Landkreis Bamberg: Wie es zwei Corona-Infizierten nach acht Monaten geht
Autor: Stefan Fößel
Bamberg, Mittwoch, 18. November 2020
Mehr als 2000 Menschen in Stadt und Landkreis Bamberg wurden seit März positiv auf Covid-19 getestet. Für Oberhaids Bürgermeister Carsten Joneitis blieb die Infektion fast symptomfrei. Andere wie Sabine K. leiden bis heute unter den Folgen.
Für Sabine K. (Name geändert) begann alles mit einem Kratzen im Hals. Es war Mitte März und zu diesem Zeitpunkt hätte sie nie gedacht, dass gerade sie sich mit Corona infiziert haben könnte.
Acht Monate später leidet sie immer noch unter den Folgen. Sie muss das Atmen wieder richtig lernen und hat manchmal auch größere Konzentrationsprobleme. "Ich war pumperlgesund und konnte fünf Sachen gleichzeitig machen", sagt Sabine K. zurückblickend. "Heute sage ich beim Treppensteigen: ach du meine Güte." K. gehört keiner Risikogruppe an. Sie ist jung, erst Anfang 30, arbeitet neben ihrem Bürojob noch als Fitnesstrainerin, hatte keinerlei Vorerkrankungen.
Und doch hat es sie stärker erwischt als viele andere Corona-Infizierte. Woran das liegt, konnte ihr noch keiner so genau erklären. Einige Mediziner gehen davon aus, dass es etwas mit Autoimmunreaktionen zu tun hat. So könnte ein besonders starkes Immunsystem sich nicht nur gegen das Virus, sondern auch gegen körpereigenes Gewebe richten.
Carsten Joneitis hatte mehr Glück. Auch beim Oberhaider Bürgermeister war in der letzten Märzwoche eine Corona-Infektion festgestellt worden. Er hatte sich symptomfrei testen lassen, nachdem bereits andere Gemeinde-Mitarbeiter infiziert waren. "Wir hatten insgesamt sechs Fälle im Rathaus, auf so etwas ist natürlich keiner vorbereitet." Nach dem ersten Schock isolierte sich der SPD-Mann im Keller seines eigenen Hauses, von wo er in den nächsten zwei Wochen auch seine Amtsgeschäfte verrichtete. "Ich hab's hinbekommen, dass die Familie gesund geblieben ist, das war das Wichtigste." Und auch der 51-Jährige selbst hatte wenig unter seiner Corona-Infektion zu leiden, fühlte sich nur an einigen Tagen abends etwas müder als sonst und verspürte nachts ein Druckgefühl im Brustkorb.
Heute kann er sagen: "Ich bin zufrieden und eigentlich fit." Joneitis vermutet, dass er sich entweder am Tag der Kommunalwahl oder kurz davor angesteckt hat. "Ich war in dieser Zeit viel unterwegs und nach der Wahl waren auch viele im Rathaus."
Auch K. weiß nicht, wo genau sie sich das Coronavirus eingefangen hat. "Wahrscheinlich bei Reiserückkehrern aus dem Skiurlaub", sagt die Bambergerin. Auf das Kratzen im Hals folgten bei ihr Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, ein komischer Geruch in der Nase. Ihr Hausarzt schickte sie zum Corona-Test, inzwischen fühlte sich die junge Frau schon "total schlecht und ich konnte alles nur noch ganz langsam machen". Am nächsten Tag war der Geschmackssinn weg. "Und dann habe ich nur noch ganz schwer Luft gekriegt." Zum Ende der Woche erreichte sie dann das positive Testergebnis: "Das war wie ein Schlag ins Gesicht."
14 Tage blieb sie zu Hause in Quarantäne, geplagt von Ungewissheit, schon vom Gang zur Toilette erschöpft. "Ich dachte, wenn ich nur noch eine Weile Geduld habe, dann wird das schon wieder mit der Luft." K. wollte ihr Leben so normal wie möglich weiterführen, sie fuhr zur Arbeit und gab Online-Fitnesskurse. "Während der Übungen habe ich einigermaßen funktioniert, aber danach ist es mir schlecht gegangen."
Nach neun Wochen war es immer noch nicht besser. Und so ging sie wieder zu ihrem Hausarzt, musste dann monatelang auf Termine beim Kardiologen und beim Pneumologen warten. Der Lungenarzt fand dann im Juli wenig beruhigende Worte: "Sie sind eine von den jungen Patientinnen, bei denen sich die Lunge nicht wieder erholt." Mit Verdacht auf eine akute Lungenembolie wurde K. sofort ins Krankenhaus eingewiesen.
