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Landkreis in der Europa-Liga


Autor: Werner Baier

, Freitag, 17. August 2012

Ein EU-weites Projekt widmet sich dem Informationsaustausch zwischen Regionen mit "Best-Practice"- Kommunen und Marktführern. Der Landkreis wird besonders mit Thüringen und Hordaland in Norwegen zusammenarbeiten.
Sind die schweren Stürme   der letzten Jahre eine Folge des Klimawandels? Die Klima-Allianz von Landkreis und Stadt Bamberg strebt die Energie-Autarkie der Region bis 2035 an und will damit einen  Beitrag gegen die drohende Klima-Katastrophe leisten. Das Foto entstand in diesem Sommer im Steigerwald.  Archivbild: Ronald Rinklef


In einem Lebens- und Dienstalter, in dem andere beginnen, ihren Ruhestand zu planen, paukt die Kreisbaumeisterin Gabriele Pfeff-Schmidt englische Vokabeln: Commercial English, gespickt mit Fachbegriffen aus der Energie- und Zukunftstechnologie. Landrat Günther Denzler hat diese Fleißaufgabe der Leiterin des Geschäftsbereichs "Recht, Baukultur und nachhaltige Entwicklung" eingebrockt. Als nämlich das Bayerische Wirtschaftsministerium Ende Februar angefragt hat, ob sich der Landkreis Bamberg an dem Projekt "Ecoregions" der Europäischen Union beteiligten möchte, gab Denzler grünes Licht. Seine Devise: "Wir müssen uns mit den europäischen Partnern messen!"

Der Kreis Bamberg sprang für den Nachbarn Forchheim ein, der überraschend ausgestiegen war. Seitdem beschäftigt sich - nach Zeitvorgaben der Projektleitung - die Kreisbaumeisterin zum Beispiel mit "some good examples und market leader which very successfully accomplish environmental management systems": Einige gute Beispiele und Marktführer, die sehr erfolgreich Umwelt-Management-Systeme anwenden, soll der Landkreis Bamberg als Vorzeigeprojekte auf die Bühne der europäischen Umwelt-, Klima und Energie-Politik stellen.

Im Blickpunkt stehen dabei das Hallstadter Werk des Reifenherstellers Michelin und die Firma "Schonath Plast" in Breitengüßbach. "Schonath Plast" leistet durch die Nutzung der Produktionswärme und bei der Energieeinsparung im Maschinenbetrieb Vorbildliches.

Und Michelin hat ein umfassendes firmeninternes Umwelt- und Energieprogramm entwickelt, das sich auch zur Umsetzung in einem kleinen und mittelständischen Unternehmen eignet. Hinzu kommen bei Michelin spannende Überlegungen zum Einsatz von Latentspeichern: Was von Wärmekissen oder Kühlakkus längst bekannt ist, soll auch im größeren Maßstab funktionieren. Die bei der Reifenproduktion entstehende Wärme mit Hilfe eines Speichermediums per Lkw-Anhänger etwa zu einem Seniorenheim zu transportieren und dort die Räume zu beheizen - das ist im Bereich des technisch Möglichen. Gebraucht werden unter anderem noch ein Logistik-Unternehmen und langfristige Endverbraucher im Umkreis von maximal 40 Kilometern; ein weiterer Transport per Latentspeicher wäre unwirtschaftlich.

Die anderen können mehr

Gabriele Pfeff-Schmidt ist klar, dass es noch eine Weile dauern wird, bis der Landkreis Bamberg mit "Best-Practice"-Strategien auf europäischer Ebene renommieren kann. Vorläufig gehört das Bamberger Land zu den "input"-Teilnehmern, gewissermaßen ein Juniorpartner des Projekts. Immerhin: Erstmals agiert der Landkreis über die Region und die Europäische Metropolregion Nürnberg hinaus auf europäischer Ebene. Die Kreisbaumeisterin hofft, dass sie während der auf 30 Monate konzipierten Projektdauer auch "output" geben kann. Aber dazu müsste auf hiesiger Ebene noch viel mehr Leidenschaft von der Kommunal- und Landespolitik sowie von der heimischen Wirtschaft aufgebracht werden, resümiert sie.

