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Lärmschutz: Ist Zapfendorf der Verlierer?


Autor: Johannes Michel

, Freitag, 10. Sept. 2010

Im "Lärmaktionsplan an Haupteisenbahnstrecken", der über 3000 Sanierungsbereiche in der Bundesrepublik enthält, rangiert Zapfendorf im hinteren Drittel.
Vor allem die Güterzüge erzeugen Lärm. Sie sind meistens noch nicht auf den aktuellen Stand der Technik umgerüstet. Fotos: Johannes Michel


Dass die Deutsche Bahn mit dem Streckenausbau nicht vorankommt, kann Tanja Bayer aus Zapfendorf nicht verstehen. "Man sollte eine Unterschriftenliste auslegen", fordert sie. Schließlich sei die erhöhte Lärmbelästigung der Anwohner offensichtlich. "Es heißt zwar, man gewöhne sich an den Lärm. Unser kleiner Sohn aber konnte lange nicht durchschlafen." Und auch das Entspannen im Garten im Sommer sei nicht möglich. Ähnlich denken viele Zapfendorfer, die nahe der Bahnstrecke München-Berlin wohnen.

"Die Gemeinde Zapfendorf geht nach den letzten Gesprächen mit der Deutschen Bahn davon aus, dass die ICE-Ausbaustrecke Nürnberg-Erfurt wie geplant 2017 in Betrieb geht", bezog Bürgermeister Josef Martin in der Sitzung des Marktgemeinderats Ende August Position. Andere offizielle Stellungnahmen liegen bisher nicht vor, bei der Bahn steht diese Jahreszahl nach wie vor auf dem Papier.

Während der Streckenabschnitt zwischen Ebensfeld und Erfurt wahrscheinlich bis 2017 fertig gestellt wird und die Neubaustrecke München-Nürnberg längst in Betrieb genommen wurde, sieht es für das verbleibende Teilstück zwischen Nürnberg und Ebensfeld aktuell eher düster aus. Darüber hat unsere Zeitung am 23. August 2010 ausführlich berichtet. Möglicherweise verschiebt sich die Inbetriebnahme der Strecke um sieben Jahre, sogar die Jahreszahl 2038 kursiert.


Nur im hinteren Drittel


Zapfendorf, kurz vor Ebensfeld gelegen, könnte zu den Verlierern zählen. Im "Lärmaktionsplan an Haupteisenbahnstrecken gemäß § 47 d Bundes- Immissionsschutzgesetz", der über 3000 Sanierungsbereiche in der Bundesrepublik enthält, rangiert Zapfendorf im hinteren Drittel. "Es ist davon auszugehen, dass Maßnahmen kurzfristig nicht ausgeführt werden und deshalb der langfristigen Strategie zuzuordnen sind", heißt es in diesem Plan, den die Regierung von Oberfranken aufgestellt hat. Mit anderen Worten: Zapfendorf bekommt von den etwa 150 Millionen Euro, die der Bund jährlich für die Lärmsanierung an Schienenwegen zur Verfügung stellt, in absehbarer Zeit nichts ab.

Anders sähe es nur aus, falls die Deutsche Bahn gravierende Änderungen an der Strecke vornehmen würde. Daher hofft die Gemeinde seit Jahren auf den Ausbau der Strecke, die von zwei auf vier Gleise erweitert werden soll. Die ICE von und nach Berlin würden dann zwei eigene Gleise erhalten, während die beiden anderen für Güterzüge und Regionalbahnen zur Verfügung stünden. Dies würde zwar insgesamt den Zugverkehr erhöhen, inklusive wären aber Lärmschutzwände und andere Maßnahmen, welche die Bahn bei einer solchen Erweiterung zwangsläufig mit einkalkulieren muss.

