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Mit dem Auto zwischen den Schranken gefangen


Autor: Anette Schreiber

Altendorf, Montag, 03. März 2014

So ein Erlebnis wünscht Marion Ochs keinem anderen Menschen: Mit dem Auto auf den Schienen und die Schranken gehen runter. Am Samstag erlebte die 45-Jährige die längsten Minuten ihres Lebens.
In diesem Bereich war Marion Ochs zwischen den geschlossenen Schranken gefangen. Alle Fotos: Ronald Rinklef


"Da muss sich doch was tun! " Marion Ochs ist noch immer fassungslos. Jahrzehntelang passierte sie den beschrankten Bahnübergang beim Altendorfer Bahnhof mit ihrem Auto ganz selbstverständlich, dachte sich nie was dabei und dann das: Samstagmorgen wollte sie mit ihrem Mann im Wagen an der Spitze von etwa sechs Fahrzeugen vom Osten Altendorfs rüber in den westlichen Teil fahren. Mitten auf den Gleisen gingen vor und hinter ihr die Bahnschranken runter. Sie saß in der Falle. Genau wie der Radfahrer neben ihr.

"So was sieht man doch nur im Film!", schoss es ihr durch den Kopf. Dann Panik pur. Sie hupte wie verrückt. Das taten dann auch die anderen Verkehrsteilnehmer, die von den Schranken ausgebremst waren. Leute liefen und suchten den Sicherungsposten. Also den, der im Bahnhof die Schranken manuell bedient. "Wir haben gehupt, gehupt, gehupt", schildert sie, und gehofft, dass kein Zug kommt. "Raus aus dem Auto", schrien die Leute und versuchten die Schranken per Hand hoch zu zwingen. Vergeblich.



Drei bis vier Minuten war das Auto mitten auf den Schienen eingesperrt. Eine Ewigkeit. Bis der Schrankenwärter endlich gefunden war und die Balken doch wieder hoch dirigieren konnte. "Wir waren gerade durch, da sind sie wieder zugeknallt", schildert die Altendorferin mit Schaudern. Bei der Tankstelle in Hirschaid stieg sie dann aus dem Wagen. "Da hatte ich einen Zusammenbruch." Ihr Mann brachte sie zum Arzt. Die Diagnose: psychischer Schock.

Ähnliche Vorkommnisse
Das Ehepaar wollte die Dinge nicht auf sich beruhen lassen. Beim Bahnhof suchten sie den Sicherungsposten. Um zu erfahren, dass es bereits ähnliche solche Vorkommnisse gegeben hatte und dass ein Notdienst gerufen werde. "Wir sahen dann ein Auto von der Bahn", berichtet Marion Ochs weiter. Entweder es funktioniere, oder der Übergang müsse gesperrt werden, habe es seitens der Bahn-Mitarbeiter geheißen und sinngemäß weiter: Wenn sich die Gemeinde nicht so anstellen würde, gäbe es schon längst eine Unterführung.

Am späten Nachmittag war der Übergang nicht gesperrt, also ging Familie Ochs davon aus, dass die Reparatur geklappt hatte und wollte auf diesem Wege nach Buttenheim. Und dann - das Gleiche wieder. Allerdings bei anderen Fahrzeugen. Marion Ochs ist erbost auch weil sich offenbar niemand zuständig fühlt: die Polizei nicht, die Bahn nicht und auch nicht die Gemeinde.

Die Gemeinde Altendorf würde sehr wohl gerne für Abhilfe sorgen, erklärt Bürgermeister Karl-Heinz Wagner auf Nachfrage. Aber sie darf nichts unternehmen. Bei der Straße handelt es sich um eine Staatsstraße und für den Übergang selbst ist ausschließlich die Bahn zuständig. So darf die Gemeinde noch nicht einmal eine (mobile) Lichtzeichen-Anlage (Ampel) aufstellen, die sie auch gerne bezahlen würde. Denn am Altendorfer Bahnübergang gibt es keinerlei Lichtsignal, sondern lediglich eine doch eher antiquierte Bimmelanlage.

"Wenn jemand im Auto das Radio anhat, dann hört er das nicht." Wie soll man dann merken, dass sich die Schranken senken? Wagner weiß von einem Vorfall im vergangenen Jahr. Der Geräuschpegel in Schulbussen sei bekannt. In letzter Sekunde bremste der Fahrer. Dadurch wurde allerdings ein Schüler mit Stehplatz gegen die Windschutz katapultiert, wodurch er eine Platzwunde erlitt.

"Elendige Geschichte"
Für Altendorfs Bürgermeister sind die Vorfälle am Übergang "eine elendige Geschichte". Ihm sei bekannt, dass es wohl seit mehreren Wochen technische Probleme am Übergang gibt. Von solchen zeugten überdies verschiedene kaputte Schrankenteile, die nahe dem Übergang herumliegen. Er habe Gespräche mit Zuständigen der Bahn gesprochen, sei dabei allerdings nur auf taube Ohren gestoßen. Wagner fragt sich, ob erst wirklich noch was passieren muss, bevor etwas passiert.

Auf Nachfrage bei der Bahn heißt es seitens eines Pressesprechers: "Der in Rede stehende Bahnübergang ist vorschriftsmäßig gesichert. Die Sicherheit ist durch örtliches Personal gewährleistet. Die DB plant aktuell keinen grundlegenden Umbau an dieser Schrankenanlage.

Zum Bimmelton: Auch wenn Sie ihn als antiquiert empfinden mögen. Die Verkehrsteilnehmer kennen ihn seit Jahrzehnten und genau deswegen ist er wertvoll und wird flächendeckend angewandt. Auch in anderen Ländern ist die Warn-Akustik bei Bahnanlagen seit Jahrzehnten unverändert und bewährt. Für das optische Signal sorgt die Schranke selbst, denn sie drückt durch das Senken ja genau dies aus: Stopp! Sollten dennoch Personen oder Fahrzeuge zwischen die Schranken gelangen, dann greift die Überwachung durch den örtlichen DB-Mitarbeiter. Er hat die Aufgabe, sich zu vergewissern, dass der Bereich zwischen den Schranken geräumt ist. Ist dies nicht der Fall, öffnet er die Schranken erneut oder stoppt den Zug. Insofern ist die Sicherheit gewährleistet."

Angstzustände
Wenn sie an den Übergang denkt, bekommt Marion Ochs Angstzustände. "Ich fahr' da nicht mehr drüber." Ihr liegt sehr daran, dass endlich für Abhilfe gesorgt wird. Denn so ein traumatisches Erlebnis wie sie es hatte, sollte einem doch wirklich erspart bleiben. "Was, wenn ein Zug gekommen wäre?"