Druckartikel: Konversion: Das schwierige Erbe der Pines-Siedlung in Bamberg

Konversion: Das schwierige Erbe der Pines-Siedlung in Bamberg


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Donnerstag, 13. August 2015

Die Stadt Bamberg verfolgt mit der Übernahme der Pines-Siedlung das Ziel, möglichst schnell Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Ob der auch "bezahlbar" wird, ist angesichts des ins Auge gefassten Sanierungsaufwands allerdings fraglich.
Künftig mit Aufzug? Pines-Häuser an der Zollnerstraße. Foto: Archiv/Ronald Rinklef


Fünf Ordner voller Gutachten. Die Akten stehen im Büro des Stadtbau-Geschäftsführers Veit Bergmann - eine Art überdimensionaler Mängelliste für die Übernahme der ersten US-Siedlung durch die Stadt. Als künftiger Eigentümer von acht Blocks mit 103 Wohnungen sieht das kommunale Wohnungsbauunternehmen mit Argusaugen auf die Bausubstanz: "Wir haben jede Wohnung untersucht, sind durch jedes einzelne Abwasserrohr durch", sagt Veit Bergmann und zeigt auf einen verschütteten Kanalschacht im Umfeld der so genannten Pines-Area. Er weiß: "Den Kanal frei zu machen, kostet rund 2000 Euro." Aber nicht die Stadtbau: Die Summe wird vom Kaufpreis der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) abgezogen.

Verstopfte oder eingewachsene Kanäle sind das geringste der Probleme, die die Experten über die Siedlung hinter dem Kasernenzaun an der Zollnerstraße zusammengetragen haben. Einfach den Zaun einzulegen und die Wohnungen aufzusperren, wie man es sich in der Initiative "Armygelände in Bürgerhände" wünscht, geht schon wegen der an das deutsche Netz anzuknüpfenden Leitungstrassen nicht. Gleichwohl verfolgt die Stadtbau GmbH nach eigenem Bekunden das gleiche Ziel wie die engagierten Bürger. Sie will "akzeptable Mieten und günstige Verkaufspreise" anbieten.

Doch auf dem Weg dahin sieht man sich vor einer Menge praktischer Hürden. Bergmann spricht von einem Spannungsfeld zwischen den Verkaufsvorstellungen der Bima und dem Versprechen, bezahlbaren Wohnraum möglich zu machen.

Konkret heißt das: Das Wertermittlungsverfahren, das bei den "Pines" zur Anwendung kommt, begünstigt aufwändige Sanierungen, da diese vom Kaufpreis abgezogen werden. Was gut für die Stadt sein mag, hat aber Konsequenzen für den Wohnungsmarkt und die künftigen Mieter oder Eigentümer, die diese Leistungen bezahlen müssen, auch wenn sie sie vielleicht gar nicht wollten.


"Bäume pflanzen" für die Böden

Zum Beispiel die viel zitierten Böden: Die Stadtbau sieht sich bei dem Ziel, die umstrittenen Beläge mit einer PAK-Belastung im Kleber zu entfernen, durch die Empfehlungen renommierter Fachleute bestätigt, die auch von der Möglichkeit, nachträglich zu sanieren, abgeraten haben. 11.000 Quadratmeter Holzparkett sollen alleine in der Pines-Siedlung entfernt und in einem ersten Schritt durch Linoleum ersetzt werden. Ob es die Wohnungssuchenden in und um Bamberg tröstet, dass die Stadtbau im Gegenzug ein Zeichen setzen und die Aktion des jugendlichen Baum-Aktivisten Felix Finkbeiner unterstützen will? Bergmann verspricht, dass für jeden abgerissenen Quadratmeter Parkettboden ein Baum gepflanzt wird. Macht dann 11.000 Bäume alleine für die "Pines".


Sind auch die Dächer fällig?

Ähnlich denkt der Stadtbau-Chef auch bei anderen Gewerken. Natürlich könne das Dach noch zehn Jahre halten, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Doch die Ziegel neu zu machen, wenn das Gerüst schon einmal steht, sei langfristig wirtschaftlich und sende ein schon von außen erkennbares Signal aus, dass es hier im Viertel aufwärts geht.

