Karl May oder Die Sehnsucht nach dem edlen Wilden
Autor: Rudolf Görtler
Bamberg, Montag, 18. Februar 2019
Die Bamberger Schriftstellerin Tanja Kinkel versuchte sich im E.T.A.-Hoffmann-Theater mit einigen Bundesgenossen dem Phänomen Karl May zu nähern - ein fragmentarisches Porträt.
Doch, er war schon eine seltsame Erscheinung, dieser "Karl der Deutsche" (so der "Spiegel" in einer Titelgeschichte 1962), dieser "in sich äußerst widersprüchliche Autor". So charakterisierte Tanja Kinkel Karl May (1842-1912), den mit vermutlich 100 Millionen verkauften Bänden meistverkauften Autor deutscher Sprache - die Übersetzungen nicht mitgerechnet.
Um den sächsischen Fantasten also sollte es gehen am Sonntag im E.T.A.-Hoffmann-Theater, der augenscheinlich immer noch ein recht großes Publikum anzieht.
War May ein Kriegstreiber?
Die Schriftstellerin Kinkel war und ist eine große Liebhaberin Karl Mays. Der ist mehr als ein viel gelesener Autor von Abenteuererzählungen mit den auch durch Verfilmungen populär gewordenen Figuren Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi, Winnetou und vielen anderen.
Er ist, so man sich als Erwachsener mit dem Jugendschriftsteller beschäftigt, der er auch, aber keineswegs nur war, eines der interessantesten Phänomene nicht nur der deutschen Literatur. Interessant unter literatursoziologischen, -psychologischen und auch -ökonomischen Aspekten.
Deswegen waren die von der Moderatorin eingangs gewählten Zitate zu dem "Volksschriftsteller" klug gewählt: aus einem Steckbrief von 1869, einem Brief, den May 1892 an eine Leserin schrieb und in denen er seine Romane als Tatsachenberichte charakterisierte, einem Verdikt Klaus Manns, der May gar als Proto-Hitler sah, und einem verklärten Bekenntnis Albert Einsteins zur Lektüre nicht nur seiner Jugend.
May ein Kriegstreiber? Das falsifiziert ein unzweifelhaft pazifistisches Bekenntnis in einem Brief des alten May an seinen Freund Sascha Schneider. All diese Facetten schillerten in Gesprächen Kinkels mit ihren Gästen, May-Liebhabern und ausgewiesenen-Experten, sowie in kurzen Lesungen aus dem Werk des Vielschreibers auf.
Zehntausende Druckseiten
Die Schriftstellerin imaginierte sich als Kind den Hauptsmoorwald als Prärie und sah May als Fürsprecher der Indianer. Was nur teilweise stimmt, denn in der Schwarz-Weiß-Zeichnung seiner Charaktere rangierten z.B. die Sioux-Ogellallah stets als die "Bösen", und Winnetou wird, anders als im Film, auch von einem Angehörigen dieses Stamms erschossen.