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Kopf hoch! Das Handy kann warten


Autor: Klartext!-Schülern

Bamberg, Montag, 30. Oktober 2017

Wer aufs Display statt auf die Straße schaut, kann sich und andere in brenzliche Situationen bringen. Die 9a der Maria-Ward-Realschule hat nachgeforscht.


"Spinnst du, pass doch auf den Weg auf", kreischt ein Mädchen, das beim Überqueren der Bamberger Edelstraße vor dem Neubau der Schule von einem abgelenkten Radfahrer beinahe erfasst wird.
Solche Vorfälle passieren oft im Straßenverkehr. Ein ausschlaggebender Grund dafür ist die Ablenkung durchs Smartphone. Vor allem Jugendliche verlockt es immer wieder dazu, einen Blick auf die Social-Media-Plattformen zu werfen.
Die Statussymbole von heute sind: Kopfhörer! Damit kann man sich jederzeit von Musik berieseln lassen - auch im Verkehr. Das ist aber nicht nur für Auto- oder Radfahrer gefährlich, sondern erst recht für Fußgänger, die ja ohne Knautschzone oder Helm unterwegs sind.
Zwei Drittel der Unfälle mit Stöpseln im Ohr oder Kopfhörern in Bamberg widerfahren Jugendlichen, fast 90 Prozent davon in der Stadt, haben wir von der Bamberger Polizei erfahren.
Grund genug für die Klasse 9a der Bamberger Maria-Ward-Realschule, den Selbstversuch zu wagen und unter Aufsicht mit Musik auf den Ohren aufs Fahrrad zu steigen. Unser Fazit: Das ist nicht ungefährlich.


Todesfälle nicht ausgeschlossen

Das ganze Jahr hindurch sind Smartphones schuld an Fahrradunfällen, erklärt uns Ines Schellmann von der Polizeidirektion Bamberg-Stadt: Man ist durch die Ablenkung nicht nur eingeschränkt in seinem Reaktionsverhalten, sondern kann auch den Verkehrsfluss nur schwer wahrnehmen, sagt Schellmann. Die jüngere Generation verwende häufiger das Handy, jedoch griffen auch Ältere am Lenker zum Smartphone: "Grundsätzlich verzeichnen wir solche Verstöße bei nahezu allen Altersgruppen, jedoch am wenigsten bei der Gruppe 60 plus", erläutert die Polizistin.
Von 2010 bis 2016 verzeichnete die Polizei in Bamberg 26 Handyverstöße bei Radfahrern und 357 bei Autofahrern. Fahrradfahrer, die die Augen nicht vom Display lassen können, zahlen eine Geldstrafe von 25 Euro, Autofahrer neuerdings 60 Euro.


Bei Unfällen beschlagnahmt die Polizei die Smartphones

Da diese Gefahr anscheinend nicht ernst genug genommen wird, führt dies in vielen Fällen zu Auffahrunfällen oder zum Abkommen von der Straße. "Glücklicherweise", sagt Schellmann, "überwiegen bei Unfällen mit Handynutzung Verletzungen leichter Art, allerdings hatten wir auch Fälle, in denen die betroffenen Personen schwere Verletzungen erleiden mussten. Todesfälle nicht ausgeschlossen." Bei solchen Zusammenstößen beschlagnahmt die Polizei das Smartphone des Unfallverursachers, um zu überprüfen, ob derjenige durch das Mobiltelefon womöglich abgelenkt war.


Waffen im Straßenverkehr?

Doch auch E-Bikes können zum Problem werden, betont die Polizistin. Was steckt hinter den Wunderraketen? Sind es Waffen im Straßenverkehr? "Immer mehr Menschen kaufen ein E-Bike", weiß Siegfried Bürger, Radspezialist im Bamberger Fahrradhaus Griesmann. "Um genau zu sein, 20 Prozent. Und es werden immer mehr jüngere Leute, die sich das Bike zulegen wollen, da es nicht nur für körperliche Schwächen oder Behinderungen geeignet ist, sondern einfach auch für den Fun." Nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands wurden 2014 in Deutschland 480 000 E-Bikes verkauft - 70 000 mehr als im Jahr zuvor. 95 Prozent davon waren die langsameren Pedelecs.


