Menschen und Hunde gequält - Demenzkranker schuldunfähig
Autor: Gertrud Glössner-Möschk
Bamberg, Dienstag, 19. November 2013
Ein 53-Jähriger aus Bischberg hat mehrere Körperverletzungen begangen, gestohlen, seine Hunde hungern lassen und einen davon mit einem angespitzten Stachelhalsband malträtiert. Der Mann wird als schuldunfähig angesehen.
Roland M. (53 Jahre, Name von der Redaktion geändert) erkennt das Gesicht von Jörg Händler. Dass der Rechtsanwalt aber sein Verteidiger ist, scheint er nicht mehr zu wissen. M. leidet unter einer hochgradigen demenziellen Störung. Mit unbewegtem Ausdruck, in dem man nur manchmal ein unbestimmtes Lächeln zu erkennen glaubt, folgt er der Verlesung von drei so genannten Antragsschriften, über die seit Dienstag die Zweite Strafkammer am Landgericht Bamberg verhandeln muss.
Der Inhalt hat es in sich: vollendete und/oder versuchte Fälle von Körperverletzung, Nötigung, Beleidigung, Diebstahl, Sachbeschädigung sowie gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Dazu, gewissermaßen als unrühmliche Krönung seiner kriminellen Karriere, zwei Verstöße gegen das Tierschutzgesetz.
Keine Reaktion
Im November 2012 waren die Veterinäre des Landratsamtes von Nachbarn auf zwei abgemagerte Schäferhunde in einem Bischberger Anwesen aufmerksam gemacht worden. Bei mehreren Besuchen durch die Tierärzte wurde Roland M. nicht angetroffen; auf die schriftliche Aufforderung, einen Fütterungsplan zu erstellen und die Hunde in einer Tierarztpraxis vorzustellen, reagierte er nicht. Erst, als Roland M. am 14. Januar wegen anderer Delikte verhaftet wurde, konnte die Behörde die Tiere auf Bitten der Familie in Gewahrsam nehmen. Und erst zu diesem Zeitpunkt wurde festgestellt, dass der jüngere der beiden Rüden, der etwa zwei Jahre alte Eddy ein Stachelband um den Hals trug, das bis dahin nicht sichtbar gewesen war.
An dem Halsband waren sieben der acht nach innen gerichteten Stachelpaare spitz angeschliffen. Der Hund muss damit über Wochen gequält worden sein, denn die Stacheln waren schon in die Haut eingewachsen. Beide Tiere waren nach Aussage der Amtstierärztin, die als erste Zeugin vernommen wurde, so stark abgemagert, dass trotz des dicken Winterfells die Rippen und die Dornfortsätze der Wirbelsäule gut zu erkennen waren. Der ältere Hund, der auf elf Jahre geschätzt wird, litt unter hochgradiger Verstopfung. Nur dank der sofortigen Behandlung in der Tierklinik wurden beide Tiere gerettet. Die Hunde konnten an neue Besitzer vermittelt werden und befinden sich nach Angaben der Tierärztin in guten Händen.
Fünf oder sechs Reifen kaputt
Unter Roland M. mussten aber nicht nur Tiere, sondern auch Menschen leiden: Über Monate hinweg fanden Nachbarn immer wieder Nägel und Schrauben unter und in ihren Autoreifen, manchmal mehrmals in der Woche. Einer der Geschädigten musste fünf oder sechs Reifen reparieren lassen. Zwei Mal hatte er während der Fahrt einen Platten. Nur mit großem Glück gingen die Unfälle glimpflich ab.
Weshalb sich sein einst so netter Nachbar Roland M., vom Freund zum Feind gewandelt hat, konnte sich dieser Zeuge nicht erklären. Er vermochte nur zu beschreiben, wie die Verwandlung vor sich ging: Eines Tages schlug Roland M. ohne ersichtlichen Grund mit einer Wasserflasche auf ihn ein. Später klaute er einen leeren Getränkekasten von seinem Grundstück und schließlich kam die Sache mit den Nägeln.
Hundeausbilder mit Meistertitel
Über M.s Umgang mit den Hunden konnte der Nachbar nicht viel sagen. Er wusste aber, dass M. als Hundeausbilder in einem Hundesportverein im Landkreis Bamberg aktiv war und den Titel eines Vize-Europameisters errungen hat. "Bei dem daheim stand ein Riesen-Pokal."
Für Polizei und Justiz begann die Serie der Auffälligkeiten am 27. September 2011. An diesem Tag war M. mit einem der Hunde am Leinritt in Bischberg spazieren gewesen. Als sein Hund einen Radfahrer zu Fall brachte, der sich bei dem Sturz einige Schürfwunden zuzog, weigerte er sich nicht nur, seine Personalien anzugeben: Er setzte sich ans Steuer seines Autos und überrollte den Fuß des Mannes, als dieser sich ihm in den Weg stellen wollte. Im Juni 2012 nahm er auf dem Gelände seines Hundesportvereins einen 13-Jährigen in den Schwitzkasten und schickte sich an, den Jungen in eine Hundebox zu sperren. Im August stahl er ein Handy, und in der Zeit zwischen März 2012 und Anfang 2013 legte er die Nägel unter die Autos einer Nachbarn.
Opfer seiner zunehmenden Aggressivität wurden nach seiner Verhaftung mehrere Pfleger im Bayreuther Bezirksklinikum. Einen nahm er in den Schwitzkasten und biss ihn in den Unterarm, einem anderen brach er die Hand. M. musste schließlich aus Bayreuth entfernt werden. Heute ist er in Straubing untergebracht. Über die familiären Verhältnisse des Roland M. waren am ersten Verhandlungstag nur Bruchstücke zu erfahren, da er selbst keine Angaben machte beziehungsweise machen konnte. Er soll noch verheiratet sein, in Scheidung leben und zwei Kinder haben. In früheren Jahren soll er einen Handwerksberuf ausgeübt haben.
Von den Nachbarn wurde er als lebenslustiger und unternehmungslustiger Mann geschildert, mit dem es nie Streit gegeben habe. Heute allerdings sitze Roland M. "nur noch wie ein Häufchen Elend da", sagte sein ehemaliger Nachbar, als er ihn im Gerichtssaal sah und vom Vorsitzenden Richter Manfred Schmidt gefragt wurde, ob und wie sich M. verändert habe.
Ob M. überhaupt mitbekommt, dass er in einem Gerichtssaal sitzt, ist unklar. Klar ist nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aber, dass er die Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat und für die Allgemeinheit gefährlich ist. Die Verhandlung wird am Donnerstag mit der Anhörung des psychiatrischen Gutachters fortgesetzt.