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Melanie Huml: "Wir müssen zeigen, wie wertvoll uns Pflegeberufe sind"


Autor: Stefan Fößel

Bamberg, Dienstag, 03. April 2018

Melanie Huml wurde erneut zur Gesundheits- und Pflegeministerin berufen. Sie will weiter für Pflegeberufe werben und sich für mehr Landärzte einsetzen.
Die Bambergerin Melanie Huml wurde bereits zum vierten Mal  in ein bayerisches Kabinett berufen. Foto: Matthias Hoch


Auch unter Ministerpräsident Markus Söder bleibt Melanie Huml Gesundheits- und Pflegeministerin. Im Gespräch mit unserer Zeitung verrät sie, was ihre wichtigsten Ziele für die kommenden Jahre sind und was sie als Ministerin für ihre Heimatstadt Bamberg tun kann.

Sie galten für viele auch unter Markus Söder als Kabinettsmitglied gesetzt. Weshalb konnten Sie sich sicherer sein als andere Minister?
Im Grunde genommen kann man sich bei Kabinettsbildungen eigentlich nie sicher sein. Das haben wir jetzt auch gemerkt, sehr viele Ministerien wurden personell oder strukturell verändert. Nur das Justiz- und unser Gesundheits- und Pflegeministerium sind im Grunde gleich geblieben. Das zeigt, dass Markus Söder mit dem Zuschnitt und mit meiner Arbeit der letzten Jahre zufrieden ist. Unsere Themen haben sich so etabliert, dass er mit diesem Ministerium und mit mir als Ministerin weiterarbeiten wollte. Darüber freue ich mich natürlich.

Was wird sich im Kabinett Söder für Sie ändern?
Der Ministerpräsident wird unsere Themen weiter fordern, im positiven Sinn. Es geht sehr stark um Sicherheit und Soziales. In der ersten Kabinettssitzung stand das Thema Sicherheit im Fokus, nach Ostern wird es um Gesundheit und Pflege gehen. Wobei die Sicherheit ja viele Aspekte hat, zum Beispiel auch, wie sicher man sich im Alter fühlen kann. Die Kabinettssitzungen scheinen etwas kürzer zu werden, Markus Söder möchte auch mehr Schwerpunkt-Kabinettssitzungen. In der ersten Sitzung hat die Freude bei allen überwogen, dabei zu sein.

Zugleich werfen die Landtagswahlen im Herbst bereits ihren Schatten voraus. Was kann die CSU bis dahin reißen?
Für Prognosen ist es zu früh, wir müssen nun erst einmal als neue Regierung richtig mit der Arbeit beginnen. Wir werden sicher nicht die üblichen 100 Tage "Schonfrist" haben, weil in 200 Tagen bereits Wahlen sind. Insgesamt steht Bayern ja in vielen Bereichen gut da, aber das kommt noch nicht bei allen an. Hier müssen wir schauen, um welche Gruppen, zum Beispiel Alleinerziehende, wir uns noch gezielter kümmern müssen. Markus Söder ist es wichtig, dass wir dann auch handeln, in die Umsetzung gehen. Es wird ein engagierter Wahlkampf sein, aber zunächst einmal müssen wir arbeiten.

Was sind Ihre wichtigsten Ziele für die kommenden Jahren?
Im Pflegebereich wollen wir ein Landesamt gründen, um einiges besser bündeln und vor Ort aufnehmen zu können. Wir wollen ein bayerisches Landespflegegeld auf den Weg bringen. Die Versorgung im ambulanten Bereich, Tages- und Kurzzeitpflege, ist mir ein großes Anliegen, um Pflegende zuhause zu entlasten. Wir brauchen Ärzte, die bereit sind, in die Versorgung zu gehen, ob im Krankenhaus oder in der niedergelassenen Praxis. Den Bereich Hospiz und Palliativ müssen wir noch mehr ausbauen, auch wenn Bamberg da schon ganz gut dasteht.
In Krankenhäuser werden wir weiter investieren; dank des Nachtragshaushalts werden uns in diesem Jahr 643 Mio. Euro für die bayerischen Krankenhäuser zur Verfügung stehen. Aber das Geld brauchen wir auch, wenn ich sehe was sich allein schon in Oberfranken, in Bamberg, Lichtenfels, Kulmbach oder Bayreuth, tut. Schließlich werden wir auch im Sinne der flächendeckenden Geburtshilfeversorgung tätig. Mit jährlich insgesamt 30 Millionen Euro werden wir Landkreise und kreisfreie Städte bei der Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrags im Bereich der Geburtshilfe und der Hebammenversorgung unterstützen.

Sie haben versprochen, sich für die Entlastung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen einzusetzen. Welche konkreten Schritte werden dafür unternommen?
Das Landespflegegeld werde ich nach Ostern in einer Kabinettssitzung thematisieren. Es soll in Bayern Lebenden, bei denen mindestens Pflegegrad 2 festgestellt wurde, noch mehr helfen. Sie sollen einen bestimmten Betrag zur Verfügung gestellt bekommen, um zum Beispiel ihren Angehörigen etwas zu geben oder die eine oder andere Dienstleistung nutzen zu können. Was die Summe angeht, sind wir momentan noch in den Abstimmungen. Das Ganze soll so unbürokratisch wie möglich sein, die Auszahlung soll zügig organisiert werden. Wenn es Bayern schon als Staat so gut geht, sollen auch die Menschen etwas zurückbekommen. Beim Ausbau der Kurzzeit- und Tagespflege müssen wir auch dranbleiben, da brauchen wir in Zukunft auch mehr. Für die Kurzzeitpflege legen wir derzeit ein Förderprogramm auf, wie wir es für die Tagespflege bereits getan haben. Wenn Angehörige mal fünf Tage wegwollen, bedürfen sie einer langfristigen Zusage des Heims. Im Bereich Pflege haben wir auf Bundesebene durchgesetzt, dass auf das Einkommen der Kinder pflegebedürftiger Eltern künftig erst ab einem Einkommen von 100.000 Euro im Jahr zurückgegriffen werden soll.

Zu Ihren Zielen zählt die Sicherung der medizinischen Versorgung auf dem Land. Wie wird an der Verwirklichung dieses Zieles weitergearbeitet?
Wir konnten erreichen, dass die Zahlen der Facharztprüfungen für Hausärzte wieder etwas gestiegen sind. Da bleiben wir weiter dran. Wir haben das Förderprogramm, 60.000 Euro für die Niederlassung, erst für Hausärzte aufgelegt, dann auf Fachärzte und Psychotherapeuten ausgedehnt. Und wir haben ein Stipendium für Medizin-Studierende, 600 Euro im Monat. Dafür müssen sie dann fünf Jahre ihre Facharzt-Ausbildung im ländlichen Raum absolvieren und sich im Anschluss weitere fünf Jahre hier in einer Klinik oder Praxis niederlassen. Wir brauchen noch mehr Lehrkrankenhäuser. Bamberg bleibt Lehrkrankenhaus der Uni Erlangen, das bringt immer wieder junge Ärzte, von denen einige auch bleiben wollen.

In Pflegeberufen herrscht Fachkräftemangel. Wie können noch mehr Menschen für diese wichtigen Berufe begeistert werden, trotz extrem hoher Belastungen?
Mit dem Pflegeberufegesetz werden die Pflegeberufe attraktiver gestaltet und noch mehr Möglichkeiten für berufliche Weiterentwicklung geschaffen. In Bamberg bilden wir auch schon sehr erfolgreich Generalisten aus. Jens Spahn hat auf Bundesebene jetzt den Entwurf einer Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe vorgelegt. Diese muss jetzt zügig verabschiedet werden.
Wir müssen zeigen, wie wertvoll uns diese Berufe sind - dazu gehört auch, dass Tarif bezahlt wird. Laut Pflegeversicherungsgesetz darf Tariflohn nicht aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit abgelehnt werden. Wir müssen noch mehr für den Beruf werben, durch eine Kampagne haben wir die Schülerzahlen in der Altenpflege um 34 Prozent steigern können. Wir wollen den Zugang in den Pflegeberuf nicht noch erschweren, wir wollen ja möglichst viele in den Beruf bekommen. Es muss zusätzlich mehr Möglichkeiten der Akademisierung der Pflege, etwa für ein duales Studium, geben.


Was könnte man noch für die Beschäftigten tun, die von den Rahmenbedingungen aufgerieben werden, weil sie zum Beispiel ständig einspringen müssen?
Es ist gut, dass bereits viele Häuser auf betriebliches Gesundheitsmanagement setzen. Wenn mal ein Wochenende frei ist, dann sollte das auch frei bleiben. Da habe ich als Ministerin keinen Einfluss drauf, aber es gibt bereits einige Träger, die das vertraglich festlegen, um als Arbeitgeber attraktiver zu werden. In Heimen müssen wir auf die Einhaltung der Nachtdienstschlüssel achten. Es kann nicht sein, dass eine Kraft für 90 Leute verantwortlich ist.

Der demografische Wandel sorgt für immer mehr Kranke und Pflegebedürftige. Können wir dem auch in Zukunft gerecht werden?
Erfreulicherweise hat der Seniorengesundheitsbericht in der vergangenen Woche gezeigt, dass die 65- bis 80-Jährigen zum großen Teil doch auch sehr gesund sind. Zumindest so fit, dass sie sich recht gut selbst versorgen können. Aber es ist richtig: Je älter wir werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir auch pflegebedürftig werden. Deshalb setze ich mich unter anderem auch für digitale Unterstützungen ein, intelligente Systeme können zuhause helfen und unterstützen. Dass zum Beispiel das Licht angeht, sobald jemand aufsteht. Da haben wir in Bayern einige Modellversuche, auch für altersgerechtes Wohnumfeld. Da müssen wir noch mehr Möglichkeiten nutzen und auch die älteren Menschen dazu bringen, sie zu nutzen. Daneben werben wir natürlich weiter für Pflegekräfte.

Was können Sie als Ministerin für ihre Heimatstadt bewegen?
Wir haben am Klinikum geschaut, dass es im baulichen Bereich zügig vorangeht. Den vierten Bettenturm brauchen wir, weil inzwischen bayernweit ein Zwei-Bett-Zimmer-Standard gilt, den hatten wir hier nicht. Außerdem bestand insgesamt mehr Platzbedarf. Einige Digitalisierungsprojekte lassen sich sicher auch in der Region verwirklichen. Und das Medical Valley soll von Erlangen über Forchheim bis nach Bamberg weiterwachsen. Neben dem Digitalen Gründerzentrum soll ja auch das Anwenderzentrum Gesundheitswirtschaft nach Bamberg kommen, dafür hat das Wirtschaftsministerium rund 13 Millionen Euro eingeplant. Wir brauchen noch mehr Arbeitsplätze in Bamberg, die sich mit Themen der Zukunft beschäftigen können. Und das trifft auf den Gesundheitsbereich auf jeden Fall zu.