Lust auf Lebenswasser
Autor: Diana Fuchs
Egloffstein, Samstag, 21. Oktober 2017
Warum sich etliche Franken nicht dem Wein und nicht dem Bier, sondern dem Whisky widmen.
J etzt, im Herbst, wenn der Wind um den Schornstein pfeift, zelebriert Patrick Grasser sein Hobby mit besonderer Freude: Er setzt sich ans Kaminfeuer, gießt sich ein Glas ausgesuchte, goldbraun funkelnde Flüssigkeit ein und lässt die Aromen auf sich wirken. "Das ist Genuss und Entspannung." Der Gründer und Blogger des Whisky-Clubs Fränkische Schweiz hat kürzlich ein Buch veröffentlich: "Whiskyland Franken". Ein Schreibfehler?
Wie ist Ihre Leidenschaft für die Spirituose aus vergorenem Malz zu erklären?
Patrick Grasser: Einen Teil meiner Jugend habe ich in den Irish Pubs in und um Erlangen verbracht. Die Initialzündung war aber ein Irland-Urlaub 2008. Diese einmalige Landschaft spiegelt sich durchaus im Whisky wider - das fand ich sehr faszinierend. Als Souvenir habe ich einen Connemara Single-Malt-Whiskey mit heim genommen und ihn in aller Ruhe immer wieder probiert. Mit der Zeit habe ich entdeckt, wie unterschiedlich und vielfältig Whiskys sind. Tja, und so ging das weiter...
So weit, dass Sie nun sogar ein Buch geschrieben haben - über das "Whiskyland Franken". Ist der Titel im Reich von Wein und Bier nicht ein bisschen übertrieben?
Nein, Franken ist wirklich ein Whiskyland! Wir haben drei Superlative hier: die älteste Single-Malt-Brennerei Deutschlands, die "Blaue Maus" im oberfränkischen Eggolsheim, den ältesten deutschen Whiskyclub "The most Venerable Order of the Highland Circle" in Nürnberg und die besucherstärkste Whisky-Messe Europas, die Nürnberger "The Village Whisk(e)y-Messe". Franken hat viele Whisky-Freunde und -Hersteller, für die Whisky wirklich das "Wasser des Lebens" ist, wie das früher in Klöstern gebrannte Getränk wörtlich übersetzt heißt. Diese Leute haben spannende Geschichten zu erzählen. Über sie wollte ich schreiben.
Was unterscheidet Whisky von Whiskey?
In Irland und Amerika hat sich der Whiskey eingebürgert, im Rest der Welt fällt das "e" weg - hier wird also Whisky gebrannt.
Während Laien vielleicht von "rauchig" oder "scharf" sprechen, schmecken Sie hunderte verschiedene Aromen heraus. Haben Sie eine besonders feine Zunge ?
Ich hätte früher nicht behauptet, einen besonders guten Geschmacks- oder Geruchssinn zu haben. Aber der fortwährende Umgang mit Whisky ist auch eine gute Schulung für die Sinnesorgane. Übrigens ist die Nase beim Whisky-Tasting wichtiger als die Augen, die Zunge und der Gaumen. Ich kenne Master-Blender, die in schottischen Brennereien arbeiten und nur ihre Nase nutzen, weil sie das sensibelste unserer Geschmacksorgane ist.
Und weil sie sonst schon nach der ersten Arbeitsstunde betrunken wären!
Genau. Generell ist es sehr wichtig, sensibel mit dem Thema umzugehen. Das Getränk muss mindestens 40 Prozent Alkohol haben, um sich überhaupt Whisky nennen zu dürfen. Whisky, der in Fassstärke abgefüllt wird, kann 50 bis 60 Prozent Alkohol haben. Alkohol ist einerseits ein Geschmacksträger, andererseits aber natürlich auch gefährlich. Missbrauch kann die Gesundheit beeinträchtigen.
Wie oft trinken Sie Whisky?
Ungefähr viermal in der Woche ein 2cl-Glas. Bis das Glas leer ist, brauche ich schon mal eineinhalb Stunden. Da wird immer wieder gerochen und probiert. Manche Whiskys verändern sich, wenn sie eine Weile in der sauerstoffhaltigen Luft stehen, bei anderen dagegen verrauchen die Aromen schnell. Wie gesagt: Es geht hier darum, den jeweiligen Whisky zu verstehen und zu genießen. Und nicht etwa darum, sich zu betrinken.