Neben dem Image-Gewinn für den Landkreis Bamberg könnte die gemeinsam mit der Stadt Bamberg gebildete Klimaallianz nur profitieren: Der mit dem Projekt angepeilte Gedanken- und Erfahrungsaustausch mit den anderen zehn Teilnehmern - Picardie und Limousin (Frankreich), Brüssel (Belgien), Cremona (Italien), Republik Malta, Eszak-Alföld (Ungarn), Jämtland (Schweden), Hordaland (Norwegen), Kainuun (Finnland) sowie das Bundesland Thüringen - kann wertvolle Erkenntnisse auf der Verwaltungsebene bringen.

Zur Unterstützung hat der Landkreis Bamberg die "Energieagentur Nordbayern" eingesetzt. Deren Energie-Managerin Nicola Polterauer leistet die notwendigen Vorarbeiten und entwickelt die Projektstruktur. Außerdem konzipiert die Energieagentur alle wichtigen Arbeitsschritte, nimmt an den notwendigen Treffen auf lokaler und auf EU-Ebene teil und stimmt die Arbeitsergebnisse mit dem Landkreis und den EU-Partnern ab.

Um sich nicht zu verzetteln, konzentriert sich die Bamberger Delegation auf "input" aus Hordaland (Region Bergen in Norwegen) und auf Thüringen. Letzteres auch im Interesse der von vornherein knapp bemessenen finanziellen Ausstattung. Der Kreis Bamberg hat für das Ecoregions-Projekt das kleinste Budget von nur 90 000 Euro in drei Jahren. Zwei Drittel kommen aus EU-Mitteln, den Rest muss der Kreis selbst aufbringen. Insgesamt hat das Interreg IV C-Programm der Europäischen Union einen Etat von 302 Millionen Euro.

Warum Hordaland und Thüringen? Die Küsten-Region Bergen, so hat Pfeff-Schmidt vor Ort erfahren, fürchtet um die Folgen des Klimawandels. Es geht hier weniger um eine Steigerung der Energie-Effizienz als um den Schutz vor Sturmfluten und sonstigen Umweltkatastrophen. Derlei Sorgen brauche sich der fränkische Raum zwar weniger zu machen, ist der Kreisbaumeisterin klar. Geradezu mustergültig aber findet sie die Art, wie das Hordaland tatsächlich die gesamte Bevölkerung zum Mitdenken und Handeln bewegt. Eine solche Öffentlichkeitsarbeit müsste auch im Bamberger Land geleistet werden, etwa um das Ziel der Energieautarkie bis 2035 zu erreichen. An Thüringen fasziniert die Kreisbaumeisterin die Vernetzung der klein- und mittelständischen Unternehmen. Um sich gegenseitig vom Know-how in Energiefragen zu informieren und voranzubringen, wurde ein vorbildliches Energie-Effizienz-Netzwerk Thüringen eingerichtet. Gabriele Pfeff-Schmidt: "Eine beispielhafte Initiative!"

Und dafür will sie auch hierzulande werben: Es reiche nicht, sich gelegentlich an einem Konferenztisch zu treffen. Auch im Raum Bamberg müsse ein Netzwerk aus den Beteiligten der Kommunen und der Wirtschaft gebildet werden. Jedes Unternehmen müsse sich Gedanken machen, wie es den Energiebedarf und damit auch die klimaschädlichen Emissionen reduzieren könne. Schon auf den ersten Blick ist für Pfeff-Schmidt bei uns ein riesiger Bedarf an Kraft-Wärme-Koppelung erkennbar. Die Kreisbaumeisterin schärft allen Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft ein: "Das Thema muss ernst genommen werden!"