"Mini" ist groß in Mode
Autor: Diana Fuchs
Nürnberg, Donnerstag, 22. Oktober 2015
Am Wochenende sind im Schloss Atzelsberg zwischen Erlangen und Forchheim die schönsten Miniatur-Bäume Bayerns zu sehen.
Es klingt vielleicht ein wenig märchenhaft. Ist aber die volle Wahrheit. Bei Guido Braun war es Liebe auf den ersten Blick. Heute, 20 Jahre später, ist die Leidenschaft noch gewachsen. Es ist eine große Liebe für das Kleine.
Der Elektrotechnik-Meister, der nie viel fürs Gärtnern übrig hatte, erinnert sich genau: "Gebannt hab' ich ein Plakat betrachtet, das ganz zufällig in mein Blickfeld geraten ist." Guido war damals 26 Jahre alt. "Ich wusste sofort: Da will ich hin", erzählt der Nürnberger. Der Besuch der Bonsai-Ausstellung in Erlangen veränderte sein Leben. Mittlerweile ist Braun selbst Bonsai-Spezialist.
Bonsai heißt, wörtlich übersetzt, Anpflanzung in der Schale. Schon vor über 2000 Jahren hat man im Chinesischen Kaiserreich Miniatur-Ausgaben des Waldes zu schaffen versucht. Die Japaner haben diese Gartenkunst perfektioniert.
Damit es den "Minis" an nichts fehlt, gibt es nur eins: "Pflegen, pflegen, pflegen." Ganz wichtig sei der Wurzelaufbau, der oft viele Jahre lang dauere. "Der Baum muss jede Menge Feinwurzeln ausbilden, dann ist ein gesunder Wuchs in einer kleinen, wasserdurchlässigen Schale kein Problem." Natürlich müsse das Substrat beziehungsweise die Erde genau auf die Bedürfnisse der Pflanze abgestimmt sein. Und regelmäßiges Düngen ist ebenfalls unerlässlich. "Man braucht schon ein bisschen botanisches Wissen. Und ein Gespür für Pflanzen."
Guido Braun hat sich im Laufe der Jahre jede Menge davon angeeignet. Fasziniert von den kleinen, aber teils sehr alten Bäumen, begann er 2006, sich von der in Japan anerkannten europäischen "Scuola d'Arte Bonsai" zum Bonsailehrer ausbilden zu lassen. Nach sechs Jahren theoretischen und praktischen Lernens schloss er die Schule 2012 mit Diplom ab. Seither gibt er sein Wissen gern an andere Bonsai-Interessierte weiter.
"Theoretisch kann man alle verholzenden Baumarten-Sämlinge oder - Findlinge als Bonsais gestalten. Man sollte nur möglichst kleinblättrige Sorten wählen." Die Blätter können durch gezielte Pflegemaßnahmen bis zu einem bestimmten Grad verkleinert werden, doch die Früchte schrumpfen bei keiner Baumart.
"Wenn es einen mal erwischt hat, dann kommt man eigentlich nicht wieder davon los", beschreibt der Familienvater sein Hobby, das längst den Großteil seiner Freizeit einnimmt. "Jeder Bonsai ist anders, man lernt nie aus - und das ist auch ein großer Reiz für mich. Die Gestaltung jedes Baums begleitet einen fast täglich, viele Jahre lang. Sie wachsen einem ans Herz, ähnlich wie Haustiere."
Vielsagend fügt er hinzu: Man müsse zwar nicht mit den Bonsais sprechen, "aber das Zuhören, das sollte man lernen". Dann werde man mit einer einzigartigen Ausstrahlung belohnt. "Die kleinen Bäume vermitteln Kraft und Geborgenheit."
Wer einen Blick hinter Guido Brauns Haus werfen darf, der versteht, was er meint. Eine malerische Garten-Oase hat der Nürnberger angelegt. Japanischer Einfluss ist unverkennbar. Neben einem Teich, in dem Molche und Fische leben, gedeihen viele Formschnittgehölze prächtig. Auf stabilen Holzpodesten sind ganz unterschiedliche Bonsais zu sehen, zwischen 15 und 120 Zentimetern groß, mit herbstlich gefärbtem Laub oder Nadeln in allen Grüntönen.
