Familie Bräunig aus Kappel hat in einen neuen Stall investiert, für die nächste Generation. Bei 24 Cent pro Liter Milch - unmöglich!
"Es kann so nicht weitergehen." Margot Bräunig ist keine, die dramatisiert. Obwohl sie wohl allen Grund dazu hätte. Sie und ihre Familie schuften jeden Tag von früh bis abends, nur um dabei auch noch draufzulegen. Im Moment gibt es keine andere Alternative, als jeden Tag weiter zu machen. 240 Rinder können nicht eben mal abgeschaltet und eingefroren werden, bis sich der Markt entspannt. Bei einem Grundpreis von 24 Cent für den Liter Milch können Bräunigs gar nicht anders, als mit Anspannung zu reagieren.
Vor zwei, drei Jahren, da lag der Grundpreis noch bei 37 Cent, nicht üppig, aber ausreichen und so viel, dass man Sohn Steffen gewähren ließ: Er wollte die jahrhundertealte Tradition des Hofes fortsetzen. Ihm gefalle Landwirtschaft, erklärt seine Mutter. Zuerst hatte ihr Ältester einen anderen Beruf gelernt, um dann doch in die Landwirtschaft zurück zu kehren und den Meistertitel zu erwerben.
"Wenn ihm das gefällt."
Freilich habe man auch versucht, es ihm auszureden. Als das nichts half, musste der Betrieb auf eine für die Zukunft tragfähige Basis gestellt werden. Das bedeutete die Aufstockung von 60 Milchkühen auf 130 und der Bau eines neuen Stalls. Eine Millionen-Investition, die Kalkulation auf 20 Jahre und in etwa 34 Cent Grundpreis ausgerichtet. Der Grundpreis erhöht sich noch um Mehrwertsteuer und weitere Boni für besondere Parameter wie Eiweiß-und Fettgehalt. Derzeit erhalten Bräunigs mit Zuschlägen 27,5 Cent für den Liter.
"Ob der Beruf Steffen dann noch lange gefällt, " fragt seine Mutter, wohl eher rhetorisch. Die 130 Milchkühe und deren Nachwuchs ernähren die Familie. Zumindest laut Konzept. Denn im Moment leben die vier Generationen auf dem Hof von den Rücklagen. "Die werden nicht ewig reichen", stellt die 49-Jährige nüchtern fest.
27,5 Cent pro Liter, das ist mehr, als die "Produktion" kostet. Bevor oder damit Milch fließt, fallen Pacht für die Futterflächen an, Geld für zusätzlich gekauftes Futter, Tierarzt, Diesel, Fuhrpark, dessen Instandhaltung, Lohnkosten für vergebene Arbeiten und vieles mehr.
Ein luxuriöses Leben führen Landwirtsfamilien nicht. "Wir fahren nicht groß in Urlaub" und auch Renommier-Fahrzeuge braucht es nicht. "Wir stecken alles in den Hof, das war schon immer so." So hat man vor zwei Jahren auch den großen, neuen und vor allem auch am Tierwohl ausgerichteten Stall gebaut, in dem die Milchkühe frei herumlaufen, auf Komfortmatten liegen, in den Außenbereich wandern oder sich den Buckel bürsten lassen und ihre Kälber auf Stroh gebären. "Der Verbraucher will das so", erklärt die frühere Krankenschwester.
"Aber er will dafür nicht mehr bezahlen."
Wobei die Landwirtin schon glaubt, dass in den Supermärkten auch ein höherer Milchpreis akzeptiert würde. Wie in anderen EU-Ländern. Sie hat von Butterpreisen von 2,40 Euro das Stück gehört. "Alles hängt vom Weltmarkt ab", stellt sie nüchtern fest. Im Handel mit China gab es große Einbrüche, das Embargo gegen Rußland blockiert eine wichtige Absatzschiene.
Die Milchquote hielt sie für kein schlechtes Regulierungsinstrument. Aber jetzt. "Lange kann das nicht mehr so weiter gehen.
Das stellt auch Robert Firsching aus dem benachbarten Burgwindheim fest. Der 23-Jährige hat sich eigens zum Agraringenieur ausbilden lassen, um einmal den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Landwirte sind Firschings "seit Urzeiten", so Roberts Vater Georg (58), der den Hof nun gemeinsam mit dem Sohn bewirtschaftet.
Im Jahr 2000 wurde der ausgesiedelte Laufstall mit 80 Milchkühen bezogen.
