Druckartikel: Muh sagt die Bühnenkuh und jazzt drauflos

Muh sagt die Bühnenkuh und jazzt drauflos


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, Dienstag, 22. Juli 2008

Clown, Spieler, Unsinnsmacher: Helge Schneider improvisierte am Sonntag beim Tambacher Sommer im Gewitterregen und zelebrierte hinreißend Nonsens.
Anarcho mit Ledertäschchen: Helge Schneider beim ambacher Sommer


TAMBACH Am Sonntagabend gastierte der bekannte und umstrittene Unterhaltungskünstler, Kabarettist, Bühnenclown, Schauspieler, Regisseur und Jazzmusiker Helge Schneider beim Tambacher Sommer. Da sich zum Beginn des Konzertes ein heftiger und anhaltender Gewitterguss über dem ausverkauften Schlosshof entlud, quatschte Schneider längere Zeit in den Regen, was die nasse Menge  eine Weile  amüsierte. Vor allem in der zweiten Hälfte des Konzertes stellte Helge Schneider sein herausragendes musikalisches Talent, nicht nur am Klavier, unter Beweis. Er  fesselte dabei eine große Menge vor allem junger Besucher, von denen man sich nicht vorstellen kann, dass sie sich sonst dieser Art Musik hingeben, mit diffizilen, temporeichen und ausführlichen Jazzarrangements.

Er passt in keine Schublade

Man sollte es vielleicht bei diesem einigermaßen nüchternen Report über die zweite Runde im Tambacher Sommer belassen. Denn Helge Schneider ist reflektierend, Bericht erstattend nicht in den Griff zu kriegen. Da wollen Sie nur mal kurz im Internet über diesen merkwürdigen Künstler nachlesen, und, bumm, haut ihnen Wikipedia zehn Seiten über sein Leben, Wirken, Schaffen um die Augen.
Was soll ich sagen? „Haste eine Mutter, haste immer Butter“, dieses unglaubliche Stück vom  Katzeklo, klar, ein hinreißendes Duett am Klavier mit dem imaginären Udo Lindenberg, wonach aus der Menge schon mehrfach gebrüllt worden war, Parodien, Sketche, also Helge-Schneider-Kultstücke, die Zeit rast durch das Wildgehege, die fantastische Jazzmusik mit wendiger, reaktionsschneller Band, hatte ich schon genannt, o. K. – Aber dann all das Andere?

Blödeleien jagen Geistesblitze

Der Mann ist doch blöd. Wie der seinen unglaublichen Nonsens auf der Bühne zelebriert, vor sich hin improvisiert, gar nicht immer gut, mit Inhaltsleere provoziert, vollkommen kindlich assoziiert, ach was, einfach plappert, dabei  unter Verrenkungen herum tigert, ständig über sich selber lachen muss („Ich bin doof, nä!“). – Und plötzlich geniale Gedankenblitze hat, die gewohnte Welt verrückt, auf dem Hochseil zwischen Hochintelligentem und schlichtem Quatsch balanciert, wunderbar unterhalten kann.  – Ich werd’  noch anfangen, von dem Kerl  zu schwärmen, so weit kommt’s noch.
Jedenfalls steckt etwas in diesem Multitalent, das nach Jahren der Ablehnung  sogar  die Kultur-Nachdenker der Nation überzeugt hat, weshalb er heute „ein Klassiker und fester Bestandteil der deutschen Humor-Kultur“ ist, sagt wenigstens Wikipedia. Und deshalb saßen und standen da über Zweitausend bei Sauwetter im Tambacher Schlosshof. – Wenn das bloß keine Verarschung war, von wem auch immer. (Nä. Ich entschuldige mich nicht für dieses Wort. Da gibt es heute viel unanständigere.)