Dreharbeiten zum Franken-Tatort: Ein Blick hinter die Kulissen in Bamberg
Autor: Harald Rieger, Petra Mayer
Bamberg, Sonntag, 14. August 2016
Eine der aufwühlendsten Szenen des dritten Franken-"Tatorts" ist der Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Bamberg. Ein Blick hinter die Kulissen.
Es ist weit nach Mitternacht. Ein Molotowcocktail fliegt durch die Luft. Eine Scheibe geht zu Bruch. Ein lauter Knall durchbricht die nächtliche Stille - und plötzlich steht die Lagarde-Kaserne in Flammen. Menschen stürmen panisch ins Freie.
Ein Szenario, zu dem es tragischerweise schon aus Fremdenhass in Flüchtlingsunterkünften kam. Im beschriebenen Falle jedoch "nur" eine Filmszene aus dem gerade in Bamberg entstehenden Franken-"Tatort", der das Thema kritisch durchleuchtet.
Die Lokalredaktion ist bei den Dreharbeiten live am Set mit dabei und wirft einen Blick vor und hinter die Kulissen. Bevor die große Explosion erfolgt und ein Stuntman brennend aus dem Ziegelbau der Lagarde-Kaserne rennt, wird es aber noch ein paar Stunden dauern. Noch andere Szenen stehen auf dem Drehplan.
Diverse Räume nachgebaut
Somit bleibt genügend Zeit, uns am Set umzusehen. In den alten Werksschuppen hat das Motivteam der Rat Pack Filmproduktion GmbH und des Bayerischen Rundfunks ganze Arbeit geleistet. Eine Gemeinschaftsunterkunft mit Stühlen und Tischen entstand, einer Küche und Schulutensilien wie Tafeln und dergleichen. Eine Halle weiter wurde eine improvisierte Schlafunterkunft nachgebaut.In den gegenüberliegenden Gebäuden sind ein Büro und eine Küche eingerichtet, die am späten Abend "abbrennen" wird. Nebenan haben Sebastian Bulst und seine Mannen von der Spezialeffekt-Firma "Magic FX" aus München ihre Utensilien abgestellt, die sie später für den Brand brauchen werden. Hier lagern vorübergehend unter anderem 24 Propangasflaschen, mehrere Feuerlöschdecken, zehn Feuerlöscher, jede Menge Kleinkram und Kabel.
Keine wirkliche Gefahr
Sebastian Bulst ist ein Spezialeffektler aus Leidenschaft: "Ich habe Industriedesign studiert, aber noch während der Studienzeit immer für den Film gearbeitet." Bulst ist seit 30 Jahren im Geschäft, hat die halbe Welt bereist und immer noch Spaß an seiner Arbeit, die trotz aller akribischen Vorplanungen letztendlich immer ein Restrisiko birgt.
Schäden tunlichst vermeiden
So hat Bulst beispielsweise eigens für Bamberg eine Vorrichtung gebaut, die eine Gasexplosion nachstellt und eine riesige Stichflamme mit lautem Knall aus dem alten Kasernengelände ins Freie schlagen lässt. Alle Feuerszenen sollen natürlich nur gefährlich und spektakulär aussehen, aber keine wirkliche Gefahr darstellen. Auch darf dabei kein Gebäude nur minimal beschädigt werden.Während unterdessen nach zahlreichen Stellproben mit drei der insgesamt vier Kommissare und den rund 20 Komparsen einige Szenen in der "Gemeinschaftsunterkunft" abgedreht werden, treffen die Bamberger Feuerwehr mit einem Löschfahrzeug und ein Trupp Rettungssanitäter mit einem Rettungswagen ein. "Wir sind heute nur als Brandsicherheitswache abgestellt. Nächste Woche aber werden wir selbst im Franken-,Tatort' mitwirken. Zum ersten Mal übrigens - und wir werden gefilmt, wie wir die in Brand geratene Unterkunft löschen", schildert Einsatzleiter Ewald Pfänder. Diese Szene kommt aber erst am 19. August in den Kasten.
