"Mach Maxel wieder ganz!"
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Montag, 28. November 2016
Über 4000 "Krankenscheine", mit denen ihn Kinder konsultierten, sammelte Puppendoktor Günter Geier. Wer ersteigert sie und spendet für einen guten Zweck?
Noch ein Stern, dann ist der erste Karton mit Deko-Artikeln leer. Seit dem Frühstück steht Günter Geier nun schon im Garten vor der fünf Meter hohen Tanne, die vorweihnachtlich ausstaffiert wird: "Ein Prachtexemplar, an dem über 800 Kerzen brennen sollen", schwärmt der Puppendoktor und öffnet die nächste Box mit Holzschnitzereien. Rehe, Maria und Josef, das Kind in der Krippe: "Wie wär's mit ner Puppe oder einem Bären dazwischen?" Ein empörter Blick des 76-Jährigen macht deutlich, dass er gesundgepflegte Patienten nicht hängen und am Baum baumeln sehen will. Aber das Telefon läutet und Geier ist erstmal mit anderem beschäftigt, bevor er sich wieder seinem werdenden Christbaum widmen kann.
Zum letzten Mal?
Tja, das Telefon läutet oft während wir den Puppendoktor in Lisberg besuchen. "Ich hatte die Idee, all die ,Krankenscheine', die ich im Lauf von fünf Jahrzehnten gesammelt habe, zu versteigern", sagt der Franke, über dessen Aktion auch die Bild-Zeitung berichtete. Schließlich handelt es sich dabei um einen Beitrag zur TV-Gala "Ein Herz für Kinder", bei der mehr als 60 Promis am 3. Dezember via ZDF wieder Spenden sammeln. "Vielleicht bin ich heuer zum letzten Mal mit von der Partie", meint der 76-Jährige, der die Show 2010 erstmals aus nächster Nähe miterlebte. Aber wer weiß das schon.
Enttäuschende Resonanz
Was die Versteigerung angeht, so war die Resonanz auf den Bild-Zeitungsartikel bislang eher enttäuschend. "Mich rufen zwar viele Leute an, bieten für all die Krankenscheine aber frustrierend wenig", berichtet Geier. 3000 Euro müsse die Sammlung Interessenten schon wert sein, "schließlich geht der volle Beitrag an ,Ein Herz für Kinder'". Ja, ein Herz für Kinder hat der Puppendoktor, der während der Jugoslawien-Kriege diverse Hilfsmissionen startete und Menschen aus Lebensgefahr rettete. Ein halb verhungerter Junge fand mit Geiers Hilfe in Bamberg ein neues Zuhause. 110 Hilfstransporte organisierte der Wahlfranke ab 1991 für Not leidende Menschen in Kroatien und Bosnien. Aus gesundheitlichen Gründen musste er sein soziales Engagement aber ebenso einstellen wie seine Tätigkeit als quer durch die Lande tourender Puppendoktor. Erst wollte Geier seine Praxis sogar ganz aufgeben, nachdem sich eine potenzielle Nachfolgerin fand. Dann aber wurde die angehende Bären- und Puppenmedizinerin schwanger - und quittierte den Dienst, so dass der 76-Jährige nun von zu Hause aus in reduziertem Maße weiterpraktiziert.
Zerliebte Puppe
Zurück zu den "Krankenscheinen", die Geier für den guten Zweck untern Hammer bringt: über 7000 Andenken an Kinder, die ihn mit zerfetzten, verstümmelten oder "zerliebten" Patienten aus Plüsch und Plastik aufsuchten. "Mein Püppchen hat ganz schlimme Füße und kann nicht mehr laufen", schrieb die kleine Jenny dem Wahlfranken beispielsweise. "Ich bin ganz traurig darüber und wünsche mir, dass mein Püppchen wieder heil ist." Dorothee sorgte sich wegen "Maxels" Bauchweh und dichtete in ihrem "Krankenschein": "Er hat darin ein großes Loch. Lieber Doktor hilf ihm doch."
40 Jahre lang
Mit einer unterzeichneten "Überweisung" und "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" für "Hasi" wandte sich ein anderes Kind an Dr. med. Pupp, den aber auch Erwachsene wegen ihrer Lieblinge aufsuchten. Wie die 28-jährige Yvonne, deren Teddy im Lauf der Jahrzehnte Haarausfall bekam und seine Augen verlor. Ja, und wie Katharina B., die Geier wegen "Erna" um Hilfe bat, die sie über 40 Jahre lang begleitete. "Sie ist ein altes Mädchen. Haben Sie noch ein Bett frei?"Geschichten erzählen auch all die Kinderbilder, die im dicken Krankenscheinordner Günter Geiers zu finden sind. Viele davon gezeichnet von Jungen und Mädchen, die inzwischen längst erwachsen sind. Es sind Momentaufnahmen aus einem früheren Leben, die vielleicht auch die eine oder andere Kindheitserinnerung beim Betrachter heraufbeschwören.