Druckartikel: Macht Franken die Schotten dicht?

Macht Franken die Schotten dicht?


Autor: Günter Flegel

Nürnberg, Mittwoch, 17. Sept. 2014

Umsturz in der Ukraine, Volksabstimmung in Schottland: Die aktuellen Ereignisse rufen wieder einmal die Separatisten in Franken und Bayern auf den Plan. Sie wollen, dass die Grenzen der Bundesländer fallen. Die Frage ist: wohin?
Montage: Michael Karg


Nein, die Ukraine ist wirklich kein Vorbild. Auf einen bewaffneten Kampf um die Unabhängigkeit wollen es die Franken und Bayern nicht ankommen lassen. Schottland schon eher. Wie würden sie wohl ausgehen, die Volksabstimmungen für die Abspaltung Bayerns von Deutschland und Frankens von Bayern? Geht das überhaupt, Grenzen fallen lassen, neue ziehen oder verschieben?

Nein, es geht nicht, und wenn überhaupt, dann ist der Weg dahin lange und steinig. Das sagt Franz-Ludwig Knemeyer, emeritierter Professor an der Universität in Würzburg und ausgewiesener Experte für das Staatsrecht und die Verfassung. Die mehr oder weniger ernst gemeinten Vorstöße in der jüngsten Zeit, einen echten Frei-Staat Bayern zu gründen oder ein Bundesland Franken, sind für ihn ein alter Hut.

Gedankenspiele

"Derlei Gedankenspiele gibt es schon lange, und sie tauchen in Wellen immer wieder auf", sagt der Staatsrechtsgelehrte. Die am Stammtisch (in Bayern wie in Franken) populären Sandkastenspiele stoßen aber buchstäbdlich und im übertragenen Sinn an Grenzen: an die Grenzen, die Recht und Gesetz dem "Separatismus" setzen.
Noch am einfachsten wäre laut Knemeyer die Gründung eines Bundeslandes Franken. Das gibt es sogar schon als hochoffizielle Geedankengebäude, geboren aus den seit der Gründung der Bundesrepublik laufend angestellten Überlegungen, das Staatsgebiet neu zu gliedern.

Die allermeisten Staatsrechtler, dazu zählt auch der Würzburger Professor, halten die Zahl von aktuell 16 Bundesländern für zu groß, verbunden mit einem unverhältnismäßig komplexen und teuren Verwaltungsapparat. Es gibt Bestrebungen, aus den 16 Ländern neun, acht, sieben oder gar nur noch sechs zu machen.

Sägen am eigenen Stuhl

Gescheitert sind solche Vorstöße, die es gegeben hat, in der Regel weniger am Willen des Volkes (das bei solchen Veränderungen gefragt werden muss), sondern vielmehr daran, "dass die, die etwas zu entscheiden oder auf den Weg zu bringen haben, eine sehr große Neigung haben, am Staus Quo festzuhalten", formuliert Knemeyer. Im Klartext: Warum sollten Ministerpräsidenten und Minister und Staatssekretäre ... denn auch an ihren eigenen Stühlen sägen?

Tatsächlich gelungen ist in der Geschichte der Bundesrepublik nur eine Länderfusion: 1952 wurde aus Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden das Land Baden-Württemberg (wo sich heute die Badener ähnlich gegängelt und benachteiligt fühlen wie viele Franken in Bayern ...).

Nach der Wiedervereinigung, bei der laut Knemeyer die "historisch einmalige Chance verpasst" wurde, die Grenzen der Bundesländer nachhaltig und sinnvoll neu zu ziehen, gab es nur einen weiteren Versuch, die bundesdeutsche Landkarte zu verändern: Die Fusion der Bundesländer Berlin und Brandenburg fiel im Mai 1996 beim Volksentscheid durch.

Platz für Franken

Planspiele gibt es aber auch für mehr Bundesländer: So hat der Göttinger Geografie-Professor Werner Rutz eine 17er-Lösung ins Spiel gebracht, die sich enger als der heutige Zuschnitt am Grundgesetz orientiert. Da steht in Paragraf 29: "Das Bundesgebiet kann neu gegliedert werden. ... Dabei sind die landsmannschaftliche Verbundenheit, die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge ... zu berücksichtigen." Deshalb gibt es bei der 17-Länder-Lösung von Rutz neben Bayern ein Bundesland "Ostfranken".

Wird es jemals dazu kommen? Und wenn ja, wann? Knemeyer sieht eine "überaus große Erhaltungsneigung" und aktuell keinerlei Bewegung in Richtung einer großen Gebietsreform.

Ein König für Bayern

Schlechte Karten also für den fränkischen Separatismus, worüber hinwegtrösten könnte, dass es mit der Freiheit Bayerns noch schlechter aussieht. Davon müsste nicht nur das Volks überzeugt, dazu müsste das Grundgesetz geändert werden. Dass dem die Berliner und Hamburger zustimmen, ist bei aller Liebe (?) zu Bayern fraglich.
Aber auch für die Bayern hat der Würzburger Professor einen Trost. Wenn sie schon "Deutsche" bleiben und zu allem Überfluss auch noch die Franken behalten müssen, so sagt das Gesetz nichts über das repräsentative Staatsoberhaupt. Die Bayern könnten also so frei sein und sich einen König - hm - wählen?