis in Bamberg auf verlorenem Posten


Autor: Sebastian Martin

Bamberg, Sonntag, 25. Januar 2015

Beeindruckend hat sich Bamberg am Samstag erneut gegen den Versuch Rechtsextremer gewehrt, in der Domstadt Fuß zu fassen. 1000 Menschen zeigten Rechtsextremen mit Nachdruck und Kreativität die kalte Schulter. "Die Idiotisierung ist viel schlimmer als die Islamisierung", sagt eine Demonstrantin.
Zeitweise waren es 1000 Demonstranten, die sich am Samstag 40 Neonazis (im Vordergrund) auf dem Maxplatz entgegenstellten. Foto: Barbara Herbst


Menschen wie Ingrid Klappan sind es, die Bamberg so weltoffen machen. Die Bambergerin ist auf die Straße gegangen - aus gutem Grund: "Ich steh' ein für Toleranz. Das ist für mich ganz normal, deshalb bin ich hier!" Ingrid Klappan lebt das, was sie sagt. Die Rentnerin engagiert sich für eine ukrainische Flüchtlingsfamilie, die seit Kurzem in Bamberg in einer Unterkunft wohnt. Sie hilft bei der Integration und ist deshalb auch an diesem Samstagmorgen da: "Die Idiotisierung ist viel schlimmer als die Islamisierung", sagt sie mitten im Pulk, vorne am Absperrzaun auf dem Maxplatz. Dann wird es richtig laut: Die Rechten kommen, die verantwortlich sind für die von Ingrid Klappan beschriebene Idiotisierung.




Berliner Nazis
Eine Pufferzone von bis zu 30 Metern liegt zwischen dem Zaun, an dem Klappan steht. In ihrem Rücken sind inzwischen rund 1000 Demonstranten, die alle deutlich machen, was sie von denen auf der anderen Seite des Maxplatzes halten: Nullkommanichts. Laute Pfiffe, "Nazis raus"-Rufe begleiten den Aufmarsch der Rechten, die sich gegen 11 Uhr anschicken, den ihnen zugewiesenen Platz vor der Karstadt-Tiefgarageneinfahrt einzunehmen. Das Kundgebungsfahrzeug ist ein Van mit Berliner Kennzeichen. "Die NPD aus Berlin ist also auch da", sagt einer im Pulk.

Wie sich herausstellt, ist unter den Demonstranten der Landeschef der rechtsextremen Partei aus Berlin, Sebastian Schmidtke. Sein Versuch, später eine Rede zu halten, misslingt ziemlich. Zu laut sind die 1000 Gegendemonstranten. Auf der Seite der Rechtsextremen dagegen werden es nicht mehr als 40. Das bestätigt auch die Polizei.

Angemeldet wurde die Kundgebung nach Informationen der Polizei von einer rechten Aktivistin aus Bamberg unter dem Deckmantel einer erneuten Demonstration von besorgten Bamberger Bürgern, die sich gegen "Asylmissbrauch" zur Wehr setzen wollen. Bereits im Oktober hat es eine Demonstration der Gruppierung gegeben. Damals waren rund 150 Teilnehmer vom Bahnhof zum Markusplatz gezogen. Damals allerdings ebenfalls deutlich in Unterzahl. Im vergangenen Jahr waren es weit über 1000 Gegendemonstranten.

Und damals zeigte sich bereits, dass es sich nicht um besorgte Bürger handelt, die da protestieren, sondern um Rechtsextreme, die teils vermummt ihre Parolen brüllten. "Es geht ihnen nur darum, Angst und Schrecken zu verbreiten", sagt deshalb auch Martin Arieh Rudolph, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde, bei der Demonstration am Samstag. Er ist einer von vielen Rednern, die deutlich machen, warum sie auf den Maxplatz gekommen sind. Unter anderem beklagen Aktivisten in einem Beitrag auch zunehmende Übergriffe von Neonazis in Bamberg. Aber auch der Bewegung "Pegida" wurde eine klare Absage erteilt.


Mit Dudelsack und Seifenblasen
Seit 10 Uhr morgens hat sich das bürgerliche Lager bei kalten Temperaturen versammelt, um zu zeigen, dass Flüchtlinge in der Domstadt willkommen sind: "Kein Mensch ist illegal - Bamberg wehrt sich gegen Nazis", so heißt der Aufruf des Bündnisses gegen Rechtsextremismus um Werner Schnabel und von Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD), dem so viele Menschen folgten. Auf den Plakaten sind Aufschriften wie "Nazis Tschüss" oder "Euer Rassismus verhindert Eure Integration" zu lesen. Auf einem Schild, das Rudolf und Silvia Daniel hochhalten, steht: "Wir zeigen den Nazis die kalte Schulter", das gelingt an diesem Tag. Ebenso kämpfen Demonstranten mit Dudelsack und Seifenblasen bewaffnet gegen Nazis. Der Kreativität sind an diesem Tag der Toleranz keine Grenzen gesetzt. "Die Leute da drüben wollen wir nicht hier haben", sagt Rudolf Daniel in der Menschenmenge: "Flüchtlingen dagegen müssen wir helfen."

Auch Bundestagsabgeordneter Andreas Schwarz (SPD), Vertreter der katholischen wie evangelischen Kirchen, Hochschulgruppen und Parteien, die muslimische Gemeinde Ditib, Attac und Vertreter des Stadtrats sind gekommen. "Ich finde wichtig, dass die Region zusammenhält", sagt Landrat Johann Kalb (CSU). In Hirschaid und Aschbach musste man sich ebenso bereits gegen Rechtsextremismus zur Wehr setzen. "Es ist leider kein Einzelfall", sagt Kalb deshalb. Umso wichtiger sei es, sich dem entgegenzustellen. Dritter Bürgermeister Wolfgang Metzner (SPD) sieht darin kein Bamberger Phänomen, vielmehr seien das Nazis von überall her - Menschen, "die gegen unsere Verfassung stehen".


Rund 200 Polizeikräfte
Laut Polizei, die mit rund 200 Einsatzkräften vor Ort ist, verlaufen die Veranstaltungen ohne größere Zwischenfälle. Gegen 12.30 Uhr ziehen die Rechtsextremen wieder ab, die Pfiffe werden nochmals lauter. Verstanden hat keiner etwas von dem, was die Neonazis in eineinhalb Stunden sagen wollten. Aber dafür hatte auch niemand Interesse.

Ein Video zur Demo gegen Rechts finden Sie hier!