Druckartikel: Entscheidung zum Nationalpark am Dienstag: Ist die Rhön Favorit?

Entscheidung zum Nationalpark am Dienstag: Ist die Rhön Favorit?


Autor: Günter Flegel

Bamberg, Montag, 17. Juli 2017

Am Dienstag will das bayerische Kabinett entscheiden, welche Region im Freistaat in den dritten Nationalpark bekommt. Favorit ist die Rhön.
Junger Baumim wald Foto: dpa


Er wird sie nicht mehr los, die Geister, die er vor einem Jahr gerufen hat: Ministerpräsident Horst Seehofer hat mit dem Ziel, einen dritten Nationalpark in Bayern ("NP3") zu schaffen, mindestens für Unruhe, vielerorts für Unfrieden im Freistaat gesorgt. Am Dienstag will der Ministerrat den (oder die) Favoriten benennen.

Im Rennen sind (in der Reihenfolge der Besuche von Umweltministerin Ulrike Scharf): Spessart und Rhön in Unterfranken, die Donau- und Isar-Auen bei Neuburg in Oberbayern und der Frankenwald in Oberfranken. Für drei Regionen liegen Gutachten vor, die der Würzburger Geografie-Professor Hubert Job erarbeitet hat. Für den Frankenwald fehlt diese Expertise, weil die Region erst in letzter Minute auf den Nationalpark-Zug aufgesprungen ist.


Besucher-Segen oder Sägen?

Job hat untersucht, welche ökonomischen Folgen ein Nationalpark hat. Die Kernfrage ist in den Wald-Gebieten: Können die Verluste (weniger Holz-Einschlag) durch Tourismus wett gemacht werden? Job sagt Ja.
Das Gutachten gilt als wichtigste Grundlage für die Entscheidung, welche Region in die engere Wahl bei der Nationalpark-Suche genommen wird. Ebenso wichtig ist das Versprechen Seehofers: Ein Nationalpark kommt nur da hin, wo die Bürger ihn auch wollen.


Ein Platz für Natur pur

Oder besser noch: da hin, wo es keine Bürger gibt. Das wäre der Idealfall, denn nicht nur die internationalen Kriterien, sondern auch das Bundes-Naturschutzgesetz haben beim Nationalpark vorrangig weder die "Wertschöpfung" noch die Basisdemokratie im Auge.

In einem Nationalpark geht es, Zitat, um " ... Gebiete, die großräumig, weitgehend unzerschnitten und von besonderer Eigenart sind ... und sich ... in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden oder geeignet sind, sich in einen Zustand zu entwickeln ..., der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet." (§ 24 BNatSchG)

Nach dieser Definition dürfte es in Deutschland gar keinen Nationalpark geben, schon gar nicht im deutschen Wald, denn der ist zum allergrößten Teil reiner Wirtschaftsforst: total vom Menschen beeinflusst, das Gegenteil von ungestörter Natur.


Der Entwicklungsminister

Der damalige Bundesumwelt- und jetzt Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat um 2008 eine Sonderrolle für Deutschland durchgesetzt: In den deutschen Nationalparken gilt nicht zu 100 Prozent Natur pur, sie dürfen klein anfangen und sich in Richtung Wildnis entwickeln. Daher der Name Entwicklungsnationalpark und die Mindestgröße: 10 000 Hektar (100 Quadratkilometer) sollten es sein.

Das alles sollte man wissen, wenn man die Diskussion um "NP3" verfolgt: In keiner der Regionen, die in die Endauswahl gekommen sind, wird per Beschluss nur noch Wildnis wachsen. Die Entwicklung eines Nationalparks hin zum "Urwald" ist - siehe Bayerischer Wald - ein Viele-Generationen-Projekt.

Ebenso wird es in einem Nationalpark nicht von heute auf morgen ein Jobwunder geben, denn ein Wald, der nicht mehr bewirtschaftet wird, ist alleine keine Touristenattraktion, weil die wenigsten Besucher durchs Unterholz kriechen wollen. Die Wertschöpfung durch einen Nationalpark erfolgt durch Angebote rund um die "Wildnis", die auf den Fremdenverkehr zugeschnitten sind: Besucherzentren, Spielplätze, Themen-Wanderwege, Baumwipfelpfade ...

Betrachtet man die vier "Kandidaten", die der Ministerrat zu gewichten hat, im Lichte dieser Vorgaben, sortieren sich die Favoriten für NP3 so:

Donau-Auen: Von den vier vorgeschlagenen Gebieten ist das vor Horst Seehofers Haustür (in Ingolstadt) gelegene wohl das, das am meisten ursprüngliche Natur aufweist. Allerdings wäre ein Nationalpark in den Auen viel zu klein und in mehrere Einzelgebiete zersplittert.    Platz 2

Frankenwald: In der strukturschwachen Region wären die Fördergelder sehr willkommen. Allerdings ist der Frankenwald überwiegend Wirtschafts- und großteils Privatwald, in dem nur wenige Teilgebiete für den Naturschutz wertvoll sind.   Platz 4

