Literatur: Die fabelhaften Welten der Amelie
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Samstag, 16. November 2013
Bis vor kurzem schrieb die 21-Jährige nur für sich - ohne Texte überhaupt veröffentlichen zu wollen. Dann doch eine Einsendung zu einem Wettbewerb, der Amelie Reichenbecker viele Türen öffnete. So reist die Bamberger Psychologiestudentin nun zum Berliner Treffen junger Autoren an die Spree.
"Ich kann nicht sagen, wie ich zum Schreiben kam. Das Schreiben kam zu mir", sagt Amelie Reichenbecker. Als kleines Mädchen schon spürte sie den Drang, Empfindungen festzuhalten, Gedanken, und zu Papier zu bringen: "Auf der alten Schreibmaschine meiner Mutter tippte ich erste Texte." Mal waren es eigene Erlebnisse, die die Schülerin aufgriff, dann wieder spann sie Erzählungen anderer weiter: "Ich las ja alles, was ich in die Finger bekam." Und so ist es noch heute - Jahre, nachdem die alte Schreibmaschine im Keller verschwand. Wobei es der 21-Jährigen nicht darum geht, existenzielle Fragen aufzugreifen oder gar über den Sinn des Lebens zu philosophieren. "Mich reizen vielmehr Details und Randaspekte, aus denen sich spannende Dinge entwickeln können." So spannend, dass man die Bamberger Psychologiestudentin nun an die Spree einlud, wo sie am Treffen junger Autoren der Berliner Festspiele teilnimmt.
Erst nach und nach realisiert
"Mich überraschte die Auszeichnung so, dass ich alles erst erst nach und nach realisierte", sagt Amelie Reichenbecker. Zumal es für sie jahrelang nicht in Frage kam, Texte überhaupt zu veröffentlichen. "Ich schrieb nur für mich und empfand meine Gedanken als viel zu persönlich, um damit andere anzusprechen." Eine Geschichte sandte die Gröbenzellerin doch ein, um sich für die Bayerische Akademie des Schreibens zu bewerben - "auf Drängen meiner Mutter". Und ihr Vorstoß öffnete viele Türen. So nahm die 21-Jährige bald darauf erstmals an Wochenendseminaren teil, bei denen sich vielversprechende junge Autoren im Austausch mit erfolgreichen Literaten weiterbilden. "Plötzlich hatte ich Zuhörer und sah Perspektiven, an die ich zuvor nicht mal gedacht hatte." Ein Wahnsinnserlebnis vor diesem Hintergrund die abschließende Lesung in der Villa Concordia: "Natürlich hatte ich Lampenfieber. Aber ich sah, wie all diese Menschen auf meine Texte reagieren. Das war ein ganz besonderes Gefühl."
Melodie einer Metropole
"Singapur Swing" entstand in dieser Phase. Darin fing Amelie die Stimmung der Metropole ein, ja, ihre Melodie, während die meisten im Urlaub nur von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit hetzen. Eine fantastische Welt entwarf die Hochschülerin aus der fremden Realität, die sie umgab: Aus Orten, die sie interpretierte und aus dem eigenen Empfinden neu entstehen ließ. Aber nicht dieser Text, sondern ein anderer bringt die Gröbenzellerin nun an die Spree: "Wenn nicht wir." Er soll bei einer Lesung im Rahmen des Treffens vorgestellt werden.
Was bewog die Jury, die 21-Jährige in die Top 20 junger Autoren zu bringen, die sich mit ihren Werken in der Bundeshauptstadt präsentieren? "Amelie Reichenbecker schreibt erstaunlich reif und kultiviert, wie man es bei nicht vielen jungen Autoren mehr findet", meint Gabriele Weingartner als Kulturjournalistin und Literaturkritikerin, die dem Gremium angehörte. "Sie besitzt eine elegante Sprache, erzählt dicht und atmosphärisch stimmig."
Gute Referenzen für die Studentin, die sich als Autorin sicher weiterprofilieren möchte. "Ich möchte mich weiterbilden und freue mich über den Austausch mit anderen Literaten. Mein Berufswunsch aber bleibt Psychologin", sagt die 21-Jährige. Wobei das Schreiben für sie als "begleitender Ausgleich" zur wissenschaftlichen Arbeit mit der Psyche des Menschen von Bedeutung sei.
Ihren Studienort wählte die Gröbenzellerin übrigens ganz bewusst und keineswegs zufällig. "Ich konnte zwischen mehreren Unis wählen. Aber ich wollte nach Bamberg, diese Stadt mit verwinkelten Gassen und jahrhundertealten Bauten." Bamberg inspiriert Amelie Reichenbecker bis heute auch - ob sie nun durch die Altstadt schlendert oder mit ihrem Freund im Hain spazierengeht. "Man taucht in diese Stadt ein - wie in eine ganz eigene kleine Welt."
Infos zum Treffen junger Autoren
Das Treffen junger Autoren steigt in Berlin vom 21. bis 25. November. Ein literarisches Forum, das 1986 mit dem Ziel gegründet wurde, literarisches Schreiben möglichst früh anzuregen und zu fördern. Weiterführende Infos gibt's im Netz unter der Adresse der Berliner Festspiele.