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Mysteriöser Raum ein jüdisches Tauchbad?


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Mittwoch, 13. Februar 2013

Unter dem Rückgebäude des Anwesens Grüner Markt 6 kam ein fünf Meter tiefer Raum zum Vorschein, von dem niemand etwas ahnte. Sehr viel spricht dafür, dass es einmal ein jüdisches Tauchbad war.
In alten Bauakten gab es keine Hinweise auf das gemauerte Kellergewölbe, das im Hinterhof des Anwesens Grüner Markt 6 zum Vorschein kam. Alle Fotos: Matthias Hoch


Stadtarchäologe Stefan Pfaffenberger fehlt noch der letzte Beweis, dass es sich bei dem 2,50 mal 2,50 Meter großen und doppelt so tiefen Kellergewölbe, das hinter dem Modehaus Hartmann freigelegt worden ist, um eine einstige Mikwe handelt.

Er möchte noch ein Fragezeichen dahinter setzen, bis schriftliche Belege gefunden sind, die die Annahme bestätigen. Doch Pfaffenberger widerspricht Claus Vetterling vom Büro ReVe für Archäologie nicht, wenn dieser sagt, dass es eigentlich nichts anderes sein könne.


Ungewöhnliche Baustelle
Ortstermin auf einer ungewöhnlichen Baustelle in zweiter Reihe des Welterbes am Grünen Markt: Sie liegt hinter der Häuserzeile gegenüber der St.

Martinskirche, unübersehbar ob einer großen Baustelleneinrichtung samt Kran mitten in der Fußgängerzone.

Alles Gerät und Material muss der Kranführer mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl in den bzw. aus dem größeren der beiden kleinen Höfe hieven, die sich hinter dem Vorderhaus Grüner Markt 6 verstecken. Dort geht es extrem eng und verwinkelt zu.

Eines von zwei unter Denkmalschutz stehenden Rückgebäude wird gerade saniert, weil es sich setzt und von Rissen durchzogen ist. Die Ursache liegt laut Architektin Marion Kolb im nicht tragenden Untergrund: Das Haus wurde, wohl um das Jahr 1600, auf so genanntem Kulturschutt errichtet. Ältere Scherben im Aushub lassen diese Datierung zu. Das statische Konzept des Ingenieurbüros Töppner sieht vor, eine neue Bodenplatte zu schaffen und diese auf einem Dutzend Kanalrohr-dicken und vier Meter tiefen Säulen aus Beton zu gründen.

Obwohl Kolb in alten Bauakten keine Hinweise auf Keller gefunden hatte, stießen die Arbeiter gleich an der ersten Stelle, an der sie Boden ausheben sollten, auf ein gemauertes Gewölbe. Die Bamberger Architektin berichtet: "Wir sind immer tiefer gekommen und haben uns gewundert." Erst bei fünf Meter sei Schluss gewesen.

Der hinzu gezogene Mittelalter-Archäologe Claus Vetterling hegt keine Zweifel, dass der quadratische Raum ursprünglich ein jüdisches Tauchbad war. Er zählt mehrere Gründe auf, die aus seiner Sicht dafür sprechen. Für einen "normalen" Keller sei er zu tief; die eckige Form spreche gegen einen Brunnen; Reste von Balken deuteten auf eine Plattform und eine Treppe hin. Vor allem ist es der nachgewiesene Innenputz, der den Fachmann auf eine heraus gehobene Bedeutung schließen lässt. Anders ausgedrückt: "Das war definitiv keine Latrine!"


Archäologen rätseln
Das Grundwasser soll an dieser Stelle Bambergs früher in 3,50 Meter Tiefe gestanden haben. Heute stößt man laut Bauingenieur Heinz Töppner erst in fünf Meter darauf. Auch für ihn liegt daher der Schluss nahe, dass sich jüdische Hausbesitzer im 17. Jahrhundert die Gegebenheiten zu Nutze gemacht und ein von Grundwasser gespeistes Becken für rituelle Waschungen angelegt haben.

Bambergs Fürstbischöfe hätten nach dem dreißigjährigen Krieg wieder gerne Juden aufgenommen und ihnen oft ruinöse Häuser zum Wiederaufbau gegeben. Vielleicht sei das auch hier der Fall gewesen, überlegt Archäologe Pfaffenberger. Bekannt sei auch, dass Mitte des 17. Jahrhunderts in der nahen Keßlerstraße mindestens 20 jüdische Familien wohnten.

Die Mikwe-Theorie erscheint ihm daher sehr nahe liegend. Trotzdem hegt er letzte Zweifel: "Wir haben noch keinen eindeutigen Nachweis in den schriftlichen Quellen." Wie er hinzufügt, "sind aber auch noch nicht alle ausgewertet". Obwohl es vom Grünen Markt nicht weit zur Hellerstraße ist, lassen sich laut Pfaffenberger keine Zusammenhänge mit dem ehemaligen jüdischen Viertel dort herstellen. Dieses ist wesentlich älter. Es war im frühen 15. Jahrhundert entstanden, aber schon vor 1600 waren die Bewohner wieder aus der Stadt vertrieben worden.

Was die Mikwe in der Hellerstraße und die mutmaßlich neu entdeckte am Grünen Markt aber verbindet ist ihre Bedeutung für die Stadtgeschichte: Das Bild, so sagt auch Claus Vetterling, verdichte sich.


Weitere Überraschungen im Untergrund?
In Karl-Hans Hartmann scheinen es die Archäologen mit einem kooperativen Bauherrn zu tun zu haben. Er verliert beim Ortstermin kein Wort über den Zeitplan, den die Grabungsarbeiten etwas durcheinander gebracht haben; auch nicht über die damit verbundenen Mehrkosten, die sein Statiker auf 10.000 Euro schätzt. Es sei "schon interessant, wenn man so etwas in seinem Haus hat", lautet vielmehr sein Kommentar.

Ob weitere Überraschungen im Untergrund ruhen, wird sich in den nächsten Wochen herausstellen, wenn die Gründungsarbeiten für das Einzeldenkmal voranschreiten.

War es der Architektin und dem Statiker lange ein Rätsel, warum nur Teile der Erdgeschoss-Mauern abgesackt sind, so lieferte ihnen das überraschend gefundene Kellergewölbe die Erklärung. Es habe wie ein "Bock" einen kleinen Teil der Hausmauern gestützt; unter dem größeren Teil habe im Lauf der Jahrhunderte der im Mittelalter aufgeschüttete Boden nachgegeben.

Die neue Bodenplatte aus Beton für das Wohnhaus im Hinterhof erfüllt künftig noch einen weiteren Zweck: Sie wird die mutmaßliche Mikwe bedecken und schützen, die nach beendeter Dokumentation vorsichtig aufgefüllt und so der Nachwelt erhalten werden soll.