Der sollte eigentlich auch Roberts Generation tragen, der Ertrag einmal ihn und seine künftige Familie ernähren. Sollte. "Der Tiefpunkt ist noch nicht erreicht", schätzt der Agraringenieur die Preissituation ein. Er werde wohl noch unter 20 Cent fallen, vermutet er. Existenzielle Fragen also. "Ich bin in der Zwickmühle", formuliert er seine Situation. "Ich habe Landwirtschaft studiert, um den Hof zu übernehmen." Was nun? Robert Firsching hat keine Antwort. Er wird wohl bald eine finden müssen. Zum Glück habe man im Moment wenigstens nicht groß investiert, tröstet er sich. Er meint in Erweiterung. Aber bei den Maschinen stehen immer Investitionen an. Da darf es keinen Stillstand geben; ebenso wenig wie im Kuhstall. Da geht der Tag von halb sieben früh bis halb acht abends, oder noch länger, wenn Kalbungen anstehen.
Sieben Tage die Woche Betrieb.
Hilflos und ausgeliefert
Dass die Bauern möglicherweise eine Hilfe von 70 Millionen bekommen, kann Margot Bräunig nicht wirklich freuen. Das wären für jeden der 74 000 deutschen Milchbauern 936,30 Euro. Ein Tropfen auf den heißen Stein. "Wir fühlen uns so hilflos, so ausgeliefert, das macht einem zu schaffen."
Hätte sie Rußland nicht vor den Kopf gestoßen, dann könnten unsere Bauern auch weiterhin ihre überzählige Milch dort hin exportieren. Daran hat wohl noch keiner gedacht.
Jetzt werden schon wieder 100 Millionen von unseren Steuern sinnlos ausgegeben. Man faßt es nicht.
Aber bei den vielen Flüchtlingsmilliarden kommt es ihr auch nicht mehr auf den Klacks an.
Vorweg: Man darf nicht alle Schuld auf Frau Bundeskanzlerin Merkel schieben; sie wirkt auch nur ab und zu als Marionette wie auch andere Präsidenten der EU und global.
Der Sinkflug der Milchpreise begann schon vor Putins Boykott im Jahre 2014. Der zum Entsetzen der Landwirte auch mithalf, dass Aldi, Lidl oder Rewe ein Päckchen Butter nun für 85 Cent statt für 99 Cent anbieten können, hat laut der FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations - zu deutsch: Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) auch mit dem Importstopp zu tun. Molkereiprodukte wurden im August 2014 um elf Prozent günstiger.
Was deutsche Bauern angeht, geben diese jedoch zu, dass sie ihre Kühe zu viel Milch produzieren lassen. „Wir produzieren aktuell definitiv mehr, als der Markt verträgt“, sagte Peter Guhl, der Vorsitzende der Erzeugerorganisation MEG Milch Board, dem Branchendienst Agrar Europe. Der Kilopreis ging vom Rekordhoch von 40 Cent am Jahresbeginn auf 36 Cent zurück!
Große Milchviehbetriebe sahen die Quoten stets als Hindernis. Wer mehr produzieren wollte, musste zunächst einmal teuer Kontingente zukaufen oder pachten. Investitionswillige Landwirte schimpften auf die sogenannten "Sofamelker": Milchbauern, die die Quote nicht mehr brauchten und ihr Lieferrecht teuer verkauften oder weiter verpachteten.
Selbst der Deutsche Bauernverband unterstütze das Ende der Milchquote; im Jahre 2007 stimmten dreiviertel der Delegierten auf den Deutschen Bauerntag für die Abschaffung der
Milchquoten. Im Gegenzug stemmten sich kleinere Betriebe aus Bayern und Hessen gegen diese Abschaffung; doch ihr Protest hatte keinen Erfolg.
Und jetzt jammern alle, selbst der Deutsche Bauernverband hält Krisensitzung; gäbe es alles nicht, wenn die Milchquoten, wie in den vergangenen 30 Jahren seit der Einführung 1984, aufrecht geblieben wären!
Und wenn das Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTip) vertraglich abgeschlossen ist, gehts uns Allen noch beschissener!
fehlt der russische Absatzmarkt und würde die Subvention zumindest niedriger halte.
Subvention ist keine freie Marktwirtschaft, und das muß aufhören, weil ungerecht.
Ihr letzter Satz ist allerdings sehr wahr, aber das kapieren die Politiker nicht.