Männerschlagen verboten!
Autor: Gertrud Glössner-Möschk
Bamberg, Mittwoch, 17. Februar 2016
Richter Peter Neller hat vor 20 syrischen Asylbewerbern den ersten Rechtsbildungsunterricht gegeben.
"Ich möchte zu den Ereignissen in Köln ein Wort sagen: Wir alle hier in diesem Saal verurteilen, was in Köln passiert ist und lehnen diese Taten ab. Wir bedanken uns für den Empfang, den das deutsche Volk uns bereitet hat." Das sind - in bestem Deutsch vorgetragen - die Worte eines Asylbewerbers, der in Bamberg lebt, und der betont, wie er und seine Landsleute Angst davor hatten, nach den Übergriffen in der Silvesternacht überhaupt noch auf die Straße zu gehen.
Abendländische Werte
Der Mann ist einer von rund 20 Asylbewerbern aus Syrien, für die es am Dienstag nach dem Deutschunterricht in den Räumen des Awo-Migrationsdienstes in den Theatergassen ein besonderes Angebot gab: 90 Minuten Rechtsbildungsunterricht.
Wie funktioniert unsere Demokratie? Welche sind die wichtigsten Säulen des Grundgesetzes? Wie weit gehen Religionsfreiheit, Erziehungsfreiheit und Meinungsfreiheit? Was muss man bei Vertragsabschlüssen beachten? Was passiert, wenn man straffällig geworden ist?
Peter Neller, Richter für Zivilsachen am Amtsgericht Bamberg, hat den Part übernommen, den Männern und Frauen im Schnelldurchgang das deutsche Rechtssystem und die Werte, auf denen es ruht, zu vermitteln. Nach der Begrüßung durch Mohammed Addala, den Vorsitzenden des Integrations- und Migrationsbeirates, tat er das mit einfachen, verständlichen Worten - die von Habib Ghazal ins Arabische übersetzt wurden - und mit Hilfe von Beispielen, die sein konzentriert lauschendes Publikum das eine und andere Mal zum Nachdenken, aber auch zum Lachen brachten. Beim Thema "körperliche Unversehrtheit" beispielsweise gelang ihm das: "Frauen dürfen ihre Männer nicht schlagen - und Männer ihre Frauen natürlich auch nicht."
Interessiert wurde auch eine Geschichte zum Thema "Gleichberechtigung" und gleiche Berufschancen aufgenommen, die Neller kürzlich selbst in der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts erlebt hat. Dorthin war ein Ausländer gekommen, der mit seinem Vermieter Probleme hatte und Rat suchte. Als er sah, dass eine Dame zuständig ist, wollte er nicht mit ihr reden. Sie solle einen Mann holen, forderte er.
Richter Neller stellte ihn vor die Wahl: entweder, er rede mit der zuständigen Dame oder er müsse gehen. Der Mann nahm sich eine längere Bedenkzeit, sprach schließlich doch mit der Frau und zeigte sich danach ganz zufrieden. Vielleicht erspart der neue Rechtsbildungsunterricht ja dem einen oder anderen Aslybewerber solche Erfahrungen, macht ihn aufgeschlossener für die Werte, auf denen das Zusammenleben der Menschen in Europa beruht, und erleichtert ihm die Eingliederung.
Anstoß vom Justizminister
Das jedenfalls ist das Ziel dieser Kurse. Der Anstoß dazu kam vom Bayerischen Justizminister Winfried Bausback, der die Willkommenskultur fördern will. Der Landtag hat laut Neller für dieses Programm rund 700 000 Euro zur Verfügung gestellt, um die Dolmetscher bezahlen zu können. Dann galt es , Freiwillige unter den Juristen zu finden. In Bamberg hat neben Peter Neller die Richterin Ursula Redler diese Aufgabe übernommen. In der ersten Woche werden sie vor insgesamt fünf Asylbewerbergruppen sprechen, immer "angedockt" an den Sprachunterricht, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Weitere "Einsätze" werden sicherlich folgen - auch bei Veranstaltungen anderer Träger.Das Konzept, zu den Sprachkursen zu gehen, hat offenbar Erfolg, wie der erste Termin beim Awo-Migrationsdienst zeigte. Sämtliche Teilnehmer eines seit zwei Monaten laufenden Kurses waren nach ihrem eigentlichen Unterricht neugierig sitzengeblieben, um Peter Neller zuzuhören.
Manuela Thoma, die bei der Awo Sprachunterricht erteilt, freute sich über das große Interesse und die hohe Konzentration der Teilnehmer. "Sonst geht es schon manchmal lebhafter zu, und es klingelt auch mal ein Handy", sagt sie. Beim Kurs mit Richter Neller aber sei der große Respekt zu spüren gewesen, den die Männer und Frauen aus Syrien ihm und dem Thema entgegengebracht hätten.
Zu dieser Bemerkung von Manuela Thoma passt das, was der eingangs zitierte Flüchtling aus Syrien auch noch gesagt hat und womit er erkennen ließ, dass der Wunsch nach Integration echt und ehrlich ist: "Wir wollen nicht Teil eines politischen Konflikts in Deutschland sein. Wir haben unsere Heimat verlassen, um dort nicht Teil eines politischen Konflikts zu sein."