"Neigschbotzt": die Abrechnung
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Dienstag, 22. November 2016
Den vermutlich ersten Rückblick auf das Jahr 2016 präsentiert Florian Herrnleben. Sein Programm feiert am 24.11. in Bamberg Premiere. Ein Vorgeschmack.
Noch schnell ein Leberkäs-Kümmelbrötla gemampft. Ohne Senf, versteht sich. Schon ist Florian Herrnleben zum Interview bereit. "Neigschbotzt" heißt das neue Programm, mit dem der 34-jährige Comedian in einem "nörglerischen Rundumschlag" zu den Ereignissen des noch laufenden Jahres Stellung beziehen möchte. Am 24. November feiert sein vorzeitiger Rückblick Premiere. Darüber sprachen wir mit dem "Vater" des Bamberger Kasperls, der dann wieder solo auf der Bühne steht.
Zu viele Groupies?
Jahrelang karikierten Sie das Bamberger Geschehen als Figurenspieler. Was lässt Sie nun schon zum zweiten Mal aus dem Schatten Ihrer Holzköpfe und Pappkameraden treten?Florian Herrnleben: Mit dem Publikum Auge in Auge zu interagieren, macht unglaublich viel Spaß - gerade, nachdem ich mich jahrzehntelang hinter Holzwänden versteckt habe. Vielleicht auch verstecken musste, um weibliche Fans nicht völlig verrückt zu machen ... Damals, in meinen besten Jahren.
Nach Ihrem ersten Solo "Schwangerschaftstest: Bestanden" widmen Sie sich nun auch wieder der Politik. Dient Ihnen dabei der Wahlsieg von Donald Trump nicht als willkommene Steilvorlage?
Nein. Der war für mich 'ne mittlere Katastrophe. Ich musste 15 Seiten Text löschen und - restlos deprimiert - umschreiben. Hoffentlich ergeben sich bis zur Premiere keine weiteren kosmopolitisch hochrelevanten Überraschungen. Schlimmstenfalls eine Versöhnung zwischen Sarah und Pietro Lombardi - nicht auszudenken!
Übelste Klowand-Schmierereien
Welche Aufreger auf lokaler Ebene könnten damit konkurrieren? Na die Reaktionen gegenüber unserem gerade modern denkenden Erzbischof auf der Facebookseite der AfD. Ein Best-of der Kommentare habe ich fürs Publikum zusammengestellt: übelste Klowand-Schmierereien, die einem angesichts ihrer Geballtheit zu denken geben.
Bamberg in 24 Minuten
Dem Tourismus wollen Sie sich widmen. Bekommen Kreuzfahrer in Ihrem "nörglerischen Rundumschlag" ihr Fett ab? Ja, mit denen rechne ich ab - im wahrsten Sinne des Wortes. So habe ich mal durchkalkuliert, wie nachhaltig ein Kreuzfahrer Bambergs Gastronomie und den Einzelhandel stärkt, wenn er innerhalb von 24 Minuten durch die Altstadt gejagt wird - und währenddessen noch die öffentliche Toilette am Kranen nutzt.
Urige Originale erhalten
Klar, da bleibt das Rauchbier und erst recht jedes Schäufela auf der Strecke - eben die vielgerühmte Bamberger Wirtshauskultur . . .Genau. Und die gilt es zu genießen, bevor alles Bambergtypische nach und nach aus den Gaststätten verschwindet. So bin ich auch strikt dagegen, dass urige Originale im Service durch 08/15-Bedienungen ersetzt werden, um in Online-Portalen bessere Bewertungen einzuheimsen.
Weihnachtsmarkt bis zum Frühsommer
Bleiben wir gleich bei den Bewertungen und wenden uns der Lokalpolitik zu: Ihr Kommentar zum Stand aktueller Ärgernisse? Mit Brückenproblemen und Einträgen im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler lockt man keinen Bamberger mehr hinterm Ofen vor. Da bietet die Debatte ums frühere Kreiswehrersatzamt schon mehr, wobei's mir weniger um Abriss oder Sanierung geht. Vielmehr habe ich mir alternative Nutzungsmöglichkeiten für die Altlast überlegt, die sich angesichts der unmittelbaren Nähe des ehemaligen Malefizhauses aufdrängen. Auch die Verödung des Maxplatzes verlangt Visionen. Könnte man nicht den Weihnachtsmarkt samt seiner kitschigen Deko und all den berauschten Glühweinnasen noch bis zum Frühsommer stehen lassen, damit's einen fließenden Übergang zum nächsten Großevent gibt? Wirkt doch noch immer besser als das architektonische Brachland im heimlichen Zentrum der Metropolregion.
"Brot und Spiele"
Die meisten Bamberger begrüßen einer Umfrage zufolge die Eventkultur, die Sie aufs Korn nehmen. Woran nehmen Sie Anstoß?Die Umfrage zeigt nur, dass das jahrtausendealte Prinzip "Brot und Spiele" bis heute funktioniert - auch in Bamberg. Dabei wäre es an der Zeit, sich dringlicher Probleme (etwa defekter Schulklospülungen oder Fahrradwegsblumenkastendekorationen) anzunehmen als ums billigste Bier und die fettigsten Langos zu kreisen.
Viele Menschen aber feiern lieber als sich politisch zu engagieren. Die größte Partei bleibt bei Wahlen die der Nichtwähler. Wie sollte man dem Ihrer Meinung nach entgegenwirken?
Vielleicht sollte das ganze Prozedere bei Wahlen moderner werden: Statt die Leute in Wahllokale zu schicken könnte man sie von zu Hause aus per Klick - I like - im Facebookstil abstimmen lassen. Politiker würden ihre Wähler sicher auch nicht mehr langweilen, wenn sie - wie bei Twitter - Statements auf 140 Zeichen beschränken müssten: 140 Zeichen, um Behauptungen in den Raum zu stellen, sie danach zu revidieren und zuletzt den eigenen Rücktritt zu erklären.
Nikoläuse als Triebfedern
Noch eine letzte Frage: Warum ein Jahresrückblick schon im November? Um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein? Nein, es waren die Lebkuchen und Schokoweihnachtsmänner in den Regalen, die mich zur Eile trieben. Ich dachte mir: Höchste Zeit für eine Jahresbilanz mit dem Best-of aller meiner Reden, Auftritte und Facebook-Postings der vergangenen Monate.