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KulturTafel Bamberg dreifach ausgezeichnet


Autor: Petra Mayer

Bamberg, Samstag, 14. Dezember 2013

Einen Preis nach dem anderen heimste eine Bamberger Initiative in den vergangenen Wochen ein: Dreifach ausgezeichnet wurde die KulturTafel, dank der bedürftige Menschen am gesellschaftlichen Leben mehr als bislang teilnehmen können. Nur mangelt es noch am Angebot für Kinder.
Bei einem Besuch im Naturkundemuseum: Madina, Zaira, Maka, Samira, Rajana und Leni als kleine Gäste der KulturTafel. Foto: Ronald Rinklef


Sich im Theater bei einer Premiere in fantastische Welten zu träumen: ferner Luxus für Menschen, die von staatlichen Hilfen leben. Der Besuch einer Oper, eines Konzertes der Bamberger Symphoniker oder eines Popstars wie Nena: kaum zu finanzieren für alle, die im Schatten der Wohlstandsgesellschaft stehen und mit jedem Euro rechnen müssen, - ob sie nun Arbeitslosengeld beziehen oder mit ihrer kleinen Rente monatlich gerade über die Runden kommen. "Kann es aber sein, dass bedürftige Menschen auf diese Weise von etlichen Kulturangeboten ausgeschlossen sind?", fragte sich Nina Kusnezow vor zwei Jahren und initiierte in Bamberg ein Projekt, das in Marburg, Berlin und Hamburg zuvor schon Schule machte: die KulturTafel entstand, die in den vergangenen Wochen mit drei Auszeichnungen gewürdigt wurde.

So erhielt das Angebot des Diakonischen Werkes Bamberg-Forchheim und des Evangelischen Dekanates Bamberg den Deutschen Bürgerpreis der Sparkasse Bamberg, den ConSozial Managementpreis der größten Sozialmesse des Landes und den Ehrenamtspreis der Evangelischen Kirche in Bayern.


Ein sehnlicher Wunsch


Welche Erfolge ihre Initiative nach verhältnismäßig kurzer Zeit feiert, hätte sich Nina Kusnezow anfangs sicher nicht träumen lassen. "Aber ich wusste, wie groß der Wunsch vieler Menschen ist, Konzerte zu besuchen und andere kulturelle oder sportliche Veranstaltungen, die sie sich normalerweise nicht leisten könnten", meint die Projektleiterin der KulturTafel, die sich darüber hinaus für die Evangelische Aussiedlerarbeit im Dekanat engagiert und die Nöte auch jener Familien kennt.

"In unserer Gesellschaft ist man nur was, wenn man sich was leisten kann", meint Nina Winter (Name von der Redaktion geändert), die als Gast zur KulturTafel kam und hier mittlerweile mitarbeitet. In einer Phase der beruflichen Neuorientierung hatte sie selbst nicht die nötigen Mittel, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. "Dank der KulturTafel aber gehört man für einen kostbaren Moment lang dazu", so die 36-Jährige. Das Gefühl der Minderwertigkeit, unter dem bedürftige Menschen angesichts der Wohlstandsgesellschaft leiden, könnten entsprechende Erlebnisse mindern und helfen, Berührungsängste abzubauen. "Eine ältere Dame, die ich begleitete, scheute sich sogar, Karten an der Theaterkasse abzuholen. Sie fürchtete, über ihre einfache Kleidung als mittellos erkannt zu werden."


Zu spielen der Brose Baskets

Groß ist das Interesse auch an Sport-Events bis hin zu Spielen der Brose Baskets, für die die KulturTafel schon V.I.P.-Tickets vermittelte. Ja, mancher saß dank der Initiative schon bei Spitzenveranstaltungen in der ersten Reihe, über die er sich sonst aus zweiter Hand informieren müsste. Als "unvergessliches Erlebnis" beschrieb ein KulturTafel-Gast in diesem Sinne auch ein Event, das er gleich neben dem Erzbischof auf dem Platz von OB Starke genoss, der seine Karte gespendet hatte.

So gehört Bambergs Stadtoberhaupt zu den rund 200 Menschen, die die KulturTafel neben Veranstaltern unterstützen. Darunter Abo- und Dauerkarten-Besitzer, mit deren Hilfe Franken mit geringem Einkommen in den Genuss einer Theater-Vorstellung, eines Symphoniker-Konzertes oder eines Basketball-Events kommen, bei dem sie selbst verhindert sind. Statt Tickets verfallen zu lassen, melden sich Bamberger via Anruf oder Mail bei der KulturTafel und überlassen den angestammten Platz einem weniger betuchten Zeitgenossen.

