Künstlerin verarbeitet 206 Strumpfhosen
Autor: Rudolf Görtler
Bamberg, Donnerstag, 03. Sept. 2015
Drei Künstler jeweils aus den Berufsverbänden Bildender Künstler (BBK) Ober-, Mittel- und Unterfranken stellen im Bamberger Kunstraum Kesselhaus aus, dem früheren Technikgebäude des alten Krankenhauses.
In wohl keinem anderen Ausstellungsraum der Region korrspondieren die Exponate und das Ambiente so eindringlich wie im "Kesselhaus", dem ehemaligen Technikgebäude des alten Krankenhauses der Domstadt. Das entfaltet nach umfangreichen Bau-, d. h. Brandschutzmaßnahmen einen ganz eigenen Reiz. Denn Lofts und stillgelegte Fabriken sind in der eher handwerklich-kleinbürgerlich geprägten Stadt selten.
Das hat auch die lokale Kunstszene bereits vor Jahren erkannt, soll heißen der Kunstverein und der Berufsverband Bildender Künstler Oberfranken. Letzterer veranstaltet zusammen mit den Sektionen des Verbands aus Mittel- und Unterfranken bereits seine vierte Gemeinschaftsausstellung im Kesselhaus, Titel folgerichtig: "Trio/4". Ergo vertritt jeweils ein Künstler, im Falle Unterfrankens eine Künstlerin, die nordbayerischen BBK-Regionen.
Sie haben an den bis zu sieben Meter hohen Wänden mit heute schon antiquiert wirkenden Schaltkästen, der rohen Komposition aus Stahl, Beton und Mauerwerk, auch genügend Platz, sich zu entfalten. Das nützt besonders der Jüngste (Jahrgang 1979) des Trios, der aus Chile stammende Jaime Gajardo, noch relativ neu im BBK Oberfranken. Seine großflächigen, monumentalen Malereien bilden Landschaften ab, etwa die Calanques, Felsformationen an der südfranzösischen Küste bei Marseille. Freilich modernistisch gebrochen, mit den großformatigen Schinken des 19. Jahrhunderts haben Gajardos Ölgemälde wenig gemein.
Er verdünnt die Farbe stark, kalkuliert bewusst Rinnsale nach unten ein. So fasert eine im oberen Teil zwar unscharfe, wenig definierte, doch halbwegs gegenständliche Ansicht nach unten aus, zerfließt, bis sich in der Gesamtschau ein Bild ergibt, als hätte ein Exponent des abstrakten Expressionismus Farben auf die Leinwand geworfen.
Christine Wehe-Bamberger (Jg. 1951, Bad Königshofen hat ihre Installation "Europas Frauen 2015 - Freilich lieb" in ähnlicher Form bereits in Bulgarien präsentiert, zu realsozialistischen Zeiten. Was zur Folge hatte, dass ihr Kunstwerk litt. Damals waren dessen essenzielle Bestandteile, schwarze Damenstrumpfhosen, sehr begehrt. Jenseits des Anekdotischen symbolisieren die quer durch den Raum gespannten 206 Wäschestücke, darin eingebunden Kinderwagen und -wippe, das Spannungsfeld der modernen Frau zwischen Beruf und Kinderaufzucht. Die Schmuckperlen am Strumpfhosenbund harren allerdings noch der Interpretation.
Optimal an den Raum angepasst sind Franz Ulrich Janetzkos (Jg. 1951, Langenzenn) aus Beton gegossene Kleinplastiken. Ironisch betitelt wie "Süßwarenkombinat in Pjöngjang" oder "Unser Dorf soll schöner werden", enttäuschen sie die Erwartung von Perfektion, verfremden antike Ideale oder verdrehen eine Siegessäule. Janetzkos Werke sind die originellsten des Trios, weil sie sich dem Ausstellungsraum so anschmiegen.
Die Ausstellung "trio/4" ist bis 13. September zu sehen im Kunstraum Kesselhaus, Bamberg, Untere Sandstr. 42 (Eingang Leinritt), Fr. 15-18, Sa./So. 11-18 Uhr.