Druckartikel: Keine sexuelle Absicht und kein Midazolam gespritzt?

Keine sexuelle Absicht und kein Midazolam gespritzt?


Autor: Gertrud Glössner-Möschk

Bamberg, Mittwoch, 29. April 2015

Am vierten Verhandlungstag machte der ehemalige Chefarzt Heinz W. Angaben zu vier von insgesamt 13 ihm zur Last gelegten Fällen. Er streitet streitet jeden sexuellen Hintergrund ab.
Laut Anklageschrift soll Heinz W. fast alle seine Opfer mit dem Beruhigungsmittel Midazolam betäubt haben. In seiner Einlassung am Mittwoch hat er diese Vorwürfe von sich gewiesen.  Fotos: gg


Allein im Dienste der Wissenschaft und auf der Suche nach neuen und auf größtmögliche Schonung seiner Patientinnen bedachten Untersuchungsmethoden will der ehemalige Chefarzt am Klinikum Bamberg, Heinz W., gehandelt haben: Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, er habe in den Jahren 2008 bis 2014 mehrere Patientinnen und Mitarbeiterinnen des Klinikums gegen ihren Willen betäubt, Gegenstände in den Unterleib eingeführt und eine Fülle von Bildmaterial erstellt, deutete der Angeklagte am vierten Verhandlungstag auf seine Weise um.


Die Schuld wird weitergereicht

Er begann seine Einlassung mit der von ihm schon bekannten Art von Entschuldigung, in der er einerseits sein Bedauern ausdrückt, um dann sofort die Schuld an die ermittelnde Polizei weiterzureichen: "Vorab möchte ich mich dafür entschuldigen, dass die Opfer in einem völlig falschen Zusammenhang mit dem Bildmaterial konfrontiert worden sind. Bei keiner der Frauen wollte ich bewirken, was ihnen an Leid angetan worden ist."

Der Inhalt seiner Aussage kurz zusammengefasst: Heinz W. stellt sich als unschuldig dar. In keinem der vier Fälle, die am Mittwoch erörtert worden sind, will er das Betäubungsmittel Midazolam eingesetzt haben. Die jeweils am späten Nachmittag oder frühen Abend untersuchten und meistens vor Operationen stehenden Patientinnen seien möglicherweise durch ein anderes, nicht von ihm verabreichtes Beruhigungsmittels müde gewesen.

Bei seinen Untersuchungen seien sie alle bei Bewusstsein und ansprechbar gewesen. Die Fotos, die er von den Untersuchungen gemacht habe, seien ausschließlich zu Dokumentationszwecken erstellt worden. Er habe sie für Vorträge bei Kongressen und im Kollegenkreis verwenden wollen.


Die Kollegen wussten von nichts

Warum er seinen unmittelbaren Kollegen aber niemals von seinen "bahnbrechenden" Untersuchungsmethoden berichtet hat, konnte er nicht schlüssig erklären. Dagegen schilderte er eindrücklich, wie schwer erkrankt seine jungen, an Beckenvenenthrombosen leidenden Patientinnen gewesen seien. Dass er den Frauen, die zum Teil mit geschwollenen Beinen und Thrombosestrümpfen nackt vor ihm lagen, laut Anklage eine stabförmige Ultraschallsonde in den Unterleib eingeführt hat, soll ausschließlich medizinische Gründe gehabt haben. "Falls der Eindruck entstanden sein sollte, ich sei ihnen sexuell nahe getreten, so ist das falsch."

Auf die Frage, weshalb seine speziellen Diagnosemethoden und der Einsatz von Kontrastmitteln nicht dokumentiert und die Bilder nicht in den Krankenakten zu finden seien, schob er die Schuld auf die unzureichenden technischen Möglichkeiten am Bamberger Klinikum. Die Gabe von Kontrastmitteln zum Beispiel sei nur auf Thermopapier-Ausdrucken zu dokumentieren gewesen. Diese Zettel seien mit auf die Station geschickt worden und in vielen Fällen verloren gegangen. "Erst seit 2011 haben wir begonnen, diese Dokumentationslücken aufzuarbeiten."

Die vier Fälle, die Heinz W. für den Auftakt seiner Einlassungen ausgewählt hatte, gehörten zu den älteren Vorgängen. Sortiert man alle Fälle in der Anklageschrift chronologisch, wird augenfällig, dass die kriminelle Energie des Angeklagten zugenommen haben und er deutlich hemmungsloser an den Opfern manipuliert haben muss- sofern er schuldig ist. Anders als noch 2010 kamen 2014 nicht nur vaginale Ultraschallsonden, sondern auch so genannte Butt Plugs (Analstöpsel) zum Einsatz. Und in das Jahr 2014 fällt auch - keine zwei Monate vor seiner Verhaftung - jene Nacht, die er nach einem Musical-Besuch mit der Patentochter seiner Frau in einem Hotelzimmer verbracht haben soll.

In dieser Nacht soll er Videoaufnahmen von der fast unbekleideten jungen Frau gemacht haben und sie mit einem stabförmigen Gegenstand an Bauch und Oberschenkeln berührt haben.

Die Last dieser Vorwürfe - immerhin stehen zehn Vergewaltigungen im Raum - schien W. am Anfang des Verhandlungstages kaum zu drücken. Lächelnd lief er vom Aufzug in den Sitzungssaal. Ruhig und konzentriert trug er seine Einlassungen vor und beantwortete bereitwillig alle Fragen, auch wenn sein Verteidiger sie abwehren wollte. Am Ende des Verhandlungstages aber war er gezeichnet. Vor allem die Fragen der medizinischen und psychologischen Gutachter hatten ihm sichtlich zugesetzt. Zum Beispiel: "Wie verträgt sich das mit Ihrer Dokumentationspflicht, wenn sich solche Befunde nirgends finden. Der transvaginale Zugang scheint Ihnen nirgends erwähnenswert?"