Eine lange Nacht
Inzwischen sind dreieinhalb Stunden vergangen. Die Kommissare haben Feierabend und dürfen das Set verlassen. Auf die Komparsen und die Filmcrew - an dem Abend sind 99 Menschen im Einsatz - wartet jedoch noch eine lange Nacht. Nach Mitternacht wird es dann richtig ernst für Sebastian Bulst und seine Crew. Zunächst wird gedreht, wie der brennende Molotowcocktail von der Weißenburgstraße durch das Fenster in die Lagarde Kaserne fliegt. Die Szene muss einmal wiederholt werden. Daher wird zwischenzeitlich noch schnell das Fenster erneuert, denn es soll auch beim zweiten Dreh zersplittern.
Große Explosion
Eine Stunde später bereitet die Spezialeffekttruppe alles für die große Explosion vor. Alle am Set erhalten Ohrenschützer, die Feuerlöscher werden noch einmal überprüft und dann gibt es einen lauten Knall - eine riesige Stichflamme erhellt die regnerische Nacht. Erstaunlich dabei, wie ruhig und gelassen Kameramann Jürgen Jürges auf seinem Drehstühlchen sitzt und gelassen die meterhohe Stichflamme aus nächster Nähe filmtechnisch einfängt. Nach kurzen weiteren Vorbereitungen setzt Sebastian Bulst die Lagarde Kaserne in "Brand". Bei dieser Szene kommen nicht nur die Komparsen zum Einsatz, sondern auch Stuntman Matthias Schendel Chef vom Stuntteam-Germany, und seine Kollegin. Diesmal wird Schendel tatsächlich angezündet und muss aus der "brennenden Unterkunft" rennen. Seine Stuntkollegin spielt dabei eine Flüchtlingsfrau, die versucht, mit einem Handtuch das Feuer am brennenden Körper des Mannes zu löschen.
850 Grad heiße Flammen
Zwar sah die Szenerie optisch gut aus, doch Regisseur Markus Imboden war nicht ganz zufrieden und so müssen die Spezialeffektleute sowie das Stuntteam ein zweites Mal ran. Doch Matthias Schendel nimmt es gelassen, trotz der 850 Grad heißen Flammen.Die Zeit ist inzwischen weit fortgeschritten - es ist drei Uhr morgens. Aber noch ist am Set nicht Schluss. Eine Szene (ein "Passant" ruft in einer Telefonzelle die Feuerwehr herbei) muss noch in den Kasten, ehe die Crew das Equipment abbauen kann und Feierabend machen darf.
Kommentar von Petra Mayer: Alles für die Quote? Wie weit darf "Unterhaltung" gehen?
In Flammen steht das (fiktive) Bamberger Flüchtlingswohnheim, in dem von Krieg und Armut bedrohte Menschen Zuflucht suchen. Ein brennender Mann taumelt durchs Bild, er erleidet Qualen, während eine verzweifelte Frau mit einem Handtuch versucht, das Feuer zu ersticken: Eine Szene aus dem dritten Franken-"Tatort", der derzeit in Bamberg gedreht wird. Um dann am Sonntagabend zur besten Sendezeit Zuschauer zu unterhalten, denen das Abendbrot nicht im Hals stecken bleibt.
Sensationslust befriedigen
Sex and Crime: Klar, danach giert das Massenpublikum, das die Quoten bestimmt. Und die Zuschauerresonanz war beim zweiten Franken-"Tatort" eher enttäuschend. Wie weit aber dürfen Filmemacher gehen, um die Sensationslust zu befriedigen? Und inwieweit interessieren sich die Verantwortlichen dabei für die Gefühle der real existierenden Flüchtlinge, die später in der ARD sehen, wie sich deutsche Zuschauer die Langeweile vertreiben - in Zeiten des wiedererstarkenden Fremdenhasses, wie man ihn gerade in den sozialen Netzwerken ungehemmt auslebt? Während gewaltverherrlichende Computerspiele unter Generalverdacht stehen, toleriert man im Fernsehen seit Jahren zunehmende Brutalitäten, die Menschen auf Dauer ebenso abstumpfen lassen. Was, wenn dann irgendwann aus Fiktion traurige Realität wird?
Mit dem neuen "Tatort" hat eines der fiktiven Schreckensszenarien, mit dem das öffentlich-rechtliche Fernsehen Unterhaltung bietet, Bamberg erreicht - unsere beschauliche Stadt. Wie ist ein solcher Beitrag im Sinne des Bildungsauftrags zu werten? Soll er abschreckend wirken, Rassisten mit moralischem Zeigefinger bekehren?