Katrin Schnabel fühlt sich ausgebremst
Autor: Werner Baier
Litzendorf, Samstag, 26. Januar 2013
Die Behindertenbeauftragte des Gemeinderats Litzendorf trat unter Protest gegen Bürgermeister Wolfgang Möhrlein zurück. Sie wirft ihm mangelnde Unterstützung vor.
Nach zwölfjähriger Erfüllung ihres Ehrenamtes trat SPD-Gemeinderätin Katrin Schnabel als Behindertenbeauftragte von Litzendorf zurück. Damit protestierte die Kommunalpolitikerin gegen den Mangel an Unterstützung durch Bürgermeister Wolfgang Möhrlein (CSU), ohne die ihre ehrenamtliche Arbeit keinen Sinn mache, wie die sagte. Schnabel: "Ich arbeite nicht gerne sehr viele Stunden für den Papierkorb."
Zwar hatte sich Katrin Schnabel schon früher wiederholt darüber beschwert, dass ihre Vorschläge zur behindertengerechten Verbesserung von kommunalen und anderen Bauwerken teilweise auf Unverständnis gestoßen waren. Das Fass zum Überlaufen brachte dann aber ein Ortstermin des Bürgermeisters mit zuständigen Fachleuten am Neubau des Büchereigebäudes, bei dem eine Mängelliste der Behindertenbeauftragten abgearbeitet werden sollte.
Katrin Schnabel hatte erwartet, dass man sie dazu einlädt, um wenigstens stichpunktartig die von ihr festgestellten Mängel zu erläutern. Aber sie erfuhr nichts von dem Termin und ist bitter enttäuscht. Ihr Rücktritt vom Ehrenamt der Behindertenbeauftragten überraschte Bürgermeister und Gemeinderat. Wolfgang Möhrlein nahm die Erklärung Schnabels mit Bedauern zur Kenntnis und zeigte sich enttäuscht, weil er "das Gefühl hatte, dass Katrin Schnabel mit ihren Anliegen stets auf offene Ohren gestoßen" sei.
Die Gemeindeverwaltung habe ihre Mängelliste an die Architekten weitergeleitet und sich auf die Fachplaner verlassen. Gerade beim neuen Büchereigebäude habe die Gemeinde mit großem finanziellen Aufwand die Belange der Behinderten berücksichtigt, erinnerte Möhrlein.
Auch bei anderen Projekten habe die Gemeinde mit zum Teil fünfstelligen Beträgen Auflagen und zusätzliche Wünsche erfüllt, um den Behinderten gerecht zu werden. Weitere Mängel ließen sich auch jetzt noch beseitigen.
Abschließend gab der Bürgermeister zu bedenken, dass die Gemeinde sich keine hauptamtliche Kraft leisten könne, die sich ausschließlich um die Barrierefreiheit sorgen könne. Ohnedies könne man "nicht überall 120 Prozent fordern".
Als gravierenden Mangel des Büchereigebäudes hatte Katrin Schnabel den Handlauf an der Innentreppe aufgeführt. Der sei nicht wie erforderlich als runde, sondern als kantige Stange ausgeführt worden und somit schlecht zu greifen. Sehbehinderte stünden in der Herrentoilette vor einer weißen Wand, von der sich die ebenfalls weißen Urinale nicht abheben würden. Mit einer farbigen Wandgestaltung ließe sich das Problem nachträglich leicht lösen. Aber auch ein solcher Rat werde nicht befolgt, klagte Schnabel.
Viele Anträge geschrieben
Ähnliche Erfahrungen habe sie beim Aloisiusheim in Schammelsdorf gemacht. Dort sei bei der Dorferneuerung zwar das Umfeld barrierefrei umgestaltet worden, nicht aber das Haus selbst. Viele Anträge hätte sie dazu geschrieben und obwohl Gelder im Haushalt dafür bereitgestellt worden seien und trotz mehrmaliger Gespräche mit dem Bürgermeister sei nichts zur Verbesserung geschehen. Häufig habe sie nur halbherzige Unterstützung erfahren, bedauerte die Gemeinderätin.
Sie sah ihren Auftrag stets auch als Beitrag zur Vorbeugung, denn barrierefreie öffentliche Einrichtungen seien auch für (noch) nicht behinderte Mitmenschen bequem und vorteilhaft. Dabei haben derzeit 660 von 6000 Einwohnern der Gemeinde eine gemeldete Behinderung. Davon hätten 451 eine erhebliche und 51 eine außergewöhnliche Behinderung. Je vier Litzendorfer sind auf den Rollstuhl angewiesen oder blind.
Dabei erkannte Katrin Schnabel im Zehn-Jahres-Vergleich eine deutliche Steigerung des Behinderten-Anteils. Vor allem erhöhte sich die Zahl der 55- bis 65-jährigen Behinderten in den letzten sechs Jahren von 72 auf 178. Schnabel vermutet zudem eine Dunkelziffer bei den 65- bis 75-jährigen, weil viele Rentner den bürokratischen Aufwand scheuen, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen. Sie versprächen sich davon häufig keinen Vorteil mehr.
In ihrem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2012 zählte Katrin Schnabel zahlreiche Aktivitäten auf. Monatlich hielt sie zwei Sprechstunden. Sie wirkte an der Neuauflage eines Flyers für barrierefreie Wanderwege mit, war bei den Veranstaltungen der VdK-Ortsverbände Pödeldorf-Naisa, Litzendorf und Melkendorf präsent und arbeitete mit der Seniorenbeauftragten Sandra Herbst zusammen. Nebenbei beriet sie die Gemeinde Gundelsheim bei der behindertengerechten Ortsgestaltung. Ihr Hauptaugenmerk galt auch im abgelaufenen Jahr den kommunalen Baumaßnahmen in Litzendorf, zum Beispiel der Ortsdurchfahrt von Pödeldorf, dem Neubau der Kinderkrippe, der Bücherei und des Bürgerhauses sowie deren Umgebung.
Frau prallt gegen die Glastür
In der Bücherei erlebte die Behindertenbeauftragte einmal unmittelbar mit, was passiert, wenn ihr Rat nicht befolgt wird: Eine Besucherin prallte "aus vollem Lauf" gegen eine Glastür, die nicht mit den Markierungsstreifen in Augenhöhe gesichert war. Die Frau erlitt Prellungen der Nase, hatte Schmerzen im Genick, musste den Arzt aufsuchen und war einen Tag arbeitsunfähig. Trotzdem ging's noch glimpflich ab. Für Katrin Schnabel ein Grund mehr, unter Protest zu resignieren: "Ich lege mein Ehrenamt nieder, auch wenn ich weiß, dass ich damit viele Menschen enttäusche."