Neben dem Bau von Lärmschutzwänden hätte die Bahn natürlich weitere Möglichkeiten, den Lärmpegel zu verringern. Nicht infrage kommt eine Reduzierung der Geschwindigkeit. Viel interessanter sind aber Umrüstungen an den Gleisen, die aufgrund der unsicheren Situation auf der Strecke Nürnberg-Ebensfeld aber nicht zu erwarten sind. Maßnahmen, die sich auf die Fahrzeuge beziehen, hat die Deutsche Bahn ebenfalls nur rudimentär umgesetzt. Obwohl die höchste Lärmbelastung von den Güterwaggons ausgeht, wurden bisher nur 5000 von 135 000 Waggons mit so genannten Verbundstoffbremssohlen umgerüstet, was die Rollgeräusche um bis zu 10 dB(A) reduzieren kann. Die Kosten liegen zwischen 500 und 10 000 Euro pro Güterwagen. Nicht bekannt ist, ob die Bahn durch den Einbau von Radschallabsorbern, Verkleidung der Drehgestelle oder Abkapselung der Aggregate etwas für die Lärmbekämpfung tut, der Lärmaktionsplan spricht hier von einer Geräuschreduzierung bis hin zu 25 dB(A).


Westumgehung in Gefahr?


Mit dem Ausbau der Bahnstrecke könnte auch die Westumfahrung der Gemeinde Zapfendorf auf dem Spiel stehen - oder sich zumindest um viele Jahre verzögern. Der Grund: Im Süden Zapfendorfs muss die Deutsche Bahn in den nächsten Jahren den beschrankten Bahnübergang beseitigen und durch eine Unter- oder Überführung ersetzen. Im Norden soll ein Ersatz für den bisher in der Ortsmitte gelegenen Bahnübergang entstehen. Über oder durch diese soll einmal die Westtangente führen.

Verschiebt sich also der Bahnausbau, bleibt auch die Westumfahrung erst einmal links liegen. Und selbst wenn die Bahn die Übergange beseitigen sollte, ohne die Strecke auszubauen, würde sich erneut die seit Jahren diskutierte Standortfrage stellen - und auf die Gemeinde kämen erhöhte Kosten zu. In beiden Fällen sind die Anwohner der Bamberger Straße und der Hauptstraße die Verlierer, die am meisten von einer Umfahrungsstraße profitieren würden.

Der Lärmaktionsplan stellt die Situation für Zapfendorf hingegen weniger dramatisch dar. Zum einen berücksichtigt er nicht den möglichen Ausbau der Bahnstrecke, zum anderen geht er gerade einmal von 146 Bürgern in der Nacht und 25 Bürgern am Tag aus, die vom Zuglärm überdurchschnittlich stark betroffen sind. Explizit aufgelistet sind Angerstraße, Bahnhofstraße, Bamberger Straße, Cäcilienstraße, Fährweg, Hauptstraße, Klangweg, Mainstraße, Rosengarten, Weidenweg und Werkstraße. Die Berechnung kommt zustande, da Häuser als natürliche Lärmschutzwände gesehen werden und daher Gebäude in zweiter Reihe kaum noch als vom Lärm betroffen gelten. Das hält Tanja Bayer aus Zapfendorf für "absoluten Unsinn".


"Papiertiger"


Einige Gemeinderäte bezeichneten in der erwähnten Sitzung den Lärmaktionsplan daher auch als "Papiertiger", der zum aktuellen Zeitpunkt überhaupt nichts bringe. Im Lärmaktionsplan heißt es wörtlich: "Die DB AG wird ihre Prioritäten aufgrund der nun erstellten Lärmminderungspläne erklärtermaßen nicht anpassen." Das heißt im Klartext: Kein Streckenausbau = kein Lärmschutz. Die Anwohner, die sich nun auf eine längere Wartezeit bis zum Ausbau der Strecke einstellen müssen, haben bereits selbst Maßnahmen ergriffen. Während eine Familie ihre Schlafzimmer auf die andere Seite des Hauses verlegt hat, setzt eine andere auf Schallschutzfenster. Verzögert sich der Ausbau wirklich derart stark, wie aktuell kursiert, stünde Zapfendorf schlecht da. "Wenn der Lärmschutz einmal kommen sollte, hätten wir auch noch gerne länger etwas davon", meinte eine Bürgerin mittleren Alters. Danach sieht es momentan allerdings nur bedingt aus.