Milchquote läuft aus: Was sich für Bauern und Verbraucher ändert
Autor: Sarah Seewald
Herzogenreuth, Montag, 23. März 2015
Nach 30 Jahren läuft die Milchquote in Europa aus. Damit darf jeder Milchbauer wieder so viel Milch produzieren, wie er möchte. Die 72 Kühe vom Betrieb Kraus aus Herzogenreuth in der Fränkischen Schweiz werden deshalb aber nicht mehr Milch abgeben.
"Das ist Linda, das ist Fanta....", Eva Kraus kennt sie alle: 72 Milchkühe, 63 Jungtiere und mit dem heutigen Tag 16 Kälber hören auf ihr Rufen, und auf das ihres Mannes Walter sowie ihrer Söhne Bernhard und Matthias. Täglich kann ein neues Kälbchen auf die Welt kommen. Abgesehen von der Zahl der Kälber wird sich auf dem Milchbauernhof der Familie Kraus aber nicht viel ändern.
Auch nicht, wenn zum 31. März die Milchquote nach 30 Jahren enden wird, und jeder Landwirt wieder so viel Liter Milch produzieren könnte, wie er möchte. In der Realität gibt es für die Bauern andere Schranken: Im Stall, der vor zehn Jahren neu gebaut wurde, hat keine weitere Kuh Platz - und milchleistungsmäßig sind die Kühe eigentlich auch an ihrer Grenze.
Zwei mal täglich werden die Tiere gemolken, 30 Liter Milch gibt eine Kuh durchschnittlich pro Tag. 9000 Liter Milchleistung im Jahr meldet der Betrieb aus Herzogenreuth, einem 160-Seelen-Dorf bei Heiligenstadt in dem gleich fünf weitere Milchbetriebe ansässig sind. Alle zwei Tage kommt ein Milchauto vom Milchhof Albert aus Scheßlitz und leert den 3800 Liter-Tank der Familie Kraus. Ein Liter Milch hat nach der deutschen Milchgüteverordnung ein Gewicht von 1,02 Kilogramm.
Gehegt und gepflegt
Im Jahr 1950 lag die durchschnittliche Milchleistung einer Kuh bei 1818 Kilogramm im Jahr, vor 15 Jahren bei 5403 Kilogramm und 2013 meldete der bayerische Agrarbericht einen Durchschnittsertrag von 6513 Kilogramm je Kuh und Jahr. "Die Milchkuh ist wie ein Spitzensportler", sagt Werner Nützel, Geschäftsführer Bauernverband (BBV) Bamberg-Forchheim.
Mit dem richtigen Kraftfutter und Gummimatten auf dem Boden - eben so wie bei Familie Kraus im neuen Laufstall - wird für die Kuh "alles gemacht". Und: So viel Milch rausgeholt, wie "die Gesundheit verkraftet", erklärt Walter Kraus. Denn: "Die Hochleistungskuh muss ausgeglichen sein." Nur wenn die Kuh gesund ist, bekommt sie Kälbchen und liefert Spitzenwerte.
Dass die Milchleistung mit den Jahren immer höher wurde, findet Werner Nützel nicht fragwürdig: "Das ist nicht komisch, das ist der züchterische Fortschritt", sagt er. Um eine Überschussproduktion auf dem Milchmarkt zu verhindern, wurde 1984 die europäische Milchquote eingeführt. Aber: "Die Quote hat nicht den erhofften Erfolg gebracht", sagt Nützel. Die Quote konnte weder die Milchkrise im Jahr 2009 verhindern, noch, dass die Zahl der Betriebe weiter sinkt. Von knapp über 150.000 Betrieben im Jahr 1984 überlebten bis 2015 gerade mal 38.270 in Bayern. Im Landkreis Bamberg gibt es insgesamt noch 382 Bauern in der Milchviehaltung. "Der Betrieb der heutzutage stehen bleibt, hat ein riesen Problem", sagt Nützel.
Keine Milchseen
Mit Milchseen und Butterbergen rechnet der Bayerische Bauernverband auch nach Wegfall der einzelbetrieblichen Quote nicht. Zwar wird die Milchproduktion auf den Höfen dann nicht mehr staatlich reguliert, es seien aber andere Faktoren, die ein Mehr an Milch ausbremse. Wer seinen Betrieb vergrößern möchte, braucht nicht nur mehr Tiere und einen größeren Stall. Mehr Vieh bedeutet beispielsweise auch mehr Futter - man rechnet einen Hektar pro Kuh. Die Bauern haben aber nicht mehr Grünflächen zur Verfügung und außerdem mit steigenden Produktions- und Betriebskosten zu kämpfen. So werden zum Beispiel auch für den Landwirt die Sozialabgaben teurer. Für Walter Kraus "ist nicht der Umsatz entscheidend, sondern was unterm Strich an Gewinn rauskommt".
"Das wirtschaftliche Überleben der Milchbauern hängt vom Verbraucher ab", sagt Nützel. Obwohl ein Umdenken in der Bevölkerung spürbar sei, und die Nachfrage nach Milchprodukten zunimmt, appelliert Matthias Kraus: "Dem Verbraucher tut es nicht weh, paar Cent mehr zu zahlen. Für den Erzeuger ist das aber ein großer Betrag." Wie viel die Familie Kraus von der Molkerei Albert für ein Kilogramm Milch bekommt, wird nicht verraten. Bei 32,20 Cent pro Kilogramm lag der Milchpreis aller bayerischen Molkereien im Februar. Damit sei man "ganz einfach an der Grenze", erklärt Nützel. 40 Cent würden sich die Milchbauern wünschen.
Angst vor dem Ende der Milchquote hat die Familie Kraus nicht. Sie werden sich mit dem freien Markt anfreunden müssen, wie an den Erwerb von Quotenanteilen vor 30 Jahren eben auch. "Man gewöhnt sich natürlich auch dran. Und unterm Strich hatte die Quote keine Vorteile für die Milch-Bauern", sagt Nützel.