"Lauf weiter, kleiner Bruder": Ein Buch über die Flucht aus Oberschlesien

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Maria Steinhorst mit Irene und Hanns 1941 in Oberschlesien
Maria Steinhorst mit Irene und Hanns 1941 in Oberschlesien
Ein Familienfoto, das Hanns und Irene 1948 mit den Eltern zeigt.
Ein Familienfoto, das Hanns und Irene 1948 mit den Eltern zeigt.
 
Hanns Klassenfoto vor der Altenburg, das 1953 entstand
Hanns Klassenfoto vor der Altenburg, das 1953 entstand
 
Die kleine Irene 1939
Die kleine Irene 1939
 
Hanns Steinhorst 1953 als Cowboy
Hanns Steinhorst 1953 als Cowboy
 
Feldwebel Johannes (Hans) Steinhorst 1941
Feldwebel Johannes (Hans) Steinhorst 1941
 
Irene bei ihrer Kommunion 1944
Irene bei ihrer Kommunion 1944
 
Mutter Maria Steinhorst mit ihren beiden Kindern 1942
Mutter Maria Steinhorst mit ihren beiden Kindern 1942
 
Hanns Steinhorst 1949
Hanns Steinhorst 1949
 
Hanns 1950 bei der kommunion
Hanns 1950 bei der kommunion
 
Hans Steinhorst bei einer Wehrübung 1938
Hans Steinhorst bei einer Wehrübung 1938
 
Mutter Maria und Irene Steinhorst 1939
Mutter Maria und Irene Steinhorst 1939
 
Maria Steinhorst 1934 bei einem Besuch in Paris
Maria Steinhorst 1934 bei einem Besuch in Paris
 
Maria Steinhorst mit Hanns 1943
Maria Steinhorst mit Hanns 1943
 

"Lauf weiter, kleiner Bruder": Unter diesem Titel erschien Renate Steinhorsts Buch, das an die Flucht ihres Mannes und seiner Schwester aus Oberschlesien erinnert. Hungernd schlugen sich der vierjährige Hanns und die neunjährige Irene 1945 bis Österreich durch.

Alleingelassen inmitten panischer Menschen, die mit Sack und Pack fliehen. In einem fremden Land, voller Angst und Verzweiflung, wie zahllose andere, die die Heimat verließen, um ihr Leben zu retten: Vier Jahre alt war Hanns Steinhorst, neun seine Schwester Irene, als die aus Oberschlesien kommenden Kinder von der Mutter getrennt wurden und sich ab Mai 1945 in der Tschechoslowakei alleine durchschlagen mussten. Eine Odyssee begann, an die Renate Steinhorst in ihrem Band "Lauf weiter, kleiner Bruder" erinnert. Erst in Bamberg sollten die Geschwister Vater und Mutter wiedersehen - im April 1947, nachdem sie hungern, betteln und sich mit anderen in panischer Angst vor der Roten Armee verstecken mussten.


Ein Trauma erlitten


Welches Trauma erlitt Hanns Steinhorst im Kindesalter, den Bamberger als engagierten Lehrer und langjährigen Stadtheimatpfleger kennen.
Beispielhaft steht das Schicksal seiner Familie für rund zwölf Millionen Menschen, die aus den früheren deutschen Ostgebieten fliehen mussten - mit wenigen Habseligkeiten in Koffern, Rucksäcken, auf Handwagen verstaut. Wobei Hunderttausende verhungerten, erfroren oder von feindlichen Soldaten getötet wurden - aus Rache für das Leid, das Deutsche ihnen und ihren Familien zugefügt hatten.

Irene und Hanns Steinhorst überlebten in einer Flüchtlingsgruppe, der sich die Geschwister anschlossen. Hungrig, durstig, verlaust, mit Blasen an den Füßen zogen die Kinder Richtung österreichischer Grenze. Zum Betteln schickte man die beiden, nachdem ihnen Bauern eher Brot und Kartoffeln gaben als den Erwachsenen. In panischer Angst vor den Russen brachen die Flüchtlinge Tag für Tag gleich in der Morgendämmerung auf, um sich Wege zu suchen, auf denen Hecken oder Bäume Verstecke boten.


Angst vorm "schwarzen Mann"


Endlich Linz, wo sich eine Rotkreuzschwester der Geschwister annahm, um sie in einem "Fürsorgeheim" unterzubringen. Zuvor aber eine erste Begegnung mit dem "schwarzen Mann", die Renate Steinhorst Lesern nicht vorenthielt: "Laut schreiend" rannte der vierjährige Hanns davon, nachdem ihm ein dunkelhäutiger Amerikaner mit breitem Lachen Schokolade überreicht hatte.

Ja, an Humor mangelt es dem Band nicht. So gab's im Alltag der Geschwister, deren Welt aus den Fugen geraten war, auch amüsante Episoden. Bis hin zu Streichen, die Irene Schwestern des Fürsorgeheims Kallham spielte, in dem die Kinder zwei Jahre lang Zuflucht fanden - ohne zu wissen, ob sie den Vater, ihre Mutter oder Großeltern je wiedersehen.

Nach und nach waren eben auch Not und Elend zur Normalität geworden. In Oberschlesien hatte sich die Familie noch an ihr altes Leben geklammert, das zu zerbrechen begann, als Hans Steinhorst eingezogen wurde. Als erste "Christbäume am Himmel" erschienen, die Angriffsziele markierten, wie der Vater seinem Sohn Hanns bei einem Heimaturlaub erklärte - bevor die Bomben fielen und zahllose Menschen in den Tod rissen.


Zu viert auf acht Quadratmetern


Mit einer leichten Gehbehinderung überstand Hans Steinhorst den Krieg. Nach Bamberg verschlug es den Elektroingenieur, der sich zunächst als Hilfsarbeiter verdingte. Unter unvorstellbaren Bedingungen lebte die Flüchtlingsfamilie, nachdem sich Eltern und Kinder endlich wiedergefunden hatten: Zu viert hausten die Steinhorsts anfangs im Dachgeschoss des Hauses Fischerei 7 - überglücklich, das acht Quadratmeter große Zimmer überhaupt ergattert zu haben.

Inmitten der Trümmerlandschaft, in die sich Bambergs Zentrum verwandelt hatte, erkundete Hanns Steinhorst seine neue Umgebung. Er sah andere Vertriebene, die sich im Flüchtlingslager der Martinschule drängten, die gesprengten Brücken, all die Ruinen, in denen Menschen nach Altmetall suchten. Fasziniert beobachte der Knirps den "american way of life", den die Armee nach Bamberg brachte: "Negermusik" tönte aus Kofferradios, während sich die Besatzer im Sommer an der Regnitz sonnten und Icecream löffelten. Ein eigenes Kapitel, das Renate Steinhorst beleuchtet, die auch Erinnerungen ihres Mannes an die Feier zum "Fourth of July" 1947 beschreibt. Aber lesen Sie selbst!


Im Handel erhältlich

Unter dem Titel "Lauf weiter, kleiner Bruder" erschien Renate Steinhorsts 136-seitiger Band, der Erinnerungen ihres Mannes und seiner Schwester aufleben lässt (ISBN 978-3-924983-48-2, Edition hübscher).