Spessart: Zwar zerschneidet die Autobahn A 3 samt Raststätte das vorgeschlagene Gebiet in zwei Teile, aber im dünn besiedelten Spessart haben sich viele naturnahe Zonen erhalten. Allerdings: Die gezielt kultivierte Spessart-Eiche würde in einem Nationalpark von der Buche verdrängt. Nicht nur deshalb gibt es in dieser Region heftige Proteste gegen einen Nationalpark - vergleichbar mit dem Zoff im Steigerwald.                Platz 3

Rhön: Auch hier gibt es Protest, aber auch viel Zustimmung für die Nationalpark-Idee. Das liegt auch daran, dass man in der Rhön mit dem Biosphären-Reservat bereits (gute) Schutzgebietserfahrungen gemacht hat. Eine Kombination Biosphäre und Nationalpark ist möglich (siehe Berchtesgaden), und in Zusammenarbeit mit Hessen und vielleicht auch Thüringen könnte Bayern einen länderübergreifenden Nationalpark installieren. Wo? Das ist noch offen. Die womöglich beste Fläche wäre der Truppenübungsplatz Wildflecken. Die 7000 Hektar gehören dem Bund, und dank der bleihaltigen Luft konnte sich die Natur in einem der größten bürgerfreien Gebiete Bayerns ungestört entwickeln.      Platz 1


Nationalparks in Deutschland

Übersicht Die 16 deutschen Nationalparks umfassen - ohne die Meeresflächen in Nord- und Ostsee - 2145 Quadratkilometer oder 214 500 Hektar. Das sind 0,6 Prozent der deutschen Landfläche. Mit den Meeresflächen sind es 1 047 800 Hektar.

Pionier Der Nationalpark Bayerischer Wald wurde 1970 als erster Nationalpark in Deutschland ausgewiesen. Zu den Initiatoren gehörte der bekannte Tierfilmer Bernhard Grzimek ("Serengeti darf nicht sterben") . Der Park hatte zunächst 13 000 Hektar und wurde 1997 auf 24 000 Hektar erweitert.

Neuling Jüngster im Bunde der deutschen Nationalparks ist die Region Hunsrück-Hochwald (10 000 Hektar) in den Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland. Der Park wurde 2015 gegründet, ein Jahr nach dem Nationalpark Schwarzwald.

Riesen Die größten Nationalparks liegen, wenig überraschend, im Meer: Das Schleswig-Holsteinische Wattenmeer umfasst 442 000 und das Niedersächsische Wattenmeer 345 000 Hektar. Größter deutscher Land-Park ist die Mürritz (Mecklenburg-Vorpommern) mit 32 000 Hektar.

Zwerge Es gibt auch einige Nationalparks in Deutschland, die kleiner als die Soll-Fläche von 10 000 Hektar sind: Der Nationalpark Kellerwald-Edersee in Hessen hat 5700, der Jasmund in Mecklenburg-Vorpommern nur 3000 Hektar; da sind allerdings die Kernzonen mit 91 und 87 Prozent jeweils sehr groß.

Berge Der Nationalpark Berchtesgaden ist der einzige deutsche Alpen-Nationalpark. Seine 20 000 Hektar sind die Kernzone eines Biosphärenreservats mit 84 000 Hektar.


Kommentar

Wo bleibt die Natur? gf

Klar: Horst Seehofer muss seine Idee, den dritten Nationalpark, irgendwie verkaufen. Auch klar: So ein Nationalpark kann ein Zugpferd für den Tourismus sein, kann eine Region wirtschaftlich stärken.

Das kann alles sein, aber in allererster Linie muss ein Nationalpark die Natur nachhaltig schützen. Und diese geschützte und damit schöne Natur und nichts anderes ist das Pfund, mit dem eine Region dann vielleicht auch wirtschaftlich wuchern kann.

Das ist in der Diskussion um "NP3", die skurrile Züge annimmt, völlig aus den Augen verloren worden. Es geht nur noch um die "Wertschöpfung", um eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Ökonomie vor Ökologie. Wozu braucht Bayern dann überhaupt einen Nationalpark, warum hat man das Projekt im Umweltministerium geparkt?
Man könnte in jeder beliebigen Region wie im Steigerwald unter den Fittichen der Staatsforsten und des Landwirtschaftsministeriums den Tourismus ankurbeln, Baumwipfelpfadebauen und beides haben: Wertschöpfung im Wald durch ungehinderten Einschlag und Zusatzgewinn durch die Besucher.

Freizeitpark statt Nationalpark, Wildnis light für alle! Der Verdacht liegt nahe, dass Seehofer das Siegel "Nationalpark" als Feigenblättchen will (und damit steht er in seiner CSU ziemlich alleine). Der Freistaat, deutscher Meister beim Flächenverbrauch, käme mit dem NP3 ein bisschen grüner daher. Selbst Naturschützer haben bei den Flächen in der engeren Auswahl ihre Zweifel, ob hier ein Nationalpark fachlich gerechtfertigt ist. Und die am besten geeignete Fläche, den Steigerwald, hat Seehofer ja ausgeschlossen. Bayern macht Naturschutz im Konsens mit den Bürgern, als freiwillige Leistung und als regionales Förderprogramm. Prima. Da freut sich aber die Natur!