Achtung: Amsel-Attacken
Ein gelb-rot-orange leuchtender japanischer Ahorn, einen Meter hoch, steht neben einer Mini-Olive mit knorrigem Stämmchen und einem bizarr gebogenen Wacholder-Winzling. Das gelbgrüne Laub des Blauregens, das sich im Wind wiegt, bildet einen spannenden Gegensatz zum streng-unbeweglichen Dunkelgrün eines englischen Ligusters, dessen Stamm aussieht, als wären Wind und Wetter jahrhundertelang über ihn hinweggefegt. Guido Braun sagt: "Ich wollte einfach einen Garten, der mir gefällt. Hier fühle ich mich so richtig wohl." Plötzlich raschelt es im Laub. Ein schwarzer Vogel fliegt auf. Eine Amsel. Guido Braun seufzt und zuckt gleichzeitig mit den Schultern. "Die Amseln lieben es, in den Bonsai-Schalen herumzupicken." Die Vögel können hier schnell Schaden anrichten. Vertreibungsaktionen hat Guido Braun trotzdem nicht im Sinn. "Dafür hab' ich alle Viecher einfach zu gern. Und das ist halt die Natur." Mit einem Netz über der Erde versucht er, die schlimmsten Vogelattacken abzuhalten - speziell dann, wenn er seine schönsten Bonsais demnächst in einer Ausstellung zeigen will. So wie an diesem Wochenende.
Zum ihrem 20-jährigen Bestehen haben die Bonsaifreunde Franken e.V., die Guido Braun seit sechs Jahren leitet, eine Ausstellung im mittelfränkischen Schloss Atzelsberg organisiert. Man hört Guido Braun die Vorfreude richtig an: "Das barocke Schloss bietet eine bezaubernde Kulisse für die 70 schönsten Bonsais aus ganz Bayern, die zum Teil über 100 Jahre alt sind."
Wer wissen möchte, warum man für Nadelbäume am besten unglasierte Schalen benutzt, für Laubbäume aber glasierte, der ist im Schloss Atzelsberg genauso richtig wie derjenige, der den Fachleuten ein paar Geheimnisse der Bonsai-Pflege und -Gestaltung entlocken möchte. Und natürlich sind all jene willkommen, die einfach einmal eintauchen möchten in die faszinierende Miniatur-Welt. Aber Vorsicht: Wie Guido Braun am eigenen Leib erfahren hat, kann aus dem ersten Blick leicht eine Liebe fürs Leben werden.
INFO:
Ausstellung Die schönsten Bonsais aus Bayern werden am Samstag und Sonntag, 24. und 25. Oktober, im Schloss Atzelsberg zwischen Forchheim und Erlangen präsentiert. Die Bonsaifreunde Franken e.V. laden anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens alle Bonsai-Begeisterten ein, auf den drei Etagen des barocken Schlosses die Welt der Mini-Bäume zu erleben und das Angebot von nationalen und internationalen Bonsai-Händlern in der Schlossscheune zu begutachten. Zudem gibt es ganztägig Gestaltungsvorführungen. Eröffnet wird die Ausstellung am Samstag um 10 Uhr.
Treffen Die Bonsaifreunde Franken e.V. laden jeden zweiten Donnerstag im Monat in die Gaststätte Kirchberger im Fürther Ortsteil Sack ein. Aus ganz Franken reisen Bonsai-Interessierte an. Die Mehrheit der 37 Mitglieder kommt aus Mittelfranken, aber auch Ober- und Unterfranken sind vertreten.
Informationen Nähere Infos gibt es bei Guido Braun, dem Vorsitzenden der Bonsaifreunde Franken und des Regionalverbandes Bayern, per Mail unter guido.braun@tele2.de oder im Internet: bonsaifreunde-franken.de