Druckartikel: Konflikt um neuen Weg der Kirche

Konflikt um neuen Weg der Kirche


Autor: Marion Krüger-Hundrup, Markus Klein

Bamberg, Dienstag, 23. April 2019

Ein neuer Kreuzweg in der Oberen Pfarre bündelt Glaube, Seelsorge, Leiderfahrung, Hoffnung. Doch einige Gläubige wollen lieber die Tradition bewahren.
Künstler Albert Ultsch setzt die Platte für die achte Station des neuen Kreuzwegs in den Boden der Kirche "Unsere Liebe Frau".   Fotos: Marion Krüger-Hundrup/Markus Klein


Modernisierung ist häufig mit Konflikten verbunden. So auch in der Kirche "Unsere Liebe Frau" (Obere Pfarre) am Kaulberg. Pfarrer Matthias Bambynek und Bildhauer Albert Ultsch sehen mit dem neuen Kreuzweg, der noch Anfang der Karwoche fertiggestellt werden soll, eine gemeinsame Glaubensvision verwirklicht. Ausgedrückt in modernen Kunstwerken auf Boden-Glasplatten rund um das Mittelschiff. Doch ein Gemeindemitglied sammelt Unterschriften für die Erhaltung der alten Kreuzwegstationen. Über 300 Gläubige haben unterschrieben. Die Liste wurde am Dienstag dem Erzbischof übergeben.

Die "Alten", das sind vierzehn Terrakottatafeln als Kopie von Originalen im Nazarener-Stil, die der Bildhauer Joseph Knabl (1819-1881) hergestellt hat. Der damalige Pfarrer der Oberen Pfarre, Nikolaus Eichhorn, stiftete diese Kopien 1896. Sie hängen derzeit noch im Eingangsbereich des Gotteshauses und an den Seiten der Pfeiler, die den Fenstern zugewandt sind. Anders als die neuen Bodenplatten handelt es sich dabei aber nicht um einen durchgängigen Kreuzweg als solchen.

Darum gehe es Erich Bahmer (Name geändert) aber nicht, der die Unterschriften-Aktion "Für den Erhalt des alten Kreuzwegs" in die Wege geleitet hat. Bahmer gehöre der Gemeinde seit über 60 Jahren an und verbinde viele persönliche Erfahrungen mit den Kreuzweg-Tafeln, die ihm bei leidvollen Erfahrungen Trost gespendet hätten. "Wenn ich als Gläubiger die Bilder sehe, berührt mich das", erzählt er. Und man könne daran den Kindern gut die Geschichte erklären. Bahmer tut dies beispielhaft am Bild der elften Station ("Jesus wird ans Kreuz genagelt"): "Man sieht das Leid Christi, sieht das fragende Gesicht eines Mannes, sieht, wie sich die Pharisäer aus schlechtem Gewissen abwenden und die Mutter Gottes alles mit göttlicher Geduld erträgt." Mit den neuen, abstrakten Bildern könne er nichts anfangen.

"Es soll aber gar nicht gegen den Pfarrer und den Künstler gehen", sagt er, "sondern darum, die Alten zu erhalten." Denn bei der geplanten Erneuerung des Eingangsbereichs sollen die sechs alten Kreuzwegtafeln einen neuen "Ort zum Aufhängen finden, oder ins Magazin gegeben werden", wie Pfarrer Bambynek sagt. Verkauft würden sie nicht.

Doch Bahmer und seine Unterstützer wollen sie am gewohnten Ort sehen. Dafür tauchen sie vor katholischen Kirchen im Stadtgebiet auf, sprechen Leute an und bewegen sie zur Unterschrift. Monika Pflaum unterstützt den Initiator der Unterschriftensammlung aktiv. Die Modernisierung der Kirche verstehe die 82-Jährige aus der Gemeinde nicht. Dass die alten Tafeln aus dem Gotteshaus entfernt werden sollen, "tut mir weh". Bereits seit 1952 besuche sie regelmäßig die Obere Pfarre und die Laurenzikapelle, in der der Kreuzweg gebetet werde. "Dort haben wir früher dafür gebetet, dass die Männer aus dem Krieg heimkommen", sagt Pflaum mit zitternder Stimme.

Mit den Glasplatten könne sie nichts anfangen. "Eine hat mich daran erinnert, wie ich meine Unterwäsche auf einer Leine aufhänge". Auf der Platte sind ein durchgängiger schwarzer Strich und weitere kürzere Striche und Balken, teils farbig, zu sehen. Auch Franz-Rudolf Herber ist unzufrieden: Am neuen Kreuzweg störe ihn die grundsätzliche Idee, "über den sterbenden Jesus hinwegzugehen, das ist für mich unfassbar".

"Hetzjagd gegen den Pfarrer"

Gerhard Metzner, Vorsitzender des Bürgervereins Kaulberg, meint hingegen, dass die Unterschriftenkampagne "nichts mehr mit dem Kreuzweg zu tun hat, sondern eine Hetzjagd gegen den Pfarrer ist". Das sei auch in der kürzlichen Jahreshauptversammlung des Vereins deutlich geworden, in der über die ganze Sache diskutiert wurde: "Laut und aufgeregt". Metzner denke, dass "viel Unwissenheit dabei ist, und Leute unterschreiben, ohne zu ahnen, worum es geht".

Das bestätigt auch ein Gemeindemitglied: "Ich wusste gar nicht so richtig, was ich da unterschreibe", bekennt die Frau. Sie sei nach dem Rosenkranzgebet in der St.-Martins-Kirche auf die Liste hingewiesen worden. Mit der vagen Frage: "Wollen Sie nicht auch, dass das Alte in der Kirche erhalten bleibt?" Metzner möchte Wogen glätten, den Dialog führen. Vermitteln, dass "Kirche heute und nicht gestern gelebt werden muss". Denn "wenn wir heute so bauen würden wie früher, würden wir noch in Lehmhütten hausen. Ich finde den neuen Kreuzweg toll!", betont Metzner.