"Auf 1100 Gäste, die solche und etliche andere Angebote nutzen, kommen wir mittlerweile: Menschen aus Stadt und Landkreis, nachdem die KulturTafel seit 2012 auch Bewohner aus dem Umland unterstützt", sagt die Projektleiterin. Über 4640 Tickets seien seit 2011 vermittelt worden. Eine Bilanz, an der über 80 Veranstalter mitstrickten, die Karten zur Verfügung stellten und davon auch profitierten, wie Ute Nickel als Pressebeauftragte des Diakonisches Werkes und Evangelischen Dekanates berichtete. "Schließlich können sie über Kulturtafel-Gäste Plätze auf elegante Weise füllen, die anderweitig leer geblieben wären." Wobei man dank eines ausgeklüngelten Systems Interessenten mit entsprechenden Neigungen innerhalb kürzester Zeit findet. "So werden die Vorlieben jedes Gastes erfasst und beispielsweise auch Menschen wieder ausgeschlossen, die gestiftete Tickets verfallen ließen."


"Wo der Staat versagt"

13 ehrenamtliche Mitarbeiter engagieren sich neben Nina Kusnezow mittlerweile bei der KulturTafel, um mehr und mehr Angebote an Land zu ziehen oder beispielsweise auch die Web-Site als Info-Plattform mitzugestalten. "Wir setzen an einer Stelle an, an der der Staat versagt", meint Katharina L.: "Man kann Menschen doch nicht den Zugang zur Kultur - als Exklusivangebot für nur einen gewissen Prozentsatz - verwehren." Derzeit setzt sich die Bambergerin für Kinder von Asylbewerbern ein, die bei "Sing.Vogel" als Chor- und Kulturprojekt des Musikzentrums mitwirken. Einmal wöchentlich begleitet sie fünf Mädchen aus Tschetschenien und Inguschetien aus der Gemeinschaftsunterkunft An der Breitenau zu den Treffen, bei denen Fünf- bis Elfjährige Lieder einstudieren, Instrumente spielen, Collagen und Geschichten gestalten, um später vor Publikum zu glänzen. "Sie lernen andere Kinder kennen, statt ausgeschlossen zu sein. Auch das ist für die Mädchen eine Chance - neben dem gemeinsamen Singen und Musizieren."

"Spiel Dein Instrument", nennt sich eine weitere Offerte der Musikschule im Musikzentrum, die sich an den Nachwuchs wendet. Auch gab's Theatervorstellungen für kleine Gäste der Kulturtafel. Dennoch beklagt die Leiterin des Projekts ein gewaltiges Defizit gerade in dem Bereich, der Bildungspolitikern am Herzen liegt. "Wir haben dringenden Bedarf an Angeboten, die Kindern zugute kommen - ob es dabei um Theater, Konzerte oder andere Veranstaltungen geht." Auch den Besuch von Kinovorstellungen könne die Kulturtafel Jungen und Mädchen bislang nur selten ermöglichen. "Wir würden uns über eine Unterstützung gerade in dieser Hinsicht freuen."


Als Alltagshelden gefeiert

Vielleicht bringen die drei Auszeichnungen noch Steine ins Rollen, bei denen man die Mitstreiter der Kulturtafel als "Alltagshelden" feierte. Und würdigte, dass viele Gäste selbst zu Kulturvermittlern wurden, wie es in der Begründung der Jury bei der ConSozial hieß, die das Projekt ja ebenfalls würdigte: Zumal Bambergs Kulturtafel neben der Münchner Einrichtung im Freistaat Pionierarbeit leistete, wie Ute Nickel berichtete. Aber überlassen wir Gästen das Schlusswort, die sich bei den Organisatoren bedankten. Wie Ulrike G., die sich freute, über Angebote "dem tristen Alltag entfliehen" zu können: "Man bekommt wieder mehr Kraft", schrieb die Bambergerin, wie auf der Homepage der KulturTafel nachzulesen ist. "Bei der wunderbaren Akustik in der Konzerthalle war es ein besonderes Erlebnis, den Bamberger Symphonikern zu lauschen. Balsam und Inspiration für die Seele", freute sich Frank N., der wie alle anderen genannten Gäste anonym bleiben wollte.