Druckartikel: Närrischer Rollentausch: Verkleiden tut gar nicht weh

Närrischer Rollentausch: Verkleiden tut gar nicht weh


Autor: Irmtraud Fenn-Nebel, Stephan Großmann

Bamberg, Montag, 18. Februar 2019

Manche lieben sie, manche hassen sie: die Narrenzeit polarisiert. Unsere faschingsmuffeligen Reporter wagen einmal den Rollentausch. Warum Verkleiden tatsächlich Spaß macht, weiß die Wissenschaft.
Dem Frohsinn auf der Spur: Unsere faschingsmuffeligen Reporter Irmtraud Fenn-Nebel und Stephan Großmann wagen sich in die Verkleidungskammer und suchen nach der Faszination des Faschingstreibens. Barbara Herbst


2,5 Millionen Bayern können nicht irren. So viele Zuschauer aus dem Freistaat haben voriges Jahr die Fernseh-Prunksitzung des Fastnacht-Verbandes in Veitshöchheim angeschaut. Kecke Kostümierungen und spitze Zungen machen den fränkischen Karneval-Höhepunkt alle Jahre so beliebt. Heuer ist es am kommenden Freitag wieder soweit (zu sehen 19 Uhr im Bayerischen Rundfunk). Fasching und das Verkleiden polarisieren: Manche lieben die "fünfte Jahreszeit", andere lehnen sie ab.

Unsere Reporter sind beide keine ausgemachten Faschingsfreunde. Aber Ausreden gelten nicht. Denn Humor hat, wer sich trotzdem verkleidet. Also wagen sie sich ins Getümmel, um des Franken beliebtestes Fräckla zu finden. Und wo ließe es sich besser mit dem Narrenfieber anstecken, als in Peter Schauers "Kaufhaus der Jahreszeiten" in Bamberg? Fasziniert stöbern die beiden im gigantischen Fundus aus Perücken, Kostümen und Accessoires. Sie merken schnell: Das macht riesigen Spaß. Mit jeder neuen Maskerade verlassen sie die Umkleidekabine als ein anderer Mensch. Beziehungsweise Fabelwesen.

Urmenschen und Piloten, Piraten, Cowboys und Prinzessinnen - der Fantasie sind in der wahrlich bunten Welt der Rollenwechsel keine Grenzen gesetzt. Zielstrebig steuern unsere Reporter zuerst die Unterwasserwelt an - Neptun und Meerjungfrau scheinen den beiden auf den Leib geschneidert. Mehr Glamour versprechen die Bauchtänzerin und Robin Hood. Für was sollen sie sich nur entscheiden?

"Man kann keinen eindeutigen Trend ausmachen", sagt Gundi Schauer, die Chefin des kunterbunten Kaufhauses. Die Hauptsaison beginnt nach dem 11.11., meint sie, dann geben Faschingsvereine ihre Mottos bekannt. Berufe, Märchen, Zeitreise: Je nach Thema startet anschließend der Ansturm auf passende Kostüme. Außerhalb der Karnevalszeit bestimmt Hollywood den Trend, so Schauer. "Immer wenn ein neuer Film in den Kinos läuft, wollen die Leute Spezialkostüme."

Wohl und Wehe der Narretei beschäftigen sogar die Wissenschaft. Woher Sympathie und Antipathie kommen, erforscht Claus-Christian Carbon, Professor für Psychologie an der Uni Bamberg. "Im Fasching kann man dem nachkommen, was wir tatsächlich so oft gerne tun wollen", sagt der Wahrnehmungspsychologe. "Wir verhalten uns einmal anders."

Verkleiden sei kein Phänomen des Alltags. Im Gegenteil: "Es wäre unüblich, verwirrend oder gar provokant, wenn wir im Alltag eine Maskerade tragen würden. Andere reagieren sensibel auf kleinste Änderungen, da sofort eine persönliche Veränderung dahinter vermutet wird", erklärt Carbon. Im Fasching sei das anders: Institutionalisiert, also von "oben erlaubt", könne man aus der üblichen Rolle austreten.

Psychologisch betrachtet heißt das: "Wenn es dieses Grundbedürfnis gibt, dann sind solche Institutionen wie der Fasching sehr wichtig, um es auszuleben." Im Alltag werde erwartet, dass die Menschen funktionieren. "Es regt das divergente Denken und unsere Kreativität an, wenn wir einmal einen Perspektivenwechsel machen", erklärt Carbon. "Wenn wir einmal etwas aus anderen Augen sehen und auch einmal sehen, wie andere darauf reagieren."

Unter jenen, die Verkleidungen gar nicht mögen, unterscheidet der Psychologe zwischen mehreren Typen. Manche empfänden es als unerträglich, was oft durch Alkohol und "zu stark aufgesetzten Frohsinn" mit Menschen passiert. "Das ist nachzuvollziehen, vor allem wenn man sich dem Taumel selbst nicht hingibt", meint Carbon. Manche hätten Scheu, weil sie mit der Verkleidung schnell in ungewohnte und nicht zu kontrollierende Situationen geraten können. Oder sie lehnen Fasching ab, weil sie den Rollenwechsel schon im Alltag bereits gut beherrschen. Und nicht "von außen" gesagt bekommen wollen, wann sie so etwas zu tun haben.

Unsere Reporter kennen das, arbeitsbedingt müssen sie oft in unterschiedliche Rollen schlüpfen. Zwar hat sie der Ausflug in den Schauer'schen Kostümfundus gezeigt, dass Verkleiden mächtig Spaß machen kann. Zu vollblütigen Faschingsjüngern werden die beiden wohl trotzdem nicht mehr mutieren.