Massenhafter Datenmissbrauch? Staatsanwaltschaft ermittelt im Rathaus Bamberg
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Mittwoch, 08. Juli 2020
Die Staatsanwaltschaft Coburg ermittelt im Bamberger Rathaus wegen des Verdachts auf unerlaubte Datenherausgabe. Anlass ist ein Wahlkampfbrief der SPD.
Der Wahlkampf im Februar und März 2020 scheint Lichtjahre entfernt zu sein - nach monatelangem Corona-Lockdown und quälend langsamer Fraktionsbildung im Bamberger Rathaus. Und dennoch holt das Ringen um die Mehrheit im Stadtrat die Verwaltung wieder ein. Die Staatsanwaltschaft Coburg ermittelt im Bamberger Rathaus seit einigen Wochen "gegen verantwortliche Personen" wegen des Verdachts auf Verletzung des Datenschutzes. Das Verfahren war von der Bamberger Staatsanwaltschaft wie üblich in vergleichbaren Fällen abgegeben worden.
Noch liegt kein Ergebnis der Untersuchungen vor, noch ist nicht klar, ob, inwieweit und mit welchem Motiv Gesetze verletzt wurden. Dennoch scheint der Sachverhalt eindeutig: Die Stadt hat Daten aus dem Bundesmelderegister weitergegeben, die die Nationalität der betreffenden Personen deutlich machen und damit über das hinausgehen, was das Bundesmeldegesetz zulässt. Leitender Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb stellt dazu fest, dass "eine Herausgabe von Daten in solchem Umfang nicht erlaubt ist".
Ermittlungen im Bamberger Rathaus: Datenmissbrauch bei Wahlkampfbrief?
Grund für das Einschreiten der Verfolgungsbehörde ist ein Serienbrief der Bamberger SPD, der im Frühjahr an mehrere tausend Bürger Bambergs mit Migrationshintergrund verschickt worden war. Das Schreiben mit Bild und Unterschrift von Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) und Marco Depietri, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Beirats für Migration und Integration (MIB), richtete sich in insgesamt sieben Sprachen an alle Bürger, die "Bamberg als neue Heimat ausgewählt haben... und die möchten, dass Bamberg tolerant, gastfreundlich und kosmopolitisch bleibt".
Die Wahlempfehlung für OB Starke und die auf Liste 5 stehenden Stadtratsvorschläge der SPD war bereits im Februar und März umstritten. Neben Vorwürfen, dass OB-Bewerber Starke und Stadtrats-Kandidat Marco Depietri in ihren Funktionen als OB und als stellvertretender Vorsitzender des MIB Wahlwerbung machten, wurde die Frage aufgeworfen, ob die Herausgabe der Adress- und Personendaten vom Bundesmeldegesetz gedeckt ist. Thomas Lehmann, Chef der Bundespolizeischule in Bamberg und auf der CSU-Liste auf Platz 18 positioniert, hatte damals erhebliche Zweifel daran formuliert. Zusammen mit seiner aus Polen stammenden Frau erstattete er deshalb Anzeige wegen des Verdachts auf einen Verstoß gegen den Datenschutz - eine Straftat.
Lehmann sieht sich in seiner Einschätzung zwischenzeitlich von höchster Instanz im Freistaat bestätigt: So habe der Landesdatenschutzbeauftragte den Vorgang geprüft und sei zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, dass die Herausgabe der Nationalitäten durch die Stadt rechtswidrig gewesen sei.
Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt - Stadt Bamberg bezieht bisher keine Stellung
Auch der Stadt Bamberg liegt das Fazit des Datenschutzexperten seit mehreren Wochen vor. Auf Anfrage des FT teilt die Stadtverwaltung jedoch lediglich mit, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet habe. Am 29. Mai sei eine Durchsuchung im Rathaus durchgeführt worden. Da es sich um ein laufendes Verfahren handele, könne die Stadt Bamberg zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine inhaltliche Stellungnahme abgeben.
Vor vier Monaten noch hatte sich die Stadt nicht solcher Zurückhaltung befleißigt. Damals wiesen die Bamberger Stadtverwaltung und die Sozialdemokraten jedes Unrechtsbewusstsein von sich. Mit dem Schreiben habe die SPD vor allem jene Mitbürger erreichen wollen, die über ihr Wahlrecht recht häufig gar nicht Bescheid wüssten, verteidigte Cornelia Daig-Kastura, Leiterin der SPD-Kreisgeschäftsstelle, den Massenbrief. Sie räumte ein, dass ein vergleichbares Schreiben bereits vor sechs Jahren an den gleichen Empfängerkreis herausgegeben worden sei.