Mitentscheidung auf Augenhöhe
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Mittwoch, 17. Oktober 2018
Am Sonntag werden in ganz Bayern neue Kirchenvorstände gewählt. Allein im evangelischen Dekanat Bamberg sind Zehntausende zur Wahlurne aufgerufen.
           
Der Kirchenvorstand ist eine evangelische Spezialität: In ihm beraten und entscheiden gewählte Gemeindemitglieder gemeinsam mit dem Pfarrer oder der Pfarrerin auf Augenhöhe. Es geht um die Leitung der Kirchengemeinde und um die geistliche sowie finanzielle Gesamtverantwortung (siehe auch das Interview mit Dekan Hans-Martin Lechner auf dieser Seite).
Am kommenden Sonntag werden nun in ganz Bayern neue Kirchenvorstände gewählt. Das heißt: Wer lieber in Ruhe sein Kreuzchen auf der Kandidatenliste machen möchte statt nach den Gottesdiensten, kann dies erstmals auch per Briefwahl tun. "Bei dem Rücklauf zeichnet sich schon eine höhere Wahlbeteiligung ab als vor sechs Jahren, die Briefwahl kommt gut an", freut sich Diakonin Andrea Hofmann, die im evangelischen Dekanatsbezirk Bamberg die Öffentlichkeitsarbeit für die Kirchenvorstandswahlen koordiniert.
Zum Dekanat gehören rund 40 000 Gemeindeglieder, über deren kirchliche Zukunft vor Ort Hunderte Männer und Frauen als Kirchenvorstände mit entscheiden können. Wählen darf jedes Gemeindeglied ab 14 Jahren, wenn er beziehungsweise sie konfirmiert ist. Sonst ab 16 Jahren. Wählbar ist man/frau ab 18 Jahren, eine Berufung ist bereits ab 16 Jahren möglich. Ein Höchstalter gibt es nicht.
Und dass auch Ältere unkonventionell und innovativ sein können, beweist der 82-jährige Horst Ostermeier aus der Gemeinde St. Matthäus in Gaustadt. Der verheiratete Elektromeister und Vater einer Tochter kandidiert 2018 zum ersten Mal: "Weil ich Tradition mit der Moderne verbinden will", sagt er. Und "weil ich älteren Menschen Mut für ein Ehrenamt machen will". Außerdem sei es ihm wichtig, so Ostermeier, dass der Kirchenvorstand nicht nur aus jüngeren Leuten bestehe: "Ältere müssen dabei sein, damit sie die Jungen verstehen und umgekehrt." Generell möchte er an der Seite des Pfarrerehepaares in Gaustadt "für das Gemeindewohl etwas tun".
Um die Einheit der Gemeinde, um ein gutes Miteinander von Jung und Alt geht es auch Benjamin Seiser aus der Erlösergemeinde. Er ist mit seinen 19 Lenzen der jüngste Kandidat in Bamberg. "Wir können viel voneinander lernen", meint der frischgebackene Student der evangelischen Theologie über das Zusammenspiel der Generationen im Kirchenvorstand. Zudem ist es Benjamin Seiser ein Herzensanliegen, Gleichaltrigen die guten Erfahrungen zu vermitteln, die er in der kirchlichen Jugendarbeit gemacht hat: "Die hat mir Kraft gegeben für schwere Zeiten in der Schule."
Großes Aufgabenspektrum
Eine ähnliche Motivation führt Tim-Niklas Kubach an, wenn er sagt: "Ich möchte der Gemeinde etwas von dem zurückgeben, was ich Gutes in ihr erlebt habe." Der 34-Jährige Pressesprecher einer Charity-Organisation und Vater einer Tochter kandidiert in der St.-Stephan-Gemeinde. Als gelernter Journalist möchte sich Kubach besonders in der Öffentlichkeitsarbeit engagieren. Da stünde ja einiges an im Blick auf das tausendjährige Jubiläum von St. Stephan 2020.
Das Aufgabenspektrum eines Kirchenvorstandes ist ohnehin breit gefächert. Je nach Vorkenntnissen und Vorlieben kann der oder die Einzelne schon Schwerpunkte setzen, ohne das Gesamte aus den Augen zu verlieren. Ein bestimmtes Arbeitsfeld kann etwa die Kirchenmusik sein, die Kinder- und Jugendarbeit, die Gestaltung der Gottesdienste, der Besuchsdienst oder der Eine-Welt-Kreis. "Wir wollen aber die großen Ziele und Visionen einer christlichen Gemeinde immer im Blick haben", erklären die drei befragten Kandidaten einmütig.