"Vorsorglich" sehen die Stadtbaupläne schon heute den Umbau der 100 bis 120 Quadratmeter großen Wohnungen in kleinere Einheiten vor, sollten die Interessenten der Stadtbau nicht doch die Bude einrennen. Bergmann glaubt nicht daran. Man habe in den letzten Monaten die Erfahrungen gemacht, dass es Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen sind, die mit Abstand am meisten nachgefragt sind. Laut Bergmann gab es für Wohnungen über 100 Quadratmeter bei der Stadtbau seit Januar nicht mehr als 31 Anfragen.

Ob es an der Klientel des kommunalen Wohnungsbauunternehmens liegt? Das vermeintliche Desinteresse für große Wohnungen steht jedenfalls in eklatantem Widerspruch zu den Erkenntnissen des Mietervereins Bamberg und der Bamberger Familienverbände, die in der Vergangenheit mehrfach den Mangel an großen Wohnungen in Bamberg angeprangert hatten. Auch in der Bewerberliste mit mittlerweile 300 Interessenten für die Pines-Siedlung dominiert auf den ersten Blick der Wunsch nach großen Vier-Zimmer-Wohnungen. Etwa ein Drittel der Interessenten bekundet zudem das Interesse, die Wohnungen zu kaufen.

Freilich stellt sich die Frage, ob ein Kaufpreis von deutlich unter 2000 Euro pro Quadratmeter, wie ihn Konversionsreferent Christian Hinterstein als Zielmarke ausgegeben hatte, überhaupt machbar ist angesichts der ins Auge gefassten umfangreichen Sanierungen. Bergmann macht auf Nachfrage keine Hoffnung, dass er dies für ein realistisches Ziel hält.

So sehen die Pläne Aufzüge zum Kostenpunkt von rund 70.000 Euro pro Haus ebenso vor wie die aufwändige Aufrüstung der Fassadendämmung. Dafür sollen die derzeit auf dem 36-Zentimeter-Mauerwerk aufgebrachten sechs Zentimeter starken Polystyrol-Matten entfernt und durch 14 Zentimeter starke Matten ersetzt werden, "um die Nebenkosten zu senken". "Es wäre ja nicht gut, wenn zu einer Miete von 4,50 Euro noch drei Euro Nebenkosten pro Quadratmeter dazukämen", sagt Bergmann.


Ausbau in zwei Standards

Beschlossen hat der Aufsichtsrat der Stadtbau in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause, dass etwa 40 von 100 Wohnungen verkauft werden sollen. Ob zu einem erschwinglichen Preis, erscheint jedoch fraglich angesichts der vorliegenden Fakten. Bergmann beziffert den voraussichtlichen Sanierungsaufwand der Stadtbau mit rund rund 1500 Euro pro Quadratmeter. Dazu kommt noch der Verkaufserlös für die Bima. Bei vergleichbaren Wohnungen im Bundesgebiet soll die Bima zwischen 400 und 800 Euro pro Quadratmeter erzielt haben. Neu ist auch, dass die Mietwohnungen jetzt in zwei Ausbaustandards angeboten werden sollen. Auf einem einfachen und einem gehobeneren Niveau - zu Mieten zwischen fünf und sechs Euro.


Keine Vorteile beim Kaufpreis

Christine Lawrence von der Initiative "Armygelände in Bürgerhände" bezweifelt, dass die bis zuletzt bewohnten Pines-Häuser an der Zollnerstraße tatsächlich einen so hohen Sanierungsaufwand verursachen. Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass die Stadt dadurch Vorteile beim Kaufpreis habe. "Es ist nicht die Bima, die die Sanierungen zahlt, sondern der Bürger, der höhere Kaufpreise und teurere Mieten in Kauf nehmen muss", sagt Lawrence.

Die Sprecherin erinnert an das von allen Fraktionen gegebene Versprechen, auf dem Kasernengelände bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Durch Aufzüge oder neue Dacheindeckung würden die Pines-Wohnungen ohne Not verteuert. Lawrence hat Zweifel, dass Aufzüge in dreigeschossigen Häusern wirklich notwendig sind.