Wenn Sie das Prozedere so schildern, klingt das fast schon spirituell.
Ja, ich sehe da durchaus eine Verbindung zur Theologie und zu meinem Beruf als Religionspädagoge. In beiden Fällen geht es um achtsame, bewusste Wahrnehmung.
Probieren Sie Whiskys lieber alleine oder in der Gruppe?
Alleine in Ruhe zu probieren ist wichtig, wenn man einen Whisky wirklich verstehen will. Natürlich gehört aber auch die Gemeinschaft, das Gesellige beziehungsweise das Teilen einer gemeinsamen Leidenschaft dazu. Wir halten den Whisky-Club Fränkische Schweiz mit etwa zehn Leuten bewusst klein, denn im familiären Kreis funktionieren Tastings am besten. Trotzdem ist es immer einmal möglich, als Gast zu uns zu kommen.
Haben Sie einen Lieblings-Whisky?
Neulich habe ich einen 20-jährigen Whisky probiert, der im Sherry-Fass gelagert wurde - der hat mich begeistert. Generell bin ich mittlerweile bei schottischen Whiskys gelandet, die im Einzelfass gelagert wurden. Davon gibt es dann immer nur 200 bis 500 Flaschen mit ganz individuellem Charakter. Ist die Charge verbraucht, geht die Suche nach einem neuen Lieblings-Whisky los. Das ist für mich auch das Tolle am Whisky: Man kommt nie an ein Ende.
Sind individuelle Produkte nicht auch eine Preisfrage?
Ja, und das gilt erst recht, weil Whisky "in" ist. Abseits der Massenware steigen die Preise. Ältere Whiskys werden knapp. Man kann auch nicht mal eben schnell nachproduzieren: Bis ein Brand sich Whisky nennen darf, muss er mindestens drei Jahre reifen. Manche Leute nutzen Whiskys mittlerweile als Kapitalanlage, denn richtig gelagert - dunkel, stehend, trocken, kühl - bleibt die Qualität lange erhalten.
Gibt es grundsätzliche Unterschiede zwischen irischen, schottischen und fränkischen Whiskys?
Die Produktionsweisen sind von Ort zu Ort verschieden, irische Whiskeys sind normalerweise dreifach destilliert, schottische Whiskys doppelt. Bei den fränkischen wird es richtig spannend.Je nachdem, welcher Philosophie der Erzeuger anhängt und wie experimentierfreudig er ist. Es gibt drei Richtungen: Bierbrauer - die übernehmen einfach die ersten Produktionsschritte - , Obstbrenner - die wollen in der Regel besonders reine Brände - und Winzer - die kennen den Umgang mit Fässern in- und auswendig. Die Ergebnisse sind oft verblüffend.
Ist Whisky-Tasting Männersache?
Ob Frau oder Mann - das ist beim Whisky-Tasting eigentlich kein Thema. Viel wichtiger ist, dass man sich Zeit nimmt und dass das Ambiente stimmt. Jetzt im Herbst ist es einfach wunderbar, sich am Kaminfeuer in einen schönen Sessel oder an eine antike Tafel zu setzen und sich auf die Tiefe und Vielfalt von Whisky einzulassen, während draußen die ersten Herbststürme toben. Whisky ist Genuss. Und eine Lebenseinstellung.
---- Whisky-Botschafter
Patrick Grasser: 1981 in Nürnberg geboren, lebt er mittlerweile mit seiner Frau und zwei Kindern in Egloffstein in der Fränkischen Schweiz. Er arbeitet als Religionslehrer und Referent für Inklusion.
Buch: In "Whiskyland Franken - die Macher, die Botschafter, die Genießer" stellt Grasser fränkische Brennereien, Events und Persönlichkeiten der Whisky-Szene vor (ars vivendi, ISBN 978-3-86913-842-8, 18 Euro).
Buchpräsentation: 27. Oktober, 19 Uhr, Schmelztiegel Nürnberg (Hausbrauerei Altstadthof), mit Whiskyverkostung; 13. November, 19 Uhr, Fürth, Kino Babylon, ebenfalls mit Verkostung. Infos: www.whiskyclub-fs.de