Konversion: Waren die Schweinfurter schneller als die Bamberger?
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Mittwoch, 21. Dezember 2016
Die Bürgerinitiative "Army-Gelände in Bürgerhände" kritisiert die mageren Erfolge der Konversion in Bamberg. Viele Chancen seien verspielt worden.
Es ist ein dicker Packen Papier. 100 Seiten Konversionsgutachten mit vielen Szenarien für das ehemalige US-Gelände, inklusive der Schaffung von Hunderten neuer Wohnungen. Was stutzen lässt, ist das Datum. Der Abschlussbericht datiert auf 20. März 2013. Damals hatte die Bürgerbeteiligung in Bamberg noch lange nicht begonnen. Das Rätsel klärt sich rasch. Was uns Christine Lawrence und Hedwig Luster auf den Tisch gelegt haben, ist das Konversionsgutachten für die Stadt Schweinfurt. Für die beiden Sprecherinnen der Bamberger Initiative "Armygelände in Bürgerhände" ist das Papier aus der Nachbarstadt kein Anlass zur Freude. Es führe vor Augen, was auch in Bamberg hätte geschehen können, wenn man die Umwandlung des US-Geländes ebenso rechtzeitig und entschlossen wie die Schweinfurter angegangen wäre. Doch das sei nicht passiert.
Ende 2014 gingen die Amerikaner
Dabei war die Ausgangslage durchaus vergleichbar: Ende 2014 verließen die Amerikaner ihre Garnisonen in Franken, darunter auch die drei Standorte in Schweinfurt. 74 Hektar Kasernengelände waren im Stadtgebiet gleichsam über Nacht verwaist. Allerdings: Anders als in Bamberg haben sich die Stadtverantwortlichen viel früher Gedanken über die Zukunft des Geländes gemacht, wie Recherchen zeigen. Schon eineinhalb Jahre vor dem Abzug der US-Soldaten hatten die Schweinfurter das Konversionsgutachten samt Bürgerbeteiligung in der Tasche - Voraussetzung für den Kauf der Ledward Barracks bereits 2015, der Area Kessler Field mit Yorktown Village und der Wohnsiedlung Askren Manors Anfang 2016.Die Ergebnisse sprechen für sich: Bereits im Mai 2016 wurden in Schweinfurt 65 Doppelhaushälften zwischen 92 000 und 132000 Euro verlost. Der Ansturm war riesig. 896 Interessenten bewarben sich um einen Zuschlag. Auf einen vergleichbaren pragmatischen Übergang der Offizierssiedlung in Bamberg mit immerhin 34 Häusern wartet man Ende 2016 noch vergeblich. Auch zum Beginn des dritten Konversionsjahres steht Bamberg mit vergleichsweise leeren Händen da, was Effekte der Konversion für viele Bürger angeht. Mit Ausnahme der Pines-Siedlung hat die Bundespolizei die Hoheit über weite Teile der ehemaligen Warner-Barracks übernommen, von der viele Gebäude immer noch leer stehen.
Im Süden ist die Aufnahmeeinrichtung Oberfranken dabei, sich nun auch die verbliebenen zehn Wohnblocks der Flynn-Area einzuverleiben - in einer Stadt, die vor Wohnungssuchenden aus allen Nähten platzt.
Turbo- oder Mini-Konversion?
Und die Stadtverwaltung ist bescheiden geworden: Nach den hochfliegenden Hoffnungen auf eine "Turbokonversion" vor einem Jahr reicht es dem Bamberger Rathaus heute bereits, die Lagardekaserne innerhalb der nächsten sechs Monate kaufen zu können. Eine entsprechende Grundsatzvereinbarung wurde diese Woche unterzeichnet, sagte Bambergs OB Starke (SPD) erfreut. Allerdings: Selbst in den Reihen der großen Koalitionsgemeinschaft in Bamberg stößt der Optimismus mittlerweile an Grenzen: "Ich will noch dran glauben, dass wir die Lagardekaserne kaufen können", sagt der Fraktionschef der Bamberger CSU, Helmut Müller wenig überzeugt. Warum waren die Bamberger so viel langsamer als die Schweinfurter, wollten wir von ihm wissen. Bamberg habe das Ziel verfolgt, das ganze Gelände auf einen Streich zu erwerben. Dadurch sei man die Konversion etwas anders angegangen, meint Müller milde.
Dabei ist das Problem offenkundig: Die weltpolitische Lage hat Bambergs Hoffnungen auf den großen Wurf zu einem Zeitpunkt zunichte gemacht, als die Schweinfurter bereits Nägel mit Köpfen machten. Und sie droht, das Ergebnis weiter zu verhageln: Die schon im Herbst formulierten Forderungen aus der Bundespolitik, weitere 3500 Polizisten in Deutschland einzustellen, haben durch den Terroranschlag in Berlin neuen Auftrieb erhalten - mit möglichen Folgen für Bamberg. SPD-Stadtrat Heinz Kuntke hält es für realistisch, dass die Bundespolizei in Bamberg weitere Objekte übernimmt. Seine Hoffnung ist, dass sich diese Expansion nicht auf die Lagardekaserne, sondern auf die Flynn-Siedlung erstreckt, wo bis Mitte 2017 3500 Flüchtlingsunterkünfte entstehen sollen.
Streit um günstigen Wohnraum
Ob sich dadurch das Gesamtergebnis der Konversion noch retten ließe? Christine Lawrence von der Initiative "Armygelände in Bürgerhände" glaubt nicht mehr daran. Sie rät der Bamberger Politik, den Bürgern endlich reinen Wein einzuschenken. "Die Wahrheit ist doch, dass hier in Bamberg für viele Jahre alles blockiert sein wird", sagt sie. Mitstreiterin Hedwig Luster ärgert sich besonders über die geringe Aussicht auf eine wirkungsvolle Entspannung auf dem Wohnungsmarkt. "Selbst, wenn die Lagardekaserne kommt, ist die Gelegenheit für preisgünstige Wohnungen doch vertan, weil dort ja erst teuer gebaut werden muss", sagt Luster. Günstiger Wohnraum sei in Bamberg nie wirklich gewünscht gewesen, lautet ihr Vorwurf. Eine These, die in der Bamberger Politik auf heftigen Widerspruch stößt. Längst ist es Allgemeingut, den Mangel an bezahlbaren Wohnungen zu beklagen und Besserung zu versprechen. Auch Bambergs OB Andreas Starke hat eine Wohnungsbauoffensive angekündigt. Er spricht davon, dass die Stadtbau GmbH in die Lage versetzt worden sei, den Wohnungsbau in Bamberg substanziell voranzubringen, was sich im Ulanenpark schon bald zeigen werde. Die bereits erfolgte Umwandlung der Pines-Siedlung zum Föhrenanger habe bewiesen, dass es die Stadt könne: "5,50 Euro Miete pro Quadratmeter sind bezahlbarer Wohnraum", sagt Starke.