Der betroffene Pfarrer Matthias Bambynek weiß von der Unterschriftensammlung, kennt aber nicht den genauen Text. Bis zum 12. April ist die Liste auch nicht bei ihm eingegangen. Er sagt: "Ich ignoriere andere Meinungen nicht. Natürlich gibt es andere Positionen, die sich wünschen, dass alles so bleibt wie es ist." Er habe versucht, mit dem Unterschriftensammler ins Gespräch zu kommen. Doch der wollte nicht - was Bahmer auch bestätigt. "Ich bin einfach kein guter Redner, als kleiner Gläubiger kann ich da nichts ausrichten", kommentiert er die Ablehnung des Gesprächsangebots.

Pfarrer Bambynek weist daraufhin, dass in der Oberen Pfarre überhaupt kaum eine Kreuzwegfrömmigkeit gepflegt werde. Mit dem neuen Kreuzweg wolle er signalisieren, dass "bei uns dem Leiden und den Leidenden ein Platz eingeräumt wird", erklärt er. Schon die Generalsanierung der Pfarrkirche sei von dem Gedanken getragen worden, dass diese ein "Ort der Versammlung der Gemeinde ist - und kein Museum". So habe der Wunsch bestanden, diesem Versammlungsort auch einen zeitgemäßen Ausdruck zu geben. Das sei mit der Umgestaltung des Chorraumes oder mit der neuen schlichten Beichtkammer auch gelungen - allesamt Werke des Bildhauers Albert Ultsch, dessen Frau sich als Schatzmeisterin im Förderverein "Unsere Liebe Frau" engagiert.

Gemeinsam mit Ultsch hat Bambynek die neuen Kreuzwegstationen entwickelt. Ihnen liegen Meditationstexte zugrunde, die der Pfarrer verfasst und vor zwei Jahren auch in einer Andacht samt Orgelbegleitung vorgetragen hat. Nach einstimmigem Votum der Kirchenverwaltung, der Zustimmung des Landesamts für Denkmalpflege sowie der Kunstkommission des Erzbischöflichen Ordinariates wurden die Kreuzwegpläne in die Tat umgesetzt. "Es ist ein Projekt von zwei Personen, die die gleichen Gedanken hatten", fasst Albert Ultsch zusammen.

Schon lange habe ihn der Kreuzweg des leidenden Christus bewegt. So sei es eine besondere künstlerische Herausforderung gewesen, dieses Berührtsein umzusetzen. Er bedauere es zutiefst, so Ultsch, dass die Beschwerdeführer nie das Gespräch mit ihm und dem Pfarrer gesucht hätten: "Das Projekt wurde ja auch öffentlich vorgestellt", ergänzt er. Die Präsentation des Projekts stieß auf große Resonanz und erhielt viel positives Feedback.

Beschwerdeführer Bahmer kritisiert jedoch, dass die Gemeinde erst informiert wurde, "als schon alles entschieden war". Grundsätzlich missfalle ihm die stetige Modernisierung in der Kirche - dass zwei alte Beichtstühle durch einen neuen, modernen ersetzt und ein Kruzifix von einem modernen Kreuz abgelöst wurden. Und jetzt sollen auch noch die alten Kreuzwegtafeln entfernt werden.

Ersetzt werden sie durch neue mehrschichtige Glasplatten, deren Oberfläche eine Textur und abstrakte, farbige Gemälde aufweist. Die Platten sind in den Boden eingelegt. Sie sind verbunden mit den römischen Ziffern für die Kreuzwegstationen und Schlagworten wie "abgeurteilt", "schmerzerfüllt", "entblößt" oder "vollbracht" an den jeweiligen Stationen. Sie führen durch die ganze Kirche. Im rechten Seitengang Richtung Hauptportal ist die letzte Station "Es wird vollendet werden", die allein schon gestalterisch aus dem Rahmen fällt. Sie verweist auf den christlichen Auferstehungsglauben, steht am Ende und eigentlich doch am Anfang eines menschlichen Pilgerweges.

"Die Betrachtung des Kreuzwegs Jesu bietet die Möglichkeit, das je eigene Leben auch mit seinen Leiderfahrungen, aber auch mit Zuversicht in den Blick zu nehmen", erläutert Pfarrer Bambynek. "Leidende sind mitten unter uns, selbst in den Wohlfühlgottesdiensten zu Weihnachten und zur Hochzeit", weiß der Seelsorger. Und wer leide, schaue nicht nach oben zum Himmel, sondern bedrückt zu Boden, erklärt Bambynek die nicht an den Wänden hängenden Kreuzwegstationen. Die abstrakt gemalten Bilder würden jenen Deutungsspielräume geben, die Leid durchmachen, individuell durch die Obere Pfarre pilgern und den Kreuzweg als ihren Kreuzweg beschreiten. "Womöglich lässt sich für sie neu entdecken, dass der christliche Glaube hilfreich sein kann, um das Dasein auch mit seinen bitteren und schmerzenden Seiten zu tragen, zu ertragen und zu bewältigen", hofft Pfarrer Bambynek. Und fügt hinzu: "Es ist niemand gezwungen, auf die Stationen am Boden zu treten", zumal diese dicht an den Wänden eingelassen seien.

Für den neuen Kreuzweg sind Kosten in Höhe von 65 000 Euro veranschlagt. Ein Großteil der Summe wird vom Bauamt der Erzdiözese Bamberg getragen sowie durch die Kirchenstiftung der Oberen Pfarre, die für das Kreuzwegprojekt großzügige Spenden erhalten hat. mit Markus Klein