Druckartikel: Krisen meistern mit "Beauty-Grinsen"

Krisen meistern mit "Beauty-Grinsen"


Autor: Bertram Wagner

Bamberg, Sonntag, 17. April 2016

Annette von Bamberg (Annette Grabiger): "Es gibt ein Leben über 50 - jedenfalls für Frauen". Am Freitag, 22. April, ist die nächste Vorstellung.
Wer als Frau ab 50 in eine Krise stürzt, Annette Grabiger weiß Rat. In ihrem neuen Programm geht es nicht um Jammern und Wellness. Optimismus und "es krachen lassen" lautet ihr Rezept, das auch Männern, besonders natürlich Frauenverstehern, hilft und Freude bereitet. Fotos: Bertram Wagner


Mit ihrem zweiten kabarettistischen Solo-Programm vollzog Annette Grabiger als "Annette von Bamberg" eine 180 Grad-Kehrtwendung, von wegen "Warum immer ich?" mit den vielen Fettnäpfchen des Lebens, in "Es gibt ein Leben über 50 - jedenfalls für Frauen" dagegen überschäumender Optimismus, verbunden mit Aussicht, dass es im zweiten Lebensabschnitt "richtig ab geht" und das weibliche Geschlecht an keiner Krise verzweifelt.
Der Neustart ins Leben begeisterte im ausverkauften Nana Theater des Kaulberg Clubs nicht nur die Frauen - die meisten im angesprochenen "Krisen-Alter" - , sondern auch das Viertel an Männern, die alle ein dickes Fell besitzen mussten, nachdem die Ü50-Frau schon gewaltig austeilte, jedoch nie unter die Gürtellinie. Frauenversteher waren gefragt!

"Darf ich noch oder muss sich schon?", rätselte zunächst die "Nette von Bambärch" in ihrem "Zwischenalter", ohne Gefühl fürs Alter. Wer erwartet hatte, dass Botex, Orangenhaut, Schönheits-OPs, junge Lover und sich Wechseljahr-Gejammere wie ein roter Faden durch die sehr kurzweiligen 100 Minuten ziehen würden, der durfte sich hocherfreut wundern, dass sich Grabiger auf diese abgedroschenen Klischees nicht einließ.


Beim Lach-Yoga gelernt

Der Doppelschlag getreu dem Motto "Ich ich sein" und die Seitenhiebe auf die an der 50er-Krise verzweifelten Männer gelang bestens, zumal die Solistin oft die Personen wechselte und viel mit ausdrucksstarker Gestik und Mimik darstellte, dass im Leben einer Fünfzigerin nicht mehr Perfektionismus und Pflichten bestimmend sind. Wer ein Lach-Yoga-Seminar, das Grabiger wahrhaft besuchte, durchzieht, der beherrscht das "Beauty-Grinsen", das auch einer "alten Schachtel" großen Spaß bereitet. Das Publikum machte einen Schnellkurs mit, also von wegen Contenance verlieren und in Selbstmitleid zerfließen.


Mitleid mit den Männern

Apropos Mitleid: Eine große Portion hatte sie für die Männer übrig, bei denen die Natur versagt und die Haare an den falschen Stellen wachsen. Wer sich dennoch einer jungen Freundin widmet, für den ist die Krise besonders schlimm. Während die bösartige Ehefrau ihn um die Ecke bringt - dargelegt mit blutrünstigen Zeitungs-Headlines - lacht sich die Intelligente ins Fäustchen. "Das wird der wahre Horror für ihn, da ist in Action angesagt und Whatsapps schreiben. Wie lange hält ein 50er das durch?", fragt Grabiger Richtung Gigolo.

Und bei den Frauen? "Da gibt es eine Prosecco-Peer-Group in trauter Runde. Frauen setzen sich überall durch!" Letzte Bastion: Die katholische Kirche. Zunächst wundert sich die toughe 52-Jährige, die nicht wie mit einem Edding-Stift gezogener Strich in der Landschaft aussehen will, über den Reichtum der Kirche, eine Bischöfin könnte mit dem großen Erzbischof-Wohnzimmer doch viel mehr anfangen. Auch beim letzten Abendmahl hätte es mit Jüngerinnen mehr Speisen gegeben. "Aber auch mehr Verräterinnen!"

"Durchhalten, Männer!", warnte die Kabarettistin, bevor sie als Emanze, die am meisten Feinde besitzt, so richtig vom Leder zog und provozierte. Die Männer, die Angst im Dunkeln hätten, überstanden diese Phase mit frauenfeindlichen ICEs und das Ende der Ära der heimlich rauchenden Frauen locker. Natürlich wurden auch alle Figurprobleme ("obwohl es fünf Kilo weniger sein könnten") geleugnet. "Alles nur eine Frage der Kleidergröße. Raffiniert einkaufen und die Bluse schlabbert. Und schon heißt es: Hast Du aber abgenommen!"

In Anlehnung an das Tourette-Syndrom mit ungewollten, lautstarken Äußerungen zeigte sie sich am wortgewaltigsten, endlich lossagen vom immer überlegten Reden polterte sie unvernünftig über Autofahrer und noch eindrucksvoller beim Elternabend in der Schule. Überraschende Befreiungsschläge mit seltsamen Dingen, so wird auch aus der A70 eine Ü55-Party auf der Autobahn mit viel Prosecco, dem "Klosterfrau-Melissen-Geist des 21. Jahrhunderts"!

Annette Grabiger mit ihren weiblichen Überlebensstrategien landet mit ihrem Programm eine Punktlandung. Mit ihren Treffern verließ sie die Grenzen des guten Geschmacks nicht, aber Kabarett darf auch ein bisschen wehtun.


Nächster Auftritt am Freitag

Am kommenden Freitag, 22., und eine Woche darauf, am 29. April - ebenfalls im Nana Theater - stehen die nächsten Ausgaben Frauen-Krisenbewältigungen an. Sicher auch wieder mit Männern, die sich nicht der Schwerkraft, den Jogginghosen und dem Sofa unterwerfen. Über solche Männer freut sich Grabiger ganz besonders!