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Muna in Bamberg: Das militärische Erbe ist allgegenwärtig


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Dienstag, 13. November 2018

Viele nutzten die Chance, die "Muna" zu besichtigen. Es zeigte sich: Das militärische Erbe ist allgegenwärtig, die Natur aber auch. Mit Kommentar.
Erkundungen im Sperrgebiet: In fünf Gruppen ließen sich Besucher am Dienstag durch die "Muna"  in Bamberg führen. Hier ist ein großer Gewerbepark geplant.  Alle Fotos: Ronald Rinklef


Wald oder Gewerbepark? Oder vielleicht doch beides? Das ist eine Frage, die Bamberg im zu Ende gehenden Jahr 2018 wie keine andere zu bewegen scheint. Abzulesen war das am Dienstagvormittag am Ende der Gutenbergstraße. Dort, am Beginn eines Bamberger Niemandslandes, standen die Menschen an einem regnerischen Tag Schlange, um sich selbst einen Eindruck über jenes Sperrgebiet zu verschaffen, über das seit Wochen mit zunehmender Heftigkeit debattiert wird.

Die Stadt hatte zu einem geführten Rundgang durch die Munitionsanstalt eingeladen, um Einblicke zu geben, aber auch, um vor Ort für ihr Ratsbegehren zu werben - den "besten Kompromiss zwischen Ökologie und Ökonomie", wie Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) erklärte. Das Stadtoberhaupt ist überzeugt: "Die Entwicklung der Muna ist eine Jahrhundertchance für Bamberg. Wir haben zu wenig Reserveflächen für Gewerbe." Es gebe konkrete Nachfragen für 70 Hektar.

Haftungsfreistellung unterzeichnet

Eine Kleinigkeit war es nicht, die Tore der eingezäunten Muna erstmals für eine größere Öffentlichkeit aufzusperren. Weil die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Eigentümer in der Verantwortung steht, mussten alle Teilnehmer eine Haftungsfreistellungserklärung unterschreiben. Viele machten den Papierkrieg bereitwillig mit. Sie fanden das Thema zu wichtig, um die Augen zu verschließen oder leichtfertig eine Entscheidung zu treffen: "Wir können nicht von den Amazonas-Staaten erwarten, ihren Wald zu schonen, wenn wir hier dem Primat der Wirtschaft alles unterordnen", beschrieb etwa Ekkehard Arnetzl sein Eintreten für den Erhalt der Muna.

Auch Helmut Siegler, der im Bamberger Osten wohnt, zeigte sich skeptisch über den geplanten Umfang der Eingriffe. Doch im Laufe des Rundgangs ließ er sich überzeugen, dass das Ratsbegehren vielleicht doch nicht den brutalen Kahlschlag bedeutet, den viele in ihm sehen: "Ich bin überrascht, wie viel von dem Gelände am Ende unberührt bleibt und für die Öffentlichkeit zugänglich wird. "

Der Gang über raschelndes Eichenlaub in das seit Beginn des 20. Jahrhunderts abgeschirmte 140 Hektar große Gelände war ein Exkurs durch die jüngere Militärgeschichte Bambergs. An vielen der annähernd 100 Bunker ging es vorbei, an verfallenden Produktionsstätten und zugewucherten Gleisanlagen. Hier schufteten in der NS-Zeit bis zu 400 Zwangsarbeiter. Millionen von Granaten wurden zusammengeschraubt, gelagert und verladen.

Stück Bamberg im Dornröschenschlaf

Heute ist auf dem Gelände zwischen alter Heizanlage, Tanklager und Panzerverladestation Ruhe eingekehrt, sieht man vom Lärmen der nicht weit entfernt gelegenen Autobahn ab. Das Muna-Gelände fiel endgültig in den Dornröschenschlaf, als die Amerikaner 2014 aus Bamberg abgezogen sind. Natur hat das Gelände überwuchert. Moos bedeckt Asphaltwege und viele Gleise. Auf und zwischen den Bunkern wachst respektabler Wald, nicht nur die im Stadtrat genannten Kiefernstecken.

Rund 40 Prozent der Bäume auf dem Muna-Gelände sind Laubhölzer, sagt ein Vertreter des Bundesforstes. Teilweise finden sich stattliche Eichenexemplare darunter, Reste des alten Hauptsmoorwaldes, an dessen westlichem Rand Anfang des Ersten Weltkriegs die Muna für die Kriegsproduktion hineingerodet worden war.

2015 haben die Förster hier zum letzten Mal Holz entnommen. Wegen der wenig intensiven Nutzung und der gemischten Altersklassen der Bäume entfaltet der Muna-Wald einen natürlichen, einen wilden Charme. Doch so ungezähmt der Bamberger Südosten heute aussieht, über das eigentliche Problem - die Altlasten im Boden - sagt dieser Befund wenig. Der zweieinhalb Kilometer langen Rundgang berührte nur die Hälfte des Sperrgebiets, doch es war mit Händen zu greifen, wie aufwändig es sein wird, jeden Quadratmeter des Geländes von Öl und Benzin im Boden und von Resten der Kampfmittel zu befreien, die hier vermutet werden. Ist das überhaupt zur Gänze möglich, und wenn ja, wie viele Jahre wird es dauern?

40 Tonnen Munition werden vermisst

Das kann heute niemand sagen. Harald Lang vom Konversionsamt der Stadt berichtete von einem Bombentreffer, den ein gefüllter Bunker kassierte. Kampfmittel wurden damals im weiten Umkreis verteilt. Seinen Zahlen zufolge befanden sich zum Ende des Zweiten Weltkriegs noch 640 Tonnen Munition in der Muna. Fast alles wurde unter akribischer Aufsicht vernichtet. Bis auf 40 Tonnen, die immer noch vermisst werden. Kommentar von Michael Wehner

Schwierige Wahl

Die Gelegenheit, sich vor Ort selbst ein Bild zu machen, kam viel zu spät. Wer ein Riesengelände wie die "Muna" vom grünen Tisch aus beurteilt, dem fehlt der Blick für das Nahe liegende. Der Gang durch das labyrinthische Gewirr von Wegen und Gleisanlagen zeigt nämlich, dass Schwarzweiß-Denken das Problem nicht löst. Die Annahme, es handle sich bei der Fläche nur um eine geringwertige Militärbrache und der Bau eines mit Erschließungsflächen 60 Hektar großen Gewerbegebietes habe keinen Preis, ist ebenso schwer nachzuvollziehen wie die Hoffnung, der Stopp aller Pläne bringe Bambergs Osten mehr nutzbare Naturfläche. So viel steht fest: Ohne eine millionenschwere Lösung des Altlastenproblems wird die Muna noch Jahrzehnte verschlossen bleiben. Deshalb hinterlässt der anstehende Bürgerentscheid einen schalen Beigeschmack. Ein echter Kompromiss steht nicht zur Abstimmung. Genau den würden sich aber viele Bürger wünschen.