Nach Sandkerwa-Fauxpas: Müller meldet sich wieder zu Wort
Autor: Jutta Behr-Groh
Bamberg, Montag, 19. Juni 2017
Müller sagt, wie er heute über seine Verunglimpfung der Sandkirchweih-Besucher denkt und warum Rücktritt für ihn kein Thema ist.
Nachdem er die Sandkirchweih und ihr Publikum als eine Belustigung für niedere Schichten abqualifiziert hatte, sah sich der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Bamberger Stadtrat, Helmut Müller (73), harscher Kritik bis hin zu Rücktrittsforderungen ausgesetzt. Zur Schadensbegrenzung für seine Partei erlegte er sich Mitte Mai eine, wie es hieß, Denkpause auf. Von heute an will Müller seine politischen Ämter wieder wahrnehmen.
Herr Müller, Sie haben gestern Abend in der Fraktion ihre selbst verordnete Denkpause als CSU-Repräsentant für beendet erklärt. Nach nur vier Wochen?
Helmut Müller: Das war, meine ich, sogar eine lange Pause. Man sagt doch, wenn einer etwas angestellt hat, soll er eine Nacht drüber schlafen. Ich habe mir vier Wochen Zeit genommen.
Die Junge Union hatte nach Ihrer pauschalen Beschimpfung des Sandkerwa-Publikums als saufendes Prekariat Ihren Rücktritt gefordert. Was sagen Sie dazu?
Ich habe mich über das Lebenszeichen der JU gefreut!
Ein Rücktritt war für Sie also kein Thema?
Nicht wirklich. Ich glaube, dass mehr Leute enttäuscht wären, wenn ich aufhören würde, als sich Leute über meinen Rückzug freuen würden. Ich habe für meine Kritik auch viel Unterstützung bekommen, per Telefon, Brief und Email, von Bürgern auf der Straße, aber auch aus anderen Fraktionen.
Aber in der CSU war man richtig sauer auf Sie?
Stimmt. Ich wollte auf Missstände aufmerksam machen und habe mich zu einer unterirdischen Wortwahl und pauschalen Beschimpfung hinreißen lassen. Das war der größte Fehler, der mir in 33 Jahren im Stadtrat und 18 Jahren im Landtag passiert ist. Ich habe mich dafür öffentlich entschuldigt.
Wie muss man sich Ihre "Denkpause" rein praktisch vorstellen? Was haben Sie anders und was haben Sie nicht gemacht?
Ich habe die Zeit genützt, darüber nachzudenken, wie mir der Fehler unterlaufen konnte. Und ich habe viele Gespräche geführt - mit politischen Weggefährten wie auch mit politischen Konkurrenten. Der Tenor war immer: Mach bitte weiter.
Wenn Sie fragen, was ich nicht gemacht habe: Ich habe meine Aufgaben als Fraktionsvorsitzender ruhen lassen, habe keine einzige OB-Vertretung wahrgenommen, nicht einmal Jubilarbesuche. In der Fronleichnamsprozession bin ich bewusst nicht beim Stadtrat mitgelaufen, sondern habe mich zu meiner Studentenverbindung Fredericia gesellt.
Während der Denkpause wurde Ihnen endgültig klar, dass Sie weiter machen?
Ja, aus mehreren Gründen. Erstens glaube ich, dass die CSU-Fraktion, gerade weil sie sich neu formiert hat und jüngere Kollegen Sprecherfunktionen übernommen haben, noch meine große politische Erfahrung braucht. Ich will auch im Hinblick auf die nächste Stadtratswahl dazu beitragen, dass die CSU bestmöglich abschneidet. Zweitens bin ich, zusammen mit Klaus Stieringer von der SPD, der Architekt der Großen Koalition im Bamberger Stadtrat, die ja zweifellos reibungslos und erfolgreich arbeitet. Ich bin bis heute ein Verfechter der GroKo und fühle mich ihr weiterhin verpflichtet.
Und außerdem haben mir, wie schon gesagt, viele den Rücken gestärkt und gesagt, ich solle ja nicht aufgeben.
Sie sind bekannt dafür, dass Sie das Herz auf der Zunge tragen. Werden Sie künftig erst drei Mal überlegen, ehe Sie etwas kommentieren?
Ich kann und will mich auf meine alten Tage nicht ändern. Dieses salbungsvolle Politikergerede liegt mir nicht. Aber ich habe mir vorgenommen, künftig, wenn mich die Presse anruft, etwas länger über eine Antwort nachzudenken.
Dem Vernehmen nach wollen Sie die anteilige Aufwandsentschädigung, die Sie als Fraktionsvorsitzender auch während ihrer freiwilligen Pause erhalten haben, spenden?
Ja, das stimmt. Ich will 1000 Euro für soziale Zwecke spenden. Das entspricht dem, was jeder Fraktionsvorsitzende im Monat mehr bekommt als ein "normaler" Stadtrat. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Diese Aufwandsentschädigung muss selbstverständlich versteuert werden.
Hat sich Ihre Sicht auf die Sandkirchweih in den zurückliegenden vier Wochen verändert?
Ich hoffe, dass die Tatsache, dass das traditionsreiche Fest heuer ausfällt, dazu führt, all das, was in den letzten Jahren aus dem Ruder gelaufen ist, in Zukunft zu minimieren.