Im Blindflug unterwegs

Inzwischen hat jedes zehnte verkaufte Rad in Deutschland einen Elektroantrieb, 2,1 Millionen E-Bikes sollen mittlerweile unterwegs sein. Mit Folgen: "Statistisch gesehen ist das Risiko, bei einem Pedelec-Unfall ums Leben zu kommen, viermal höher als bei Unfällen mit herkömmlichen Rädern", betont Bürger. "Und wenn man dann noch das Smartphone benutzt oder Musik über Kopfhörer hört, will man gar nicht wissen, was die Konsequenz ist."
Ist man etwa bei 50 Stundenkilometern nur eine Sekunde abgelenkt, legt man 14 Meter zurück, ohne auf die Fahrbahn zu achten. Beim Radfahren werden beide Hände am Lenker gebraucht, um rechtzeitig auf Hindernisse oder Gefahren reagieren zu können. Radfahrer haben keine Knautschzone und tragen damit ein erhöhtes Verletzungsrisiko. Um einen Anruf entgegenzunehmen, müssen sie anhalten. Sonst riskiert man ein Bußgeld - und sein Leben.
Da in der Bamberger Edelstraße, an der die Maria-Ward-Schulen angrenzen, wieder Autos fahren dürfen und die Schülerinnen sicher von einem Schulgebäude zum anderen kommen sollen, entwirft die Schule gerade ein Sicherheitskonzept.
Doch schon heute haben wir Schülerinnen einen Wunsch: "Wichtig ist aber auch, dass die Autofahrer auf uns aufpassen und das Handy einfach mal liegen lassen. Kopf hoch! Das Handy kann doch warten."
Von Lorena Densch, Jessica Kappel, Lissette Fürst-Garcia, Ina Räder, Sina Asimus, Klasse 9aR, Maria-Ward-Realschule Bamberg


Umfrage: Was sagen die Bamberger zum Smartphone im Straßenverkehr?

Wie halten es denn die Bamberger mit der Benutzung des Smartphones im Straßenverkehr? Wir haben nachgefragt!

Elisabeth (24), Studentin: "Gefährlich, teilweise nervig, weil man einfach umgerannt wird. Auch ich schaue manchmal auf das Handy, aber nicht zu oft, weil ich es eben bei anderen auch nicht in Ordnung finde."

Kurt (58), Lokomotivführer:
"Grauenhaft finde ich es. Sagen wir es mal so: Die Leute achten nicht mehr auf den Verkehr, sie reden auch nicht mehr miteinander. Ich denke, ihr vier schreibt euch auch mehr Nachrichten, als dass ihr miteinander redet. Im Bus kann man erkennen, dass die Kommunikation eingeschränkt ist. Das Handy zu verbieten, das macht keinen Sinn, aber bewusst mal darauf zu achten, auch ohne das Ding am Leben teilzunehmen, das wäre schon wünschenswert."

Janina (31), Verwaltungsbetriebswirtin:
"Generell finde ich die Nutzung im Straßenverkehr gar nicht gut, aber als Navigationsgerät ist es schon sinnvoll."

Von Eva Rottmann, Emilia Köhler, Regina Erhardt und Eva Schwarzmann, Klasse 9aR, Maria-Ward-Realschule Bamberg


Gefährlich geräuschlos: Elektroautos können für Hörgeschädigte zur Gefahr werden

Das Ohr ist eines der wichtigsten Sinnesorgane des Menschen. Es sorgt nicht nur dafür, dass wir hören können, sondern auch dafür, dass wir beim Sport im Gleichgewicht bleiben und die Orientierung im Straßenverkehr behalten.
Doch was ist, wenn die Ohren Klänge und Worte nur eingeschränkt verarbeiten können? Unsere Mitschülerin Kimberley hat eine zentral-auditive Wahrnehmungsstörung und erklärt uns, wie sie ihre Umwelt akustisch wahrnimmt: Sie hört viele Geräusche gleichzeitig, kann aber nicht das Wesentliche herausfiltern. Alles wirkt gleich laut: "Wir hören denselben Laut, aber unscharf und ungenau. Dadurch entsteht bei mir oft Unsicherheit." Ein erhöhtes Risiko im Straßenverkehr habe sie nicht, vermutet Kimberley. Doch: "Wir müssen von Anfang an lernen, auf uns selbst zu achten, da wir die Richtung des Lautes erkennen müssen, um richtig zu reagieren." Elektroautos allerdings sind ein Problem - wegen der Geräusche, die sie nicht machen. "Manche Autos gibt es, die ich wirklich gar nicht höre, ich sehe sie nur an mir vorbeiziehen." Kimberleys Wunsch: "Vielleicht spezielle Töne aus Außenlautsprechern!"
Von Alina Dzwoniarski, Lara Steber, Anna Schlauch und Leonie Scharf, Klasse 9aR, Maria-Ward-Realschule Bamberg