Mutige Mutter Mechthild
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Zapfendorf, Mittwoch, 22. Juli 2020
Über 30 Mal hat die Äbtissin der Abtei Maria Frieden Kirchschletten Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt. Jetzt muss sie sich vor Gericht verantworten.
Äbtissin Mechthild Thürmer hat Menschen erlebt, denen unsagbares Leid widerfahren ist. Männer mit kaum vernarbten Wunden von Folterungen, durch Vergewaltigungen traumatisierte Frauen, Flüchtlinge, die die Höllentouren über das Mittelmeer gerade so überstanden. Und die in Deutschland auf ein gerechtes Asylverfahren gehofft haben. Oft vergebens. Auf Basis der Dublin-Regelung mussten sie mit Rückführung, also "Abschiebung", in Staaten rechnen, die Flüchtlinge eher schlecht behandeln.
Über 30 Opfern von Verfolgung, Krieg, Terror in ihren Heimatländern hat die Äbtissin der Abtei Maria Frieden Kirchschletten in den vergangenen Jahren Kirchenasyl gewährt: die "Ultima ratio", wenn alle Mittel ausgeschöpft sind und die Abschiebung droht. "Es waren alles absolute Härtefälle", sagt die Benediktinerin gegenüber unserer Zeitung und fügt energisch hinzu: "Ich habe so gehandelt, wie Jesus es auch getan hätte. Ich habe nichts falsch gemacht!" Flüchtlinge "haben ein Kreuz zu tragen, da ist es mir egal, ob sie Christen oder Muslime sind, es sind Menschen in Not".
Ihr Handeln nach Gewissen und Nächstenliebe wird der 62-jährigen Nonne aber nun zur Last gelegt: Nach einer Anzeige - von wem auch immer - hat die Staatsanwaltschaft Bamberg gegen Äbtissin Mechthild Thürmer einen Strafbefehl erlassen wegen "des Verdachts der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt". So begründet der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, André Libischer, das anberaumte Verfahren vor dem Amtsgericht Bamberg. Mechthild Thürmer solle im Herbst 2018 durch ein "sogenanntes Kirchenasyl" die Rücküberstellung einer ausreisepflichtigen Asylbewerberin aus Eritrea nach Italien "verhindert" haben, so heißt es in dem Strafbefehl.
Verhindert habe sie, dass diese junge Afrikanerin in Italien "unter Brücken schlafen muss und Vergewaltigung und Zwangsprostitution ausgesetzt ist", entrüstet sich die Äbtissin, die ihren damals schwangeren Schützling nachts um zwei Uhr höchstpersönlich zur Entbindung ins Krankenhaus gebracht hatte. Der Ehemann der Eritreerin hatte bereits einen gültigen Aufenthaltstitel für Deutschland. Die Familie auseinanderzureißen, wollte Schwester Mechthild obendrein nicht hinnehmen.
Einspruch eingelegt
Dass es überhaupt zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht kommt, ist der Tatsache geschuldet, dass sich die Äbtissin weigert, die im Strafbefehl auf 2500 Euro festgesetzte Geldstrafe zu zahlen. Mit ihrem Rechtsanwalt Franz Bethäuser legte sie Einspruch ein: "Ich käme mir nicht ehrlich vor, die 2500 Euro zu bezahlen, nur um meine Ruhe zu haben", erklärt Mutter Mechthild.
Ursprünglich war der Gerichtstermin, zu dem die Äbtissin persönlich erscheinen muss, für den 31. Juli 2020 anberaumt. Dieser wurde jedoch kurzfristig abgesetzt. Die offizielle Begründung dafür laut Peter Neller, Pressesprecher des Amtsgerichts: "Der Termin wurde aus prozessökonomischen Gründen abgesetzt. Es gibt weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Derzeit gibt es keinerlei Erkenntnisse bezüglich einer Verfahrensbeendigung. Es wird von einem später anzuberaumenden Haupttermin ausgegangen."
Mutter Mechthild bestätigt selbst, dass sie in den letzten Tagen die Nachricht von der Polizei über ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen sie erhalten habe. In diesem Fall handle es sich um das Kirchenasyl für eine Nigerianerin. Die Beschuldigung laute gleich wie im ersten Fall: "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, 27 StGB".