Kosmetik statt Denkmalschutz: Was wird aus den Unteren Mühlen in Bamberg?
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Dienstag, 11. Oktober 2016
Experten kritisieren den Abbau der alten Sterzersmühle als respektlos. Eine bloße Applikation der alten Steine auf Beton ist für sie nur "Deko".
Es schien so, als ob sich der Streit um die Unteren Mühlen endlich gelegt hätte. Nach jahrelangem Diskurs hatte der Stadtrat die Entwürfe des Bamberger Architekten Heinz Rosenberg mit großer Mehrheit abgesegnet, ebenso die dafür nötige Demontage der alten Mühlenreste. Doch kaum sind die ersten Baumaschinen unterwegs, regt sich Widerspruch.
Es ist Stephanie Eißing. Die Kunst- und Bauhistorikerin, auch als Bamberger Heimatpflegerin bekannt, weiß, dass die Ruine nicht in der Denkmalliste steht. Gleichwohl stellt sie die Frage, ob sich die Bamberger Öffentlichkeit darüber im Klaren sei, dass das, was derzeit im linken Regnitzarm passiert, mit klassischer Denkmalpflege nichts zu tun habe. Eher sei es Stadtbildpflege, eine Art von Erinnerungskultur oder gar das fragwürdige Unterfangen, ein modernes Gebäude mit "netter historischer Deko" zu versehen. "Ich möchte den Wiederaufbau nicht verurteilen, aber respektvoll ist dieser Umgang mit den alten Resten ganz sicher nicht."
Bisher nicht informiert
Was Eißing ärgert: Bis zur Berichterstattung über das Demontageprojekt im FT war die Bamberger Heimatpflege davon ausgegangen, dass die Mühlenreste an Ort und Stelle restauriert und in den Neubau integriert werden. Was jetzt passiere, der planvolle Abriss und die spätere Rekonstruktion von zwei Dritteln der alten Sandsteine, widerspreche allen Regeln des Denkmalschutzes. Denn natürlich verliere ein solches Gebäude "Historizität", wenn die alten Sandsteine ohne Patina, unter Verlust des alten Mörtels und in diesem Fall auch der inneren Wandschale nur noch auf eine moderne Betonwand appliziert werden. "Da hätte ich es ehrlicher gefunden, gleich ganz auf die Reste zu verzichten."
Stadtheimatpflegerin Eißing steht mit ihrer Meinung nicht allein. Auch die Schutzgemeinschaft Alt Bamberg wusste bis vor kurzem nicht, dass es keine Sanierung der Unteren Mühlen geben wird, sondern nur eine oberflächliche Rekonstruktion der alten Sandsteine. "Sonst hätten wir uns einem solchen Plan auch widersetzt", sagt Vorsitzender Jörg Händler.
Lob von der Schutzgemeinschaft
Dabei war es gerade die Schutzgemeinschaft, die anders als andere Stimmen in Bamberg das Vorhaben des Münchner Investors Johannes Kraus unterstützt hatte. Die unendliche Geschichte strebe einem guten Ende zu, hieß es in der jüngsten Vereinszeitschrift. Lobend wurde erwähnt, dass die Mühlenreste weitgehend erhalten blieben, dass sich der Neubau nicht in den Vordergrund dränge und keine "falsche künstliche Historie vorgegaukelt" werde.Doch genau in diesem Punkt muss sich Händler jetzt korrigieren: "Ein altes Gebäude abzubauen und in Teilen wiederzuerrichten, ist nicht echt, sondern das Gegenteil von Denkmalpflege. Hier wird der alte Zustand nur vorgetäuscht. Das ist Kosmetik."
Doch es hatte gute Gründe, dass im Rathaus vor wenigen Wochen kein Widerspruch auftauchte, als der Bamberger Architekt Heinz Rosenberg seine Pläne erläuterte. Auch nach dem Abbau eines Großteils der über die Brückensohle hinausragenden Mauerreste verteidigt er die Demontage, bei der jeder Stein nummeriert wird. Dabei habe sich gezeigt, dass der Erhaltungszustand des Bauwerks noch schlechter war als angenommen. "Die drei Wandscheiben waren total marode. Sie wären in kleine Stücke zerfallen, hätten wir versucht, sie zu sichern. Auch weiteres Ausheben im Untergrund und eine Baustellenzufahrt wären nicht möglich gewesen", sagt Rosenberg und widerspricht Mutmaßungen, dies seien nur vorgeschobene Argumente. Das könne man schon daran erkennen, dass Abbau und Rekonstruktion der Sandsteinfassade den Bauherren sehr viel Geld kosten würden - mehr als eine Sicherung.
Der Architekt, selbst Mitglied bei der Schutzgemeinschaft, spricht davon, dass man versuche, das Erscheinungsbild wiederherzustellen, wie es die Bamberger von der jahrzehntealten Ruine im Kopf hätten. Sie sei eine letzte Erinnerung an die Wunden des Zweiten Weltkriegs. Es müsse auch nicht befürchtet werden, dass es am Ende gar nicht zum Wiederaufbau komme. "Die Stadt hat sich zur Sicherheit eine sechsstellige Summe einräumen lassen."