"Der Pneumologe hat gesagt: Ich bin froh, dass ich bei Ihnen was gefunden habe. Bei zehn anderen Patienten mit ähnlichen Symptomen findet man einfach nichts." Und das könne für die Betroffenen besonders belastend sein: Sie leiden, fühlen sich aber nicht ernst genommen. "Was das Ganze über Monate mit der Psyche macht, darüber brauchen wir nicht zu reden. Aber meine Familie war immer für mich da, und von den Freunden habe ich viel Zuspruch bekommen."
Im Krankenhaus bekam K. unter anderem Blutverdünner und konnte bald darauf mit einem Atemtrainingsgerät wieder nach Hause geschickt werden. Seither lernt sie das Atmen völlig neu: "Meine Atmung war über Monate extrem flach geworden." Im Oktober verbrachte Sabine K. dann vier Wochen in einer Reha-Klinik für Post-Covid-Patienten. Das Spektrum reichte von Schwerkranken, die mehrere Monate beatmet worden waren, bis zu jungen Leuten, die seit ihrer Corona-Erkrankung unter dem Fatigue-Syndrom leiden, ständig erschöpft und antriebslos sind. "Von der Luft her ging es uns aber allen gleich schlecht."
Bisher 37 Intensivpatienten
Auch wenn längst nicht alles möglich ist, hält sich K. so fit, wie es geht. "Ich muss Sport machen. Joggen geht zwar nicht, aber meine Muskeln kann ich trainieren." Bevor sie sich auf Corona testen ließ, habe sie leider auch eine Freundin angesteckt, die bis heute ihren Geruchs- und Geschmackssinn noch nicht wieder hat. Auch damit müsse K. leben.
"Egal, wie alt und fit man ist, es kann jeden treffen. Und es ist jetzt verdammt noch mal unsere Pflicht, nicht nur auf uns selbst, sondern auch auf andere zu schauen", sagt die Bambergerin. Mittlerweile wurde bei 2033 Menschen in Stadt und Landkreis Bamberg eine Corona-Infektion festgestellt. Laut Landratsamt mussten davon 201, also etwa jeder Zehnte, stationär behandelt werden. Darunter waren mindestens 37 Intensivpatienten. "Die tatsächliche Zahl der Intensivpatienten könnte um einige Patienten höher sein, weil in Einzelfällen die Verlegung von der Station auf Intensiv nicht gemeldet wurde", erklärt dazu Frank Förtsch aus der Pressestelle des Landratsamtes.
Auch wenn Carsten Joneitis einen sehr milden Verlauf erlebte, hat den Oberhaider Bürgermeister die Infektion ein wenig demütig gemacht: "Gesundheit ist das wichtigste Gut. Aber man kann alle Vorkehrungen treffen und trotzdem krank werden."
Das Corona-Virus belaste nicht nur das Gesundheits-, sondern auch das Gemeinwesen, weil so viele soziale Kontakte wegbrechen. "Wir müssen die Pandemie ernst nehmen, dürfen uns aber nicht von Angst leiten lassen. Die war noch nie ein guter Ratgeber."
KOMMENTAR von Stefan Fößel
Unberechenbares Virus
Das Corona-Virus ist eine überaus gemeine Sache. Nach all den Monaten ist es noch so schwer zu berechnen, lässt die einen links liegen und trifft die anderen hart. Wer sich jetzt eine schnelle Rückkehr zur Normalität wünscht, sollte vielleicht mit Letzteren reden. Deren Leben sich verändert hat, die noch immer kurzatmig sind, denen das Essen nicht schmeckt und die sich nicht konzentrieren können. Oder mit Langzeitbeatmeten, die keine Treppe mehr hochkommen. Es geht längst nicht "nur um kranke Alte", für die einige egoistische Zyniker ihr Leben nicht einschränken möchten.
Die Corona-Maßnahmen tun vielen weh, sie werden trotz staatlicher Abfederung Existenzen und Arbeitsplätze kosten, sie verstärken die Krise der Vereine, trennen Spielkameraden, lassen Einsame noch einsamer werden und gehen uns manchmal nur noch auf die Nerven. Aber was sind die Alternativen?
Alles so laufen lassen, bis nicht nur die Intensivstationen, sondern die ganzen Krankenhäuser voll sind? Abwarten, bis irgendwann fast jeder Corona hat? Das kann niemand wollen, denn diese Strategie würde nicht nur für viele Alte und Kranke tödlich enden. Jeder zehnte Corona-Patient muss stationär behandelt werden, viele klagen noch Monate später über erhebliche Beschwerden. Ihre Krankenakten sind keine Erfindung, sie haben sich das nicht ausgesucht. Trotz allem darf man durchaus streiten, welche Maßnahmen angebracht sind und welche nicht. Wer aber behauptet, dass sei doch alles nicht so schlimm, verhöhnt damit die wirklich Betroffenen.