Mega-Gau: Was, wenn die Mama ausfällt?
Autor: Anette Schreiber
Gräfenhäusling, Freitag, 10. April 2015
Die Mama ist ein Multi-Tasker, Dreh- und Angelpunkt in ihrer Familie. Doch was, wenn sie ausfällt, länger oder wirklich langfristig? Dann gibt es die Möglichkeit, sich über Barbara Schramm Hilfe organisieren zu lassen.
Seit knapp fünf Jahren sorgt Barbara Schramm für Mutter-Ersatz. Das tut sie als Einsatzleitung beim Familien- pflegewerk. 20 Stunden wöchentlich macht sie diesen Job in der Station in Gräfenhäusling. Offiziell. Inoffiziell sind es weitaus mehr Stunden. Aber die verbucht die gelernte Arzthelferin als ihren eigenen sozialen Beitrag. "Wenn jemand sich aussprechen muss, kann ich nicht auf meine Stunden schauen."
Seit 2010 ist die Gräfenhäuslingerin für das Familienpflegewerk des Katholischen Deutschen Frauenbundes (dKDFB) aktiv. Dabei hat sie auch ihre Beobachtungen gemacht: Waren es anfangs unter zehn Prozent der Einsätze im Zusammenhang mit einer Krebs erkrankung, so sind es zwischenzeitlich bereits an die 25 Prozent.
"Tendenz steigend."
Ein besonders schwieriges Gebiet für die Betroffenen: Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Leistungen der Familienpflege während der Zeit, in der die Mutter oder bei allein erziehenden Männern, der Vater im Krankenhaus ist. Nach der Entlassung tut das nur ein Teil der Kassen. Eine schwierige Situation. Denn Barbara Schramm hat die Gräfenhäuslingerin die Erfahrung gemacht, dass sich der Erkrankte besser auf seine Therapie oder Genesung konzentrieren kann, je besser er die Familie versorgt weiß.
Auch deswegen muss Barbara Schramm hartnäckig sein. "Es ist schlimm genug, wenn eine Erkrankung die Familie trifft. Dann soll sie sich nicht auch noch mit der Krankenkasse herumstreiten müssen."
Der Stützpunkt des Familienpflegewerks dKDFB in Gräfenhäusling ist übrigens der einzige in Nordbayern. Die restlichen 19 liegen allesamt in Südbayern. Von Gräfenhäusling aus managt Barbara Schramm die Einsätze für Bamberg Stadt und Landkreis, für Lichtenfels Stadt und Landkreis, in Forchheim sowie in der Stadt Nürnberg. Dafür steht ihr ein Stab von derzeit sieben und in Kürze acht Mitarbeiterinnen im Alter von 23 bis 52 Jahren zur Verfügung. Alle sind fest angestellt, in Teilzeit (ab fünf Stunden) und in Vollzeit (35 Stunden). Da sich die Einsätze schlecht genau planen lassen, läuft alles über ein Arbeitszeitkonto. Das Familienpflegewerk kostet eine Einsatzstunde 35 Euro. Von der Krankenkasse bekommt man 24 erstattet, die Pflegerin selbst um die 25 Euro.
Oftmals setzen die Krankenkassen auf günstigere Aushilfskräfte. Das sei in von schweren Krankheiten und insbesondere in von Krebs betroffenen Familien eher kontraproduktiv, findet Barbara Schramm: Gerade hier sei psychologisch geschultes Personal wichtig. Familienpflegerinnen haben in der Regel abgeschlossene Ausbildungen als Kinderpflegerin und Erzieherin, auf die eine weitere, zweijährige Ausbildung mit staatlichem Abschluss draufgesetzt wird. Schwerpunkt ist hier die Vermittlung von Rüstzeug für psychologische Hilfestellung. "Das wird oft unterschätzt, ist aber in Familien mit Krebs oft ganz entscheidend," so die 42-Jährige weiter. Denn Schramms Mitarbeiterinnen versuchen auch, die meist aus der Bahn geworfenen Familienein Stück weit aufzufangen. Zuhören spielt eine wichtige Rolle. "Es herrscht Schweigepflicht, so dass nichts nach außen getragen wird", führt die Einsatzleiterin dazu aus. Weil derartige Einsätze auch die Mitarbeiterinnen psychisch belasten, erhalten sie Supervisionen, zusätzlich zu den regulären Fortbildungen.
Aufgrund der Mundpropaganda unter den Krebskranken wird das Familienpflegewerk immer mehr in derartigen Fällen in Anspruch genommen. "Gott sei Dank", und da atmet Barbara Schramm ganz deutlich auf, habe es während ihrer Einsatzleitungszeit nur zwei Fälle gegeben, wo die Mutter verstarb. Eine ganz furchtbare Zeit, weil mit dem Tod auch die Verpflichtung der Kasse endet, den Mutter-Ersatz zu finanzieren. Wenn dann noch die Mitarbeiterin des Familienpflegewerks alles hinwerfen würde. Unvorstellbar. Diese finanziellen Lücken versucht man dann mit der Hilfe von Spenden zu überbrücken.Das Familienpflegewerk ist ein eingetragener Verein und so bilden Spenden eine wichtige Säule für die Arbeit.
Man merkt, in diesem Bereich läuft vieles, was nicht abgerechnet wird. Weil sie jede Menge chicksale hautnah mitbekommt, ist Barbara Schramm mit ihrem eigenen Leben umso zufriedener - und engagiert sich über den Job hinaus. "Ich danke meinem Herrgott, dass ich gesund bin." Dafür freut es sie auch besonders, wenn sich eine Familie nach überstandener Krankheit meldet, sich bedankt, dass alles so gut geklappt hat. "Das ist für mich immer am schönsten."
Zahlen des Familienpflegewerks zu Krebserkrankungen:
Derzeit erkranken jedes Jahr rund 500.000 Menschen in Deutschland neu an Krebs, 221.000 Menschen sterben jährlich daran. Auf Grund der demografischen Entwicklung ist zwischen 2010 und 2030 mit einem Anstieg der Krebsneuerkrankungen um gut 20 Prozent zu rechnen.
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung und die dritthäufigste Todesursache bei Männern in Deutschland. In den letzten Jahren ist die Zahl der Neuerkrankungen stetig gestiegen und wird für das Jahr 2014 auf 70.100 geschätzt.
Mit schätzungsweise 75.200 Neuerkrankungen im Jahr ist Brustkrebs die mit Abstand häufigste Krebserkrankung der Frau. Etwa eine von acht Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Jede vierte betroffene Frau ist bei der Diagnosestellung jünger als 55 Jahre, jede zehnte unter 45 Jahre alt.
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 1.800 Kinder neu an Krebs. Diese Zahl ist seit vielen Jahren konstant. Leukämien machen mehr als ein Drittel aller Krebserkrankungen bei unter 15-Jährigen aus.
Insgesamt liegt der Anteil krebskranker Kinder an allen Krebskranken unter ein Prozent. Jedoch sind bösartige Neubildungen bei Kindern die zweithäufigste Todesursache.
Spendenkonto des Familienpflegewerks:
Liga Bank. IBAN: DE64 7509 0300 0009 0464 53. BIC